Der EuGH ist seit Jahren mit der hohen Zahl an Vorabentscheidungsersuchen überlastet. Ab Oktober wird das EuG die Zuständigkeit in sechs Sachgebieten übernehmen. Die Satzungsreform sieht auch die Offenlegung von Parteischriftsätzen vor.
Beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen zunehmend mehr Rechtsstreitigkeiten, die immer komplexer und sensibler werden. Das Parlament der Europäischen Union (EU) hat daher eine Reform des Gerichtssystems der EU beschlossen. Durch die Änderung der Satzung des EuGH, die ab September in Kraft treten wird, soll der EuGH entlastet werden. Dafür ist unter anderem vorgesehen, dass die Zuständigkeit für Vorabentscheidungsfragen in bestimmten Bereichen, darunter auch die Flug- und Fahrgastrechte, auf das Gericht der EU (EuG) übertragen wird.
Hintergrund der Reform ist, dass die Zahl der Vorabentscheidungsverfahren in den letzten 20 Jahren rasant angestiegen ist. Waren es 2003 erst 210 Verfahren, so stieg die Zahl 2016 bereits auf 470 (auch wegen der vielen neuen EU-Staaten). Mit den 641 Verfahren im Jahr 2019 gab es den vorläufigen Höhepunkt, seitdem schwanken die Neueingänge bei leicht sinkender Tendenz (2023: 518).
"Die Reform wird es dem Gerichtshof ermöglichen, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren, die Einheit und Kohärenz des Unionsrechts zu wahren und zu stärken", heißt es in einer Meldung des EuGH. Das EuG sei in der Lage die Arbeitsbelastung aufzunehmen und die Rechtssachen so zu behandeln, dass den Beteiligten die gleichen Garantien zuteil werden wie zuvor vor dem EuGH. Die neue Zuständigkeitsverteilung gilt für Vorabentscheidungsverfahren, die ab dem 1. Oktober 2024 nach Luxemburg vorgelegt werden.
Schriftsätze der Parteien künftig öffentlich verfügbar
Konkret geht es um das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Verbrauchersteuern, den Zollkodex, die zolltarifliche Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur, Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Flug- und Fahrgäste im Fall der Nichtbeförderung, bei Verspätung oder bei Annullierung von Transportleistungen und das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten. Diese Sachgebiete werfen laut EuGH-Meldung selten Grundsatzfragen auf, es gebe hier bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH, auf die sich das EuG stützen könne.
Daneben sieht die Reform strukturelle Änderungen vor, die die Transparenz und die Effizienz der Verfahren stärken soll. So wird der sogenannte "Mechanismus der vorherigen Zulassung von Rechtsmitteln" ausgeweitet. Das soll dazu führen, dass Rechtssachen, die bereits zweimal – von einer unabhängigen Beschwerdekammer und vom EuG – geprüft wurden, nur dann vor den EuGH gebracht werden können, wenn damit eine für die Einheit, Kohärenz oder Entwicklung des EU-Rechts bedeutsame Frage geklärt wird. Zudem sollen künftig die Schriftsätze der Parteien von Vorabentscheidungsersuchen veröffentlicht werden.
lmb/LTO-Redaktion
Reform des Gerichtssystems der EU: . In: Legal Tribune Online, 12.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55193 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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