Anwalt ohne Mandantin im NSU-Prozess: Pro­vi­sion für ein Phantom

von Pia Lorenz

05.10.2015

Eine der Nebenklägerinnen im NSU-Prozess gibt es offenbar nicht. Ihr ehemaliger Anwalt will mit der Presse nicht mehr sprechen. Er gibt aber zu, für das Mandat eine Provision gezahlt zu haben.

Vielleicht hat Ralph Willms aus Eschweiler bald wieder mehr Zeit für die Kommunalpolitik.  Im Januar 2014 legte der Rechtsanwalt aus dem kleinen Ort bei Aachen sein Ratsmandat für die CDU nieder,  schrieb die Aachener Zeitung. Sein Ausscheiden aus der Kommunalpolitik begründete der Anwalt vor allem mit seiner beruflichen Beteiligung am NSU-Prozess in München, die ihn nach eigener Aussage sehr in Anspruch  nehme.

Bis zum vergangenen Freitag vertrat er eine Nebenklägerin aus Köln, die bei dem Anschlag in der Keupstraße verletzt worden sein sollte. "Ich verbringe viele Tage in diesem Jahr beruflich in München – da bleibt mir für Kommunalpolitik leider keine Zeit", sagte Ralph Willms im Januar 2014.

Wie viele Tage es genau waren, rückt knapp anderthalb Jahre später ins öffentliche Interesse, nachdem Willms am vergangenen Freitag gegenüber dem OLG München sein Mandat niedergelegt und gegen einen anderen Nebenkläger in dem Verfahren, Attila Ö., Strafanzeige erstattet hat. Der habe ihm nämlich das Mandat mit der angeblichen Meral K. vermittelt, einer angeblichen Geschädigten des Keupstraßen-Anschlags. Dabei sei diese Meral K. aber wohl "nicht existent". 

Mandat wurde auch anderem Anwalt angeboten

"Aus Anlass der Nachfragen des Vorsitzenden Richters" habe Willms eigene Nachforschungen angestellt, heißt es in einer Stellungnahme der Verteidiger des mittlerweile selbst anwaltlich vertretenen Advokaten. Manfred Götzl hatte Willms in der vergangenen Woche eine Frist von einem Tag gesetzt, um zu erläutern, wo seine Mandantin sei, die noch nie beim Prozess am Oberlandesgericht (OLG) München erschienen ist. Sonst würde das Gericht selbst ermitteln, drohte er am vergangenen Dienstag.

Seine Nachforschungen hätten dann ergeben, dass Meral K. "wahrscheinlich überhaupt nicht existent" ist, teilte Willms mit. Das habe sich eher zufällig herausgestellt, als ein weiterer Anwalt die Willms als Meral K. vorgestellte Person auf einem Bild wiedererkannte – ihm allerdings sei sie als Sennur Ö., die leibliche Mutter von Attila Ö.,  präsentiert worden. 

Der andere Anwalt, dem Attila Ö. die Nebenklage-Vertretung von Meral K./Sennur Ö. ebenfalls angeboten hatte, hatte diese jedoch abgelehnt. Rechtsanwalt Björn Hühne aus Jülich, einem weiteren kleinen Ort bei Aachen, war nämlich - anders als sein nun zu eher unrühmlicher Bekanntheit gelangter Kollege Willms aus Eschweiler - nicht dazu bereit, für die Vermittlung des Mandats eine Provision zu zahlen.

Anwalt zahlte Provision für das Mandat im NSU-Prozess

Ralph Willms hingegen hat das getan. Das räumte er unmittelbar in der durch seine Verteidiger abgegebenen Erklärung vom vergangenen Freitag ein. Vielleicht hält er Angriff für die beste Verteidigung. Seitdem ist Willms selbst nicht zu erreichen, über die von ihm beauftragte Kanzlei ließ er am Montag erklären, "im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen" vorerst keine weitere Stellungnahme abzugeben.

Welches Ermittlungsverfahren er damit meint, ist nicht ganz klar. Möglicherweise das, welches das OLG München nach Angaben aus Justizkreisen beauftragt haben soll. Laut Spiegel Online suchte das vom Generalbundesanwalt beauftragte Bundeskriminalamt am gestrigen Sonntag bereits Attila Ö. auf, der noch einmal bestätigte, dass es Meral K. nicht gebe. Mehr habe er nicht sagen wollen.

Ob auch Rechtsanwalt Wills Besuch von BKA-Beamten hatte, ist nicht bekannt. Weder beim OLG München noch bei der Generabundesanwaltschaft oder beim BKA war am Montagabend diesbezüglich noch jemand zu erreichen. 

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Anwalt ohne Mandantin im NSU-Prozess: Provision für ein Phantom . In: Legal Tribune Online, 05.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17106/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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