Die neuen Top-Level-Domains: "Die EU-Kommission störte sich an .sex"

Interview mit Peter Müller

08.04.2013

2/2: "Zentrale Clearingstelle warnt vor Kollision von Marken"

LTO: Bislang müssen Markeninhaber private Dienstleister damit beauftragen nach Markenrechtsverletzungen durch Second-Level-Domains zu suchen. Wie sieht das bei den neuen TLDs aus?

Müller: Die Situation bleibt grundsätzlich unverändert. Im Rahmen der von der ICANN vorgesehenen Schutzmechanismen gibt es jedoch für die neuen TLDs für einen gewissen Zeitraum zusätzlich die Möglichkeit, Marken bei einer zentralen Clearingstelle, dem sogenannten Trademark Clearinghouse, zu hinterlegen und verifizieren zu lassen.

Auf diese Daten kann zum einen im Rahmen der Einführung der jetzt beantragten TLDs während einer von dem jeweiligen Betreiber zwingend durchzuführenden Phase der bevorrechtigten Registrierung von Domainnamen durch Rechteinhaber (sogenannte Sunrise-Phase) zurückgegriffen werden. Die Marken müssen also nicht jedes Mal erneut verifiziert werden. Zum anderen erhalten sowohl der Markeninhaber als auch der Anmelder eine Mitteilung über einen potentiellen Kollisionsfall, sobald ein Domainname registriert wird, der mit einer bereits hinterlegten Marke identisch übereinstimmt.

LTO: Was kann der Markeninhaber in einem solchen Fall tun?

Müller: Er kann prüfen, ob der Domaininhaber selbst über Rechte an dem Domainnamen verfügt und ob der Domainname in rechtsverletzender Weise genutzt wird. Falls die Registrierung oder Nutzung des Domainnamens eine Rechtsverletzung begründet, kann der Markeninhaber hiergegen mit den üblichen Mitteln vorgehen. Neben den Möglichkeiten des im Streitfall geltenden nationalen Rechts besteht bei sämtlichen neuen TLDs auch die Möglichkeit, das seit vielen Jahren etablierte Uniform Domain Name Dispute Resolution-Verfahren durchzuführen, mit welchem eine Domainübertragung erreicht werden kann. Neu eingeführt wurde für die neuen TLDs darüber hinaus das Verfahren der Uniform Rapid Suspension, bei welchem die Domain nicht übertragen sondern gesperrt wird.

LTO: Was passiert, wenn mehrere Markeninhaber auf eine bestimmte Domain bestehen?

Müller: Grundsätzlich gilt unter mehrerer Rechteinhabern am selben Zeichen das Prinzip „first come, first served“. Derjenige, der den Antrag auf die Domain zuerst gestellt hat bekommt die Domain.

Möglicherweise wird es bei einigen der neuen TLDs eine Neuerung dahingehend geben, dass Markeninhaber in bestimmten Klassen bevorzugt werden. Der Anbieter der Domainendung .music wird beispielsweise ein Interesse daran haben, dass darunter Musiker oder Labels abrufbar sind. Um dies sicherzustellen, kann er festlegen, dass Markeninhaber, die Marken in bestimmten Klassen registriert haben, gegenüber anderen Antragstellern bevorzugt werden.

LTO: Welche Daten müssen bei der zentralen Clearingstelle hinterlegt werden?

Müller: Es sind eine Vielzahl von Angaben zu machen und Unterlagen einzureichen. Zu den Standardangaben gehören Informationen zum Markeninhaber, der Name der Marke, unter welcher Nummer, welchem Datum und in welchem Land sie registriert wurde sowie eine Beschreibung der Waren und Dienstleistungen bzw. der Klassen. Darüber hinaus müssen Benutzungsnachweise eingereicht werden.

"Kosten für Hinterlegung sind moderat"

LTO: Sie haben eben schon gesagt, dass die Bewerber um eine neue TLD alleine, um an dem Verfahren teilzunehmen, bereits bis zu 500.000 US-Dollar bezahlen mussten. Was kostet die Hinterlegung einer Marke?

Müller: Die hier entstehenden Kosten sind aus meiner Sicht moderat. Für die Hinterlegung einer Marke sind für ein Jahr 150, für drei Jahre 435 US-Dollar zu zahlen.

LTO: Für wen lohnt sich die Hinterlegung einer Marke?

Müller: Das Verfahren ist für jeden interessant, der die Nutzung seiner Marke im Internet überwachen und kontrollieren will oder Interesse an der Erweiterung seines Domainportfolios hat. Darüber hinaus bietet die Hinterlegung einer Marke für Unternehmen, die bislang nicht die Möglichkeit hatten, einen ihrer Marke korrespondierenden Domainnamen unter einer attraktiven TLD zu registrieren, die Chance, ihre Marke unter einer der in der Einführung befindlichen offenen TLDs bevorrechtigt zu registrieren.

LTO: Sie bieten ihren Mandanten an, sie bei der Hinterlegung von Marken im Trademark Clearinghouse zu begleiten. Warum braucht man dafür eine Kanzlei?

Müller: Die Erfahrung aus der in der Vergangenheit durchgeführten Sunrise-Phasen, in denen auch Markenrechte nachgewiesen werden mussten, hat gezeigt, dass viele Anträge alleine deshalb gescheitert sind, weil Formalien nicht beachtet wurden. Ein im Markenrecht versierter Markeninhaber, der in der Vergangenheit vielleicht sogar bereits erfolgreich an einer Sunrise-Phase teilgenommen hat, ist sicher in der Lage, die Hinterlegung selbst vorzunehmen. Falls man sich jedoch erst in die Regelwerke einarbeiten muss, dürfte die Beauftragung eines Dienstleisters, der sich in der doch speziellen Materie des Markenrechts auskennt, sowohl wirtschaftlich sinnvoll wie auch zur Vermeidung von Risiken empfehlenswert sein.

LTO: Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch

Peter Müller ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bei der Kanzlei BPM legal in München.

Das Interview führte Tobias Kohl.

Zitiervorschlag

Peter Müller, Die neuen Top-Level-Domains: "Die EU-Kommission störte sich an .sex" . In: Legal Tribune Online, 08.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8478/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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