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"Hybridklausuren" statt schöner Handschrift
Die Prüfungen in der juristischen Ausbildung sollen digitaler werden und sich damit dem späteren juristischen Arbeitsumfeld anpassen. Das fordern mehrere Wissenschaftler:innen und Lehrende in einem Thesenpapier zum "Juristischen Prüfen 2030". Sie wollen damit eine vertiefte Debatte anstoßen, wie die juristischen Prüfungsformate reformiert werden können.
Zunächst stellen die Unterzeichnenden fest, dass in der juristischen Ausbildung eigentlich Fähigkeiten und Kompetenzen vermittelt und geprüft werden müssten, die auch dem späteren Arbeitsumfeld entsprechen. Das sei aber gegenwärtig nicht der Fall. So werde weder in Wissenschaft noch Praxis händisch gearbeitet – die juristischen Klausuren aber immer noch per Hand geschrieben. In der Praxis komme es aber gerade nicht darauf an, schnell und schön zu schreiben.
Hinzu komme, dass Hausarbeiten, die digital verfasst werden, inzwischen von einigen Fakultäten schon abgeschafft worden sind. Der Grund: Die Nutzung von KI, die eine Bewertung des Eigenbeitrags der Studierenden erschwere. Im Jahr 2030 werde KI die juristischen Standardprobleme ohnehin weitgehend eigenständig lösen können. Wer weiter Hausarbeiten schreiben lassen will, kann den KI-Einsatz nicht verbieten. Die Hausarbeit als Prüfungsformat laufe damit Gefahr, zu bloßen "Prompt-Wettbewerben" zu werden. Lerneffekt und Prüfungswert seien damit geschmälert.
"KI-Hausarbeiten" mit mündlichen Prüfungen ergänzen
Stattdessen plädieren die Unterzeichnenden des Papiers für den Einsatz von "KI-Hausarbeiten". Konkret sollen also KI-Tools gezielt zugelassen werden, allerdings unter "Aufrechterhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis", sprich vor allem dem Umgang mit fremden Gedanken. Wenn die KI plagiiere, seien die Prüflinge dafür verantwortlich zu machen. Entsprechend müssten sie im Umgang mit KI-Werkzeugen geschult werden und könnten sich damit Wissen aneignen, das auch für die Zeit nach der Ausbildung relevant ist.
Aber: Die inhaltlichen Anforderungen an die Falllösungen müssten sich entsprechend mit der Erweiterung des Kreises der zugelassenen Hilfsmittel erhöhen. Laut Thesenpapier eignen sich entsprechend Themenhausarbeiten, die gänzlich neue Fragen aufwerfen. Also zum Beispiel ein neues Urteil behandeln, zu denen kaum konkrete Literatur existiert. Soweit möglich, sollten die KI-Arbeiten durch "anspruchsvolle" mündliche Prüfungen ergänzt werden. Diese könnte dann auch stärker gewichtet werden.
"Hybridklausuren" wie im zweiten Staatsexamen
Auch zur Klausur als Prüfungsformat äußern sich die Unterzeichnenden des Thesenpapiers. Ihrer Ansicht nach braucht man zukünftig Klausuren mit und ohne digitalen Hilfsmittelzugriff. So seien neben der klassischen Klausur auch "Hybridklausuren" denkbar – ähnlich einer Klausur mit Kommentarzugang wie im zweiten Staatsexamen. Man könne erwägen, bei schriftlichen Aufsichtsarbeiten teilweise Online-Datenbanken zuzulassen. Dadurch könne vor allem die Fähigkeit geprüft werden, eine Vielzahl an Problemen schnell zu erkennen und korrekt einzuordnen. "Durch den Hilfsmittelzugriff kann ein höheres Leistungsniveau erwartet werden, weil nicht mehr primär das Auswendiglernen von Schemata und Definitionen die Kapazitäten der Studierenden belastet", so das Papier.
Aber auch "KI-Klausuren" erwägen die Unterzeichnenden – entsprechend mit deutlich mehr und anspruchsvolleren juristischen Problemstellungen. Das zu erwartende Leistungsniveau sei bei solchen KI-Klausuren "denkbar hoch".
Unterzeichnet haben das Papier die Wissenschaftler:innen Martin Fries, Susanne Lilian Gössl, Susanne Hähnchen, Martin Heidebach, Christoph Krönke, Michael B. Strecker, Thomas Wischmeyer und Martin Zwickel.
Dass die juristische Ausbildung gerade in Sachen Digitalisierung nicht zeitgemäß ist, ist häufig Thema. Änderungen sind teilweise angelaufen, so haben zumindest im zweiten Examen inzwischen viele Bundesländer mit der Einführung des E-Examens begonnen oder auch schon etabliert. Die Uni Regensburg hat außerdem schon einen KI-Leitfaden für das Jurastudium entwickelt, an der Uni Bielefeld konnten die Studierenden sich an einer digitalen Klausur ausprobieren.
pdi/LTO-Redaktion
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