Was gilt für den Thai-König auf Deutschlandbesuch?: Der unbe­queme Gast am Starn­berger See

von Dr. Markus Sehl

09.01.2021

Bei seinen Aufenthalten in Bayern sei der thailändische König als Privatperson in Deutschland, sagt die Bundesregierung. Doch diese Einstufung wirft Fragen auf. Und müsste der Monarch nicht auch Erbschafts- und Hundesteuer zahlen?

Wann er wiederkommt, ist noch nicht klar. Aber der thailändische König benötigt für eine Einreise nach Deutschland jedenfalls kein Visum, auch wenn er sich hier ausschließlich zu privaten Zwecken aufhält. Das stellte das Auswärtige Amt in einer aktuellen Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen klar, die LTO vorliegt. Danach gelten die Einreisebestimmungen aus dem Aufenthaltsgesetz für den Monarchen Maha Vajiralongkorn, auch genannt Rama X, grundsätzlich nicht mehr, seitdem er Ende 2016 den Thron bestiegen hat. Als Kronprinz sei er dagegen bei seinen Aufenthalten in Bayern noch auf ein Visum angewiesen gewesen.  

Die Wiedereinreise des umstrittenen Monarchen ist ein Politikum geworden, weil es seit Monaten Ärger um seine ausgiebigen Aufenthalte in Bayern gibt. Er besitzt eine Villa in Tutzing am Starnberger See und hielt sich auch während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr zeitweise in einem Luxus-Hotel in Garmisch-Partenkirchen auf. Pikant: Zu privaten Zwecken war das damals eigentlich wegen der Corona-Maßnahmen verboten – war er also in offizieller Funktion in Deutschland? 

Alles streng privat am Starnberger See?

Die Staatssekretärin im Auswärtigen Amt (AA), Antje Leendertse, betonte aber auch jetzt wieder in ihrer Antwort an Dagdelen, dass die thailändische Regierung die Deutschlandbesuche des Königs als "Privataufenthalte" einstuft. Diese Auffassung hatte die Bundesregierung bereits im Oktober vertreten. In der Antwort heißt es auch: "Es befindet sich keine konsularische oder diplomatische Liegenschaft Thailands in Tutzing." Zeitweise soll der König ein handgeschriebenes Botschaftsschild an seiner Villa anbringen haben lassen. Alles also privat.

Zur Begründung der Visumsfreiheit verweist die Antwort der Regierung auf die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthaltsG), die Verweisungskette führt ins Gerichtsverfassungsgesetz (GVG): Denn wer nach dem GVG Immunität genießt, der ist auch von den Regeln des AufenthaltsG befreit. Neben Diplomaten gilt das auch für Staatsoberhäupter (§ 20 GVG). Allerdings laut dem Gesetzeswortlaut nur für solche Repräsentanten, die auf amtliche Einladung nach Deutschland kommen. Dass der König bei seinen angeblichen Privatbesuchen amtlich eingeladen wurde, dürfte wohl nicht der Fall sein.

Angeblich soll König Vajiralongkorn 2019 von Deutschland aus auf die Parlamentswahlen in Thailand eingewirkt haben. Er verbot etwa seiner Schwester, als Spitzenkandidatin für die Oppositionspartei anzutreten. Ob er also immer nur privat in Deutschland unterwegs ist, ist nicht ganz klar. Heikel ist das insbesondere, weil nach völkerrechtlichen Grundsätzen ausländische Staatsoberhäupter auf fremdem Staatsgebiet grundsätzlich keine Hoheitsakte vornehmen dürfen. Es gibt zwar Ausnahmen, die betreffen aber vor allem konsularische Angelegenheiten oder gastierende Exilregierungen. Und am Ende bleibt es Sache des Gastgeberstaates, wie er auf das Verhalten eines schwierigen Gastes reagieren will. Dass sich die Regierung aufgrund wirtschaftlicher und geopolitscher Interessen bei der Durchsetzung irgendwelcher Maßnahmen gegen das thailändische Staatsoberhaupt zurückhaltend zeigt, versteht sich von selbst.

Außenminister Heiko Maas hatte dem König im Herbst vergangenen Jahres aber mit überraschend deutlichen Worten Konsequenzen für den Fall angedroht, dass bei dessen Aufenthalten in Bayern rechtswidriges Verhalten festgestellt werde. "Wir haben deutlich gemacht, dass Politik, die das Land Thailand betrifft, nicht von deutschem Boden auszugehen hat. Wenn es Gäste in unserem Land gibt, die von unserem Land aus ihre Staatsgeschäfte betreiben, dem würden wir immer deutlich entgegenwirken wollen", so Maas. Dieses "Treiben" werde "dauerhaft überprüft". "Und wenn es dort Dinge gibt, die wir als rechtswidrig empfinden, dann wird das sofortige Konsequenzen haben."

Was die Regierung über den Thai-König ermitteln darf - und muss

Eine Sprecherin des AA erklärte allerdings im Oktober, "die Bundesregierung ist davon überzeugt – und erwartet auch –, dass keinesfalls von hier aus Entscheidungen getroffen werden, die der deutschen Rechtsordnung, dem Völkerrecht oder den international verbrieften Menschenrechten widersprechen."

Unklar ist auch, wie streng der deutsche Staat überwachen muss (und darf), was der thailändische König bei seinen Aufenthalten neben bauchfreien Besuchen im Möbelhaus tatsächlich so treibt und ob er dabei gegen (internationales) Recht verstößt. Der Fall weist rechtlich Parallelen zu dem Verfahren wegen US-Drohneneinsätzen auf, die über die US-Air-Base in Ramstein gesteuert werden sollen. Auch hier stellte sich zuletzt vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, mit wie viel Anstrengungen die Bundesregierung die Steuerung der Drohneneinsätze aufklären muss. Die Bundesregierung verletzt ihre Schutzpflicht danach nur dann, wenn sie gänzlich untätig bleibt und ihre Maßnahmen offensichtlich völlig ungeeignet sind.

So oder so: Auch bei privaten Aufenthalten verliert der König jedenfalls nicht seine Immunität. Das wiederum dürfte mögliche Überwachungsmaßnahmen gegen Rama X von vornherein beschränken. Zwangsmaßnahmen wie Kommunikationsüberwachung oder ähnliches sind laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus dem Oktober 2020 völkerrechtlich unzulässig. Das muss dann ebenso für potenzielle Bußgelder wegen Verstößen gegen Corona-Maßnahmen gelten. Der König darf sich in Deutschland also mit großen Freiheiten bewegen.

Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Frithjof Schmidt hatte nach den Aufklärungsbemühungen der Bundesregierung zu staatlichen Tätigkeiten des Königs auf deutschem Boden nachgefragt. Schmidts aktuelle Anfrage listete zahlreiche vom König unterzeichnete Dekrete auf und fragte nach, ob er sich bei der Unterzeichnung in Deutschland befand. Die Regierungsantwort, die LTO auch vorliegt, fällt auch zu diesem Punkt knapp aus. "Die Antworten zeigen, dass sich die Bundesregierung vor einer Bewertung der Regierungsaktivitäten des thailändischen Staatsoberhauptes von deutschem Boden aus drücken will", sagt Schmidt gegenüber LTO

Steuerrechtler: Thailändischer König war erbschaftssteuerpflichtig

Neben den aufenthaltsrechtlichen Fragen werfen die Königsbesuche in Bayern aber auch steuerrechtliche Fragen auf, wie kürzlich auch die FAZ recherchierte. Dem deutschen Erbschaftssteuerrecht reicht als Anknüpfungspunkt bereits aus, wenn der ausländische Erbe in Deutschland lebt - und dafür soll auch schon ein Nebenwohnsitz reichen. Im Sommer 2016 soll Rama X die Villa in Tutzing gekauft haben, sein Vater starb im Oktober. 

In den vergangenen Jahren nahm der Freistaat Bayern jährlich zwischen 1,5 und 2 Milliarden Euro Erbschaftssteuer ein. Der verstorbene Vater von Rama X soll laut Forbes Magazin 2008 rund 30 Milliarden Euro Vermögen besessen haben - ein durchaus attraktiver Erbfall für den bayerischen Fiskus. Und zwar auch dann noch, wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil des Vermögens nicht dem damaligen König selbst, sondern nur der thailändischen Krone gehört. 

Für die Erbschaftssteuer gilt das Stichtagsprinzip (§ 9 Erbschaftssteuergesetz). Das heißt, für ihre Aktivierung kommt es allein auf den Zeitpunkt des Erbfalls an. Welchen Status der Erbe später erlangt, ist unerheblich. Und zum Zeitpunkt des Erbfalls war Rama X noch Kronprinz und wohl auch kein Diplomat. Nach dem Tod seines Vaters am 13. Oktober 2016 übernahm er nicht sofort die Thronnachfolge. Erst am 1. Dezember 2016 ließ sich Rama X zum neuen König ausrufen, die Krönung erfolgte über zwei Jahr später – Zeit genug also für das deutsche Erbschaftssteuerrecht, um Wirkung zu entfalten. 

"Zum Zeitpunkt des Erbfalls war der Kronprinz nach allgemeinen deutschen Steuerregeln in Deutschland steueransässig, weil er hier über einen Wohnsitz verfügte, den er auch regelmäßig nutzte", sagt Rechtsanwalt Dr. Daniel Lehmann, Steuerrechtler bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek. "Damit war er auch erbschaftsteuerpflichtig und die Erbschaftsteuer ist angefallen."

Es deutet wenig daraufhin, dass der König die Steuer bereits entrichtet hat. In den bayerischen Zahlen zur Erbschaftssteuer der vergangenen Jahre findet sich keine signifikant sprunghafte Erhöhung, die auf eine Zahlung vom Kaliber des thailändischen Königserbfalls schließen lässt. 

Darf der deutsche Staat die Steuerpflicht durchsetzen?

Zwar besteht zwischen Deutschland und Thailand ein Doppelbesteuerungsabkommen aus dem Jahr 1967, allerdings trifft das nur Regelungen für Steuern vom Einkommen und Vermögen, aber keine Regelungen für die Erbschaftssteuer. Das ergibt sich aus einer Antwort der bayerischen Landesregierung vom Sommer 2020 auf eine Anfrage von Landtagsabgeordneten der Grünen.

Steuerrechtler Lehmann verweist aber darauf, dass das Auslösen der Erbschaftssteuerpflicht und ihre Durchsetzung zwei verschiedene Dinge sind. "Inwieweit sie heute noch gegen das thailändische Staatsoberhaupt ohne Verletzung völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts durchsetzbar wäre und inwieweit dies außenpolitisch klug wäre, sollte es zulässig sein, möchte ich nicht beurteilen."

Welche Steuern Diplomatinnen und Diplomaten in Deutschland zahlen müssen - welche also auch durchgesetzt werden können -, steht im Wiener Übereinkommen über die konsularischen Beziehungen. Sie befreien diplomatisches Personal grundsätzlich von Steuern -bis auf Abgaben für Dienstleistungen vor Ort, z.B. Anliegerbeitrag für die Straßenreinigung, sowie Steuern für Immobilien, sofern sie nicht für Tätigkeiten auf diplomatischer Mission genutzt werden. Auch von der Erbschaftssteuer sind Diplomaten befreit; nur ist Rama X kein solcher, sondern ein Staatsoberhaupt.

Dass das einen Unterschied macht, legt auch ein Rundschreiben des AA aus dem Jahr 2015 nahe, das die Regeln für ausländische Diplomaten in Deutschland zusammenfasst. Bevor es detailliert um die Vorrechte der Diplomaten geht, ist ein gesondertes Kapitel zu Staatsoberhäuptern vorangestellt. Zu Steuerfragen enthält die Passage keine Aussagen. Staatsoberhäupter tauchen in den weiteren Ausführungen des 60-seitigen Schreibens nicht mehr in Sachen Steuerpflicht auf. Dem überschaubaren Durchsetzungsinteresse der Bundesregierung dürfte diese offene Rechtslage entgegenkommen.

Und was ist mit der Hundesteuer?

Mit dem Erwerb einer Villa am Ufer des Starnberger Sees könnte der Monarch auch auf kommunaler Ebene Steuerpflichten in der Gemeinde Tutzing ausgelöst haben, nämlich vor allem die Grund- sowie die Zweitwohnungssteuer - und nicht zuletzt die Hundesteuer. Der König gilt als Hundeliebhaber, angeblich soll er seinen Lieblingspudel Foo Foo zeitweise sogar zum Marschall der Luftwaffe ernannt haben. Allerdings entfällt die Steuerpflicht laut der Satzung von Tutzing, wenn sich der Hund nicht mindestens drei Monate am Stück im Gemeindegebiet aufgehalten hat. 

Seit Mitte Oktober ist der König nun wieder in Thailand, wo es seit Monaten Demonstrationen gegen die Regierung gibt, bei denen auch die Deutschlandbesuche des Staatsoberhaupts thematisiert werden. Ob und wann er im neuen Jahr wieder nach Deutschland kommen will, ist offen.

Nach einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags vom November könnte die Bundesregierung eine Einreise nur verhindern, wenn sie den König zur persona non grata, zur unerwünschten Person, erklärt. Genau das fordert die Linken-Politikerin Dagdelen nun: "Bundesaußenminister Heiko Maas muss den bizarren Thai-König zur unerwünschten Person erklären, will er verhindern, dass dieser weiterhin seine Schreckensherrschaft von Deutschland ausübt, sei es nun als Privatmann oder Diplomat." 

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Was gilt für den Thai-König auf Deutschlandbesuch?: Der unbequeme Gast am Starnberger See . In: Legal Tribune Online, 09.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43938/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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