Memes und Urheberrecht: Who let the memes out?

Gastbeitrag von Prof. Dr. Benjamin Raue

10.08.2022

Memes haben in den letzten Jahren die Internetwelt erobert. Doch ist es zulässig, einfach fremdes Bildmaterial zur Meme-Herstellung zu verwenden? Ist jedes Meme auch Parodie? Benjamin Raue erläutert die Rechts- und Konfliktlage.

Memes sind Fotos, Bilder oder kurze Filmschnipsel, die lustig, gelegentlich aber auch gesellschaftskritisch sind – oder sein wollen. Oft werden dabei existierende Fotos oder kurze Filmausschnitte Dritter genommen, bei denen sich die Komik entweder aus einer Situation ergibt oder aber durch Ergänzung kurzer Schriftzüge, die über die Fotos gelegt werden.

Memes werden vor allem über soziale Netzwerke geteilt, wo sie sich viral verbreiten können, wenn sie den Nerv der Netzgemeinde treffen oder tagesaktuelle Ereignisse besonders pointiert darstellen. Sie sind ein kaum noch wegzudenkender Teil der alltäglichen Kommunikation im Netz und – erneutes Zitat aus der Wikipedia – "ein bedeutender Teil der Netzkultur"._______________________________

Don’t stop the music

Manchmal kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass alles, was im Internet Spaß macht, urheberrechtlich bedenklich ist. Das liegt vor allem daran, dass das Internet in erster Linie dann Spaß macht, wenn es bunt ist und sich bewegt, kurz: wenn mit Hilfe von (bewegten) Bildern kommuniziert wird. Fotografien und Videos sind aber als verwandte Schutzrechte urheberrechtlich geschützt (§§ 72, 94, 95 UrhG). Wenn sie ein wenig künstlerisch sind, kommt noch der Schutz als Lichtbild- oder Filmwerk hinzu (§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 6 UrhG).

Zivilrechtliche Prüfungsreihenfolge als Meme - LTO/Marcel SchneiderWerden die Memes nicht nur im privaten Kreis, sondern frei in einem sozialen Netzwerk oder über einen frei zugänglichen Internetdienst verbreitet, machen sie sowohl die Nutzer als auch die Plattformen im urheberrechtlichen Sinne öffentlich zugänglich (§ 19a UrhG und § 1 Abs. 1 UrhDaG). Die Nutzung fällt damit in das Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers, so dass dafür die Zustimmung des Rechteinhabers notwendig ist, wenn Memes nicht über urheberrechtliche Erlaubnistatbestände ("Schranken") freigestellt sind.

Eine Lösung für die Nutzung auf großen Plattformen hält das sonst so gescholtene UrhDaG bereit, das in erster Linie die Haftung von Diensteanbietern wie YouTube regelt, deren Nutzer große Mengen an urheberrechtlich geschützten Inhalten hochladen. Wenn solche Diensteanbieter Lizenzen von Rechteinhabern erwerben, wirken diese kraft Gesetzes auch für deren Nutzer, sofern letztere nicht kommerziell handeln oder keine erheblichen Einnahmen erzielen (§ 6 Abs. 1 UrhDaG).

No licence today?

Wenn die Diensteanbieter oder sonstige Plattformen keine Lizenzen erworben haben, stellt sich die Frage, ob Memes über die neue Parodie-, Karikatur- und Pastiche-Schranke in § 51a UrhG freigestellt werden. Denn das übliche Meme hält keinen "hinreichenden Abstand zum benutzten Werk" ein, um nach § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG aus dem Schutzbereich des Urheberrechts hinauszufallen.

Ob Memes urheberrechtlich freigestellt sind, ist in zwei Schritten zu prüfen: Erstens, handelt es sich um eine Karikatur, eine Parodie oder ein Pastiche? Zweitens, überwiegen die Interessen des Nutzers und der Allgemeinheit gegenüber denen des Urhebers?

Ex-Österreich-Kanzler Kurz ist ein beliebtes Meme-Motiv, Quelle: James LässigKarikatur, Parodie und Pastiche haben gemein, dass das Werk in veränderter, aber wiedererkennbarer Form genutzt werden muss. Grundvoraussetzung für die Freistellung ist also, dass zumindest ein Schriftzug oder ähnliches ergänzt worden ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH nicht erforderlich ist, dass eine Parodie selbst Werkqualität hat. Die Ergänzung eines Fotos um wenige, mehr oder weniger geistreiche Worte kann also aus dem Schutzbereich des Urheberrechts hinausführen, allein auf die Situationskomik abzustellen, jedoch nicht.

Wesentliches Merkmal ist eine künstlerische oder kommunikative Nutzung. Das erfüllen typische Memes, weil sie das vorbestehende Werk als kommunikatives Symbol, kulturelle Referenz oder als Mittel der Auseinandersetzung mit einer dritten Person, einem anderen Werk oder einem gesellschaftlichen Sachverhalt verwenden.

Funny!

Eine Parodie definiert der EuGH weiter als Ausdruck von Humor bzw. Verspottung. Eine anti-thematische Auseinandersetzung gerade mit dem Bild bzw. dessen Motiv ist dagegen keine unabdingbare Voraussetzung für eine Freistellung mehr (das hat der BGH lange Zeit anders gesehen). Dementsprechend sind die meisten Memes als Parodien einzustufen, weil es ein typischer Wesenszug ist, dass sie augenzwinkernd, komisch, ironisch oder in sonst humoristischer Art und Weise der Welt vor Augen führen, wie unzulänglich sie doch ist: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

LTO/Marcel SchneiderHieran sind keine zu strengen Maßstäbe anzulegen. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass jeder den Humor auf den ersten Blick erkennt. Nach dem BGH ist für die Beurteilung der objektive Maßstab einer Person anzulegen, die für die Wahrnehmung der kommunikativen bzw. künstlerischen Auseinandersetzung das "erforderliche intellektuelle Verständnis" besitzt.

Für wen Humor nur in künstlerisch anspruchsvoll gezeichneter Form eine Parodie ist, dem sei entgegengehalten, dass der Kanon urheberrechtlich erlaubter Kommunikationsformen nicht durch eine zu konservative Auslegung versteinert werden darf. Über die Schranke dürfen nicht nur klassische oder bereits etablierte Nutzungsformen freigestellt werden. Gerade im digitalen Kontext sollten auch moderne Formen der humoristischen, transformativen Nutzung erfasst werden, soweit die Interessen der Urheber dem nicht entgegenstehen. Die erste Frage, ob Memes Parodien sind, sollte sich also im Regelfall bejahen lassen.

To be – or not to be! 

Dann ist aber in einem zweiten Schritt eine Interessenabwägung erforderlich. Hier besteht Uneinigkeit zwischen Urheberrechtlern. Die einen betonen, dass es nicht ausreichen könne, durch das Hinzufügen einer mehr oder weniger witzigen bzw. geistreichen Bemerkung ein Foto ohne Zustimmung und ohne Vergütung des Fotografen nutzen zu dürfen. 

Das gelte umso mehr, weil Memes die Situationskomik oder die Aussagekraft des zugrundeliegenden Bilds ausnutzten, sich aber gerade nicht mit dem Bild bzw. seinem Inhalt selbst auseinandersetzten. Warum soll also gerade dieser Fotograf einen Eingriff in sein Urheberrecht dulden? Insbesondere wenn ein Meme nicht den existierenden Kultur- bzw. Formenschatz in erheblicher Weise weiterentwickele, überwiege das Interesse der Allgemeinheit und der Nutzer nicht die Ausschließlichkeitsinteressen des Rechteinhabers. Es müsse schon etwas geistreicher sein als die meisten Memes, um in den Genuss der Schranke zu kommen.

Kurz:

Meme, Warner Bros. Entertainment

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You can't always get what you want

Man kann das Argument aber auch umdrehen. Warum soll sich in all diesen Fällen das Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers durchsetzen? Bei vielen klassischen Fällen eines Memes wird ein Standbild eines bekannten Films verwendet, das Ausdruck eines gemeinsamen kulturellen Vorverständnisses ist und dieses mitgeprägt hat. Die Primärverwertung des Films wird durch ein solches Meme nicht beeinträchtigt, wenn es im Internet kursiert. Eher im Gegenteil erhöht die regelmäßige Verwendung eines solchen Memes den Kultstatus eines Films und hält ihn im kulturellen Gedächtnis lebendig. Umgekehrt würde mit dem urheberrechtlichen Verbot von Memes ein weitverbreitetes (pop-)kulturelles Phänomen stark eingeschränkt, obwohl die primären Verwertungsinteressen in diesem Fall vernachlässigbar sind.

Werden hingegen ideelle Interessen des Urhebers beeinträchtigt, kann dies in der Abwägung berücksichtigt werden. Hier hat der EuGH in seinem Deckmyn-Urteil klargestellt, dass kein Urheber dulden muss, in einem rassistischen oder sonst (rechts-)extremistischen Kontext verwendet zu werden. ____________

And the winner is

Das Urheberrecht sollte einer lebendigen, weit verbreiteten gesellschaftlichen Ausdrucks- und Kommunikationsform nicht entgegenstehen, wenn berechtigte Interessen des Urhebers nicht ernsthaft gefährdet sind. 

Soweit Memes aus fremden Bildmaterial erstellt werden dürfen, ist auch das anschließende (Weiter-)Verbreiten der Memes über soziale Netzwerke nach § 51a UrhG erlaubt. Zwar kann in Ausnahmefällen auch das Meme selbst als Bearbeitung eigenständig nach § 3 UrhG schutzfähig sein. Allerdings gehört es zum Wesen von Memes, unkontrolliert im Internet weiterverbreitet zu werden. Wer sich dieser Kunst- bzw. Kommunikationsform bedient, gibt dadurch konkludent seine Zustimmung zur Weiterverbreitung zum Ausdruck. Ein Quellennachweis ist bei Nutzungen nach § 51a UrhG entbehrlich (argumentum e contrario § 63 Abs. 1 S. 1 UrhG).

Meme des LTO-Lesers Tobias Lutzi

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Berücksichtigen muss man zusätzlich noch das Recht am eigenen Bild, wenn eine Person im Meme abgebildet ist. Vor allem, wenn es sich nicht um eine nicht prominente Person handelt, kann dies problematisch werden. Dabei wird es aber stets auf den Einzelfall ankommen, ob in der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht die Ausnahme eines zeitgeschichtlichen Ereignisses oder des höheren Interesses der Kunst greift.

Der Autor Prof. Dr. Benjamin Raue ist Direktor des Instituts für Recht und Digitalisierung Trier (IRDT) an der Universität Trier.

 

Zitiervorschlag

Memes und Urheberrecht: Who let the memes out? . In: Legal Tribune Online, 10.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49256/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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