Verfassungsbeschwerden am BVerfG nach EuGH-Urteil unzulässig: Alles gesagt in Sachen Vor­rats­da­ten­speiche­rung?

30.03.2023

Das BVerfG hat mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht zur Entscheidung angenommen. Der EuGH hat dieses Vorgehen vergangenes Jahr für unionsrechtswidrig erklärt. Dem hat das BVerfG nichts hinzuzufügen.

Drei Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung richten, fehlt nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom September 2022 das Rechtsschutzbedürfnis. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sie deshalb nicht zur Entscheidung angenommen, wie das Karlsruher Gericht am Donnerstag mitteilte (Beschl. v. 14.02. und 15.02.2023, Az. 1 BvR 141/16 u.a.).

Die Beschwerdeführer, deren Verfassungsbeschwerden seit 2016 anhängig waren, sahen in den Regelungen zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung einen Verstoß gegen die Telekommunikationsfreiheit, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Berufsfreiheit. Parallel waren zwei Provider, die Telekom und Spacenet, gegen die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsgesetz (TKG) verwaltungsgerichtlich vorgegangen. Seit 2017 werden die Regelungen allerdings wegen rechtlicher Unsicherheiten nicht mehr angewendet.

Das mit der Klage der Provider befasste Bundesverwaltungsgericht hatte das Verfahren 2019 ausgesetzt und sich an den EuGH gewandt. Dieser entschied, dass die deutsche Vorratsdatenspeicherung gegen das Unionsrecht verstößt. Nach dem Luxemburger Urteil dürfen die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht ohne Anlass gespeichert werden, eine gezielte und zeitlich begrenzte Speicherung der Daten ist nur bei einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit möglich. Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität kann laut EuGH auch eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen möglich sein.

Beschwerden wurden nicht aktualisiert

Seither gibt es in der Ampel-Regierung Streit über die Frage, wie eine Neuregelung aussehen könnte. Das Justizministerium unter Marco Buschmann (FDP) wirbt seit längerem für das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren. Dabei würden Telekommunikationsanbieter verpflichtet, bei Verdacht Daten zu einzelnen Nutzern für einen bestimmten Zeitraum zu speichern - sozusagen "einzufrieren". Nach Auffassung von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist das jedoch kein adäquater Ersatz für eine Speicherung von IP-Adressen.

Das BVerfG entschied nun, dass den Verfassungsbeschwerden nach der EuGH-Entscheidung das Rechtsschutzbedürfnis fehle. "Grundsätzlich gibt es für eine Überprüfung einer nationalen Norm im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde kein Bedürfnis, wenn schon feststeht, dass die Norm dem Unionsrecht widerspricht und deshalb innerstaatlich nicht angewendet werden darf", so das BVerfG in einer Mitteilung. Die Beschwerdeführer seien deshalb angehalten, ihre Verfassungsbeschwerden bei entscheidungserheblicher Veränderung der Sach- und Rechtslage aktuell zu halten und die Beschwerdebegründung gegebenenfalls auch nachträglich zu ergänzen. Dies sei jedoch nicht geschehen. 

Eine der Verfassungsbeschwerden war damals unter anderem vom Verein Digitalcourage mit mehr als 37.000 Unterstützern eingereicht worden. Gründungsvorstand Rena Tangens erklärte: "Diese Überwachungsmaßnahme ist eine Gefahr für unsere Freiheit – sie hat keinen Platz in einer Demokratie. Das ist vom EuGH und nun auch vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden. Der Gesetzgeber muss diese Gesetzesleiche jetzt konsequenterweise auch endlich streichen."

Nach Auskunft des Gerichtssprechers sind noch drei weitere Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung im zuständigen Dezernat anhängig. Zum Verfahrensstand äußerte er sich nicht.

acr/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Verfassungsbeschwerden am BVerfG nach EuGH-Urteil unzulässig: Alles gesagt in Sachen Vorratsdatenspeicherung? . In: Legal Tribune Online, 30.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51447/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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