US-amerikanisches Steuerabkommen FATCA: "Ein Datenaustausch, der auf Gegenseitigkeit beruht"

Interview mit Andreas Ruckes, LL.M.

05.09.2012

Seite 2/2: "Harmonisierung der Länderabkommen wünschenswert"

LTO: Das Bundesfinanzministerium hat im Juli das "Musterabkommen zur Steuerehrlichkeit und Umsetzung des FATCA" veröffentlicht. Es bildet die Grundlage für das avisierte bilaterale Abkommen, in dem sich Deutschland verpflichten wird, FATCA-relevante Informationen zu erheben. Bedeutet die Umsetzung mehr Rechtssicherheit?

Ruckes: Für Finanzinstitute, die ihren Sitz in Deutschland haben, ist das Abkommen zu begrüßen. Es bedeutet mehr Rechtssicherheit schon deshalb, weil Finanzinstitute mit deutschen Begriffen und gesetzlichen Vorgaben arbeiten können und sich nicht mit der Interpretation komplizierter amerikanischer Gesetze beschäftigen müssen. Wünschenswert wäre jedoch eine Harmonisierung der unterschiedlichen Länderabkommen mit dem Code of Federal Regulations, ansonsten müssen multinational operierende Konzerne im schlimmsten Fall in jedem Land ihrer Geschäftstätigkeit ein eigenes FATCA-System implementieren. Da die Regelungen des avisierten Länderabkommens in einigen Punkten dem Code of Federal Regulations widersprechen, besteht nach wie vor eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit. In datenschutzrechtlicher Hinsicht wird das Länderabkommen aber wohl Rechtssicherheit bringen, zumindest für die davon jeweils umfassten Finanzinstitute.

LTO: Wie sollten sich Unternehmen, Banken und Berater jetzt vorbereiten?

Ruckes: Finanzinstitute müssen frühzeitig die spezifischen Anforderungen von FATCA analysieren und umsetzen. In der Regel werden hierzu in den Häusern entsprechende Projekte aufgesetzt, in denen sich eine Vielzahl von Mitarbeitern mit der Umsetzung beschäftigen. Relevant sind vor allem die beiden Bereiche Kundenidentifikation und Meldung der Daten. Deutsche Unternehmen sollten sich außerdem mit der Frage auseinandersetzen, ob sie US-Steuerpflichtige als Anteilseigner haben. Dann müssten sie in bestimmten Fällen an ihr Finanzinstitut melden, wenn diese zu mehr als 25 Prozent an dem Unternehmen beteiligt sind. Dies begründet der IRS damit, dass sich anderenfalls US-Steuerpflichtige hinter ausländischen Unternehmen,  wie beispielsweise einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH, "verstecken" könnten.

"Funktioniert FACTA, werden andere Länder das System übernehmen"

LTO: Ist es denkbar oder sogar vorhersagbar, dass das Konzept FATCA auch in anderen Staaten übernommen wird, um ebenfalls mehr Steuertransparenz zu schaffen?

Ruckes: Das ist sehr wahrscheinlich. FATCA wird weltweit von vielen Staaten beobachtet. Funktioniert FATCA, werden sukzessive auch andere Länder ähnliche Systeme implementieren. Schon heute sieht das Musterabkommen vor, dass der Datenaustausch auf Gegenseitigkeit basiert. Deutschland wird also nicht nur Daten an die USA liefern, sondern im Gegenzug auch Daten über deutsche Steuerpflichtige mit Konten in den USA erhalten. Über kurz oder lang wird dies im Kampf gegen die Steuerhinterziehung die Regel sein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es bald zu einem globalen Informationsaustausch zwischen den nationalen Behörden über ausländische Steuerpflichtige kommen wird. Selbst bei der ansonst sehr zurückhaltenden Schweiz sieht man in Steuersachen Bewegung, wie das deutsch-schweizerische Steuerabkommen zeigt.

LTO: Wird die USA mit FATCA Ihrer Meinung nach tatsächlich alle Steuerschlupflöcher schließen können?

Ruckes: Kein System ist perfekt, auch FATCA nicht, es gibt Lücken. Steuerhinterzieher werden immer Mittel und Wege finden, sich dem Zugriff des Fiskus zu entziehen. Der Aufwand, der hierzu betrieben werden muss, wird aber immer höher, sodass sich der Großteil potenzieller Steuerhinterzieher hoffnungsgemäß in die Steuerehrlichkeit zurück begeben wird. Steuerhinterziehung wird zwar nach wie vor als Kavaliersdelikt und bisweilen als "Sport" angesehen; aber vergessen wir nicht: Wer Steuern hinterzieht, schadet der restlichen Gesellschaft.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Rechtsanwalt Andreas Ruckes, LL.M., ist stellvertretender Workstreamleiter
Tax/Legal/Compliance des FATCA Projekts bei einer deutschen Großbank und Autor des Buches "FATCA: Foreign Account Tax Compliance Act".

Das Interview führte Viola C. Didier.

Zitiervorschlag

Andreas Ruckes, LL.M., US-amerikanisches Steuerabkommen FATCA: "Ein Datenaustausch, der auf Gegenseitigkeit beruht" . In: Legal Tribune Online, 05.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6993/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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