Sechs Fragen an … Juliane Kokott: "Ich wäre sonst Zellbiologin geworden"

von Patrick Buse, LL.M.

06.02.2013

Wer waren die Menschen, die ihr Leben prägten? Woran hätten sie gern mitgewirkt, um die Welt zu verändern? Bekannten Juristen könnte man viele Fragen stellen. Sechs davon beantwortet 50 Jahre nach van Gend & Loos: die deutsche Generalanwältin am EuGH.

1. Mein Jurastudium habe ich in erster Linie dazu genutzt…

… mich mit Rechtsphilosophie, Staatslehre, ausländischem Recht sowie Sprachen zu befassen und ins Ausland zu gehen. Nach dem Vergnügen kam die (harte) Arbeit: einseitig aufs Examen zu.

2. Juristen spielen immer wieder eine tragende Rolle bei historisch bedeutenden Ereignissen, etwa als einer der Väter oder Mütter des Grundgesetzes oder als Verteidiger von Ulrike Meinhof. Ich hätte gerne …

… Zum Europäischen Einigungswerk und seiner sorgsamen Bewahrung beitragen zu dürfen, ist historisch bedeutend genug! Gerade feiern wir 50 Jahre* van Gend & Loos; das ist das Urteil des Gerichtshofs, wonach die Gründungsverträge den Einzelnen unmittelbar einklagbare Rechte verleihen. Aus juristischer Perspektive war diese Aufwertung der Rechte des Bürgers und Menschen auf inter- bzw. supranationaler Ebene revolutionär. Aber unsere Arbeit erschöpft sich nicht im Schutz der Einzelnen vor Übergriffen und Diskriminierungen. Erst kürzlich wurden etwa das Urteil sowie meine Stellungnahme zum Europäischen Stabilitätsmechanismus veröffentlicht.

3. Die schwierigste Entscheidung meiner Laufbahn war…

… Es gibt immer wieder schwierige Entscheidungen. Im Kern geht es dabei oft um die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Union auf der einen und der Mitgliedstaaten auf der anderen Seite. Dies mag technisch und theoretisch klingen. Jedoch berührt die Frage, auf welcher Eben was zu entscheiden ist, die Grundlagen demokratischer Selbstbestimmung: Wie viel Raum zur politischen Gestaltung der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebensumstände verbleibt den nationalen Parlamenten und wo sind unionsweit einheitliche Regelungen geboten?

4. Wenn ich nicht Jurist geworden wäre, würde ich heute…

… gerne Forscherin sein, zum Beispiel Physikerin oder Zellbiologin (Talent vorbehalten!).

5. Am meisten beeinflusst haben mich…

… meine Eltern, Großeltern und akademischen Lehrer, und zwar besonders durch das Vertrauen, das sie von Anfang an in mich setzten.

6. Juristen sollten…

… sich stets der Verantwortung bewusst sein, die sie mit ihren Entscheidungen und Stellungnahmen übernehmen.

Prof. Dr. Juliane Kokott ist Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof und Titularprofessorin an der Universität St. Gallen.

*Anm. der Redaktion v. 06.02.2013: An dieser Stelle war zunächst irrtümlich von 60 Jahren die Rede.

Zitiervorschlag

Patrick Buse, Sechs Fragen an … Juliane Kokott: "Ich wäre sonst Zellbiologin geworden" . In: Legal Tribune Online, 06.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8108/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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