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"Quelle: ChatGPT?!"
Ist Künstliche Intelligenz (KI) in der juristischen Lehre eigentlich schon angekommen? Verfolgt man das Thema, scheint die Antwort gleichsam ja und nein zu lauten: Einerseits werden spannende Pilotprojekte vorgestellt, etwa erste digitale Klausurkorrekturen oder Workshops mit dem ChatBot eines juristischen Fachverlags. Andererseits wird bemängelt, dass sich die breite Masse der Lehrenden gegen die Einbindung von KI sperrt, sie im Alltag der juristischen Ausbildung kaum verwendet wird.
Schon längst angekommen ist KI aber bei den Studierenden: Rund 40 Prozent setzen KI jede Woche in ihrem Studium ein. Knapp ein Viertel nutzt KI sogar jeden Tag, während nur gut sechs Prozent der Studierenden an der Uni ganz ohne KI auskommen. Das ergab eine Studie des CHE aus dem letzten Wintersemester, für die zwar keine Jurastudierenden befragt wurden, die in unserem Fach aber ähnlich ausfallen dürfte.
Wenn ChatGPT zwar die Fähigkeiten eines "Super-Praktikanten" hat, aber leider doch halluziniert, und wenn selbst "Frag den Grüneberg" zwar an einen "fleißigen Referendar" erinnert, indes ebenfalls Halluzinationen produziert: Sollten juristische Fakultäten diesen KI-Nutzungsgewohnheiten ihrer Studierenden dann Rechnung tragen? Oder sollten sie den Gebrauch der KI-Tools nicht allein aus diesem Grund verbieten?
KI grundsätzlich erlaubtes Hilfsmittel
Ein vollständiges Verbot ist aus zwei Gründen kontraproduktiv: Einerseits bereiten wir die Studierenden auf das juristische Berufsleben vor, aus dem KI schon heute und erst recht in Zukunft nicht mehr wegzudenken ist. Andererseits ist ein solches Verbot faktisch nicht durchzusetzen, schon weil es an zuverlässigen Tools fehlt, um KI-generierte Arbeiten zu entdecken. Wir sollten daher stattdessen Wege aufzeigen, wie KI gewinnbringend eingesetzt werden kann – und zugleich darauf aufmerksam machen, welcher KI-Einsatz nicht sinnvoll ist.
Seit Mai verfügt die Fakultät für Rechtswissenschaft der Uni Regensburg aus diesem Grund über KI-Richtlinien für die Anfertigung von schriftlichen Prüfungsleistungen wie etwa Haus- und Seminararbeiten – die übrigens zentral auf unserer Fakultätsseite abrufbar sind. Darin legen wir fest, dass Künstliche Intelligenz grundsätzlich ein erlaubtes Hilfsmittel ist, dessen Einsatz aber gekennzeichnet werden muss.
Wie diese Kennzeichnung erfolgen muss, geben die Richtlinien für die wichtigsten Anwendungsfälle vor: Wer mithilfe von KI Randnummern aus Gerichtsurteilen paraphrasiert, die eigenen Formulierungen optimiert, wer Statistiken mit einer KI-generierten Grafik visualisiert oder sich von der KI Input für die Gliederung seiner Arbeit holt, der muss dies in genereller Form in einem Anhang zu der Arbeit anführen. Nicht gekennzeichnet werden müssen dagegen Hilfsmittel, die schon vor dem Erfolgszug generativer KI zum Einsatz kamen – auch wenn hinter vielen dieser Anwendungen nun KI steht. Das sind etwa Werkzeuge zur Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikprüfung oder der Einsatz von Suchmaschinen und Datenbanken.
Andere Qualität der Eigenleistung
Wichtig ist uns auch: Die Studierenden werden schon in der Präambel der Richtlinien deutlich darauf hingewiesen, dass die Ausgaben von ChatGPT und Co. keine juristischen Quellen sind, sondern allenfalls einen Einstieg in die klassische Recherche liefern dürfen. Statt des Grüneberg nun Gemini zu zitieren, würde also zu Punktabzug führen. Hinzu kommt der Warnhinweis, dass die KI-Nutzung nicht von der eigenen Verantwortung für die abgelieferte Arbeit entbindet. Halluziniert die KI zum Beispiel ein Urteil, wird das so behandelt, als hätte sich der oder die Studierende die Entscheidung selbst ausgedacht.
Kritiker mögen nun einwenden, dass der KI-Einsatz, der nach den Regensburger Richtlinien grundsätzlich erlaubt ist, die Eigenleistung der Studierenden schmälert. Aber stimmt das wirklich? Im Idealfall setzen sich Studierende erneut mit ihren Formulierungen auseinander und überdenken diese, vergleichen verschiedene Gliederungsoptionen und verwenden nun vielleicht Visualisierungen, während sie vorher Statistiken bloß im Fließtext wiedergegeben hätten. Hier liegt eine andere Qualität der Eigenleistung vor, sie verlagert sich – vorhanden ist sie aber nach wie vor.
Erster KI-Kurs startet
Damit die Studierenden KI-Tools mit Gewinn für ihr Studium einsetzen können, wird die Universität Regensburg im Wintersemester erstmals einen Kurs zu KI-Kompetenz im Jurastudium anbieten. Er reiht sich in das Angebot an Schlüsselqualifikationen wie Rhetorik oder Streitschlichtung ein, die in der bayerischen JAPO explizit vorgesehen sind. Dieses Format ist ideal, um den Studierenden den verantwortungsbewussten und zielführenden Umgang mit KI aufzuzeigen – sowohl für Prüfungsleistungen als auch darüber hinaus, etwa um den eigenen Lernplan zu optimieren oder sich Prüfungsschemata generieren zu lassen. Neben technischen Grundlagen wird es in dem Kurs auch viele praktische Übungen geben, zum Beispiel zum Prompting.
KI-Recht in klassischen Vorlesungen
Der KI-Einsatz – nicht nur im Studium – wirft aber auch rechtliche Fragen auf. Ein Beispiel: Sich aus den Folien zur Vertragsrechtsvorlesung einen eigenen Podcast generieren zu lassen, mag auditiven Lerntypen entgegenkommen. Urheberrechtlich unbedenklich ist es aber nicht. Rechtsfragen der Künstlichen Intelligenz werden deshalb nicht nur in unserem speziellen Studiengang LL.B. Digital Law und im Schwerpunktstudium behandelt. Sie finden vielmehr auch in den einschlägigen Vorlesungen des Staatsexamensstudiums Berücksichtigung. So geht es in der Vorlesung zum Verwaltungsrecht zum Beispiel um den Einsatz von KI in Behörden und in der Vertiefungsvorlesung zum BGB werden Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch KI-generierte Deep Fakes geprüft.
Die Lehrerfahrung der letzten Semester hat gezeigt: Gerade zu diesen neuen Rechtsfragen kommen lebhafte Diskussionen zustande – aus denen nicht nur die Studierenden, sondern auch die Lehrenden Erkenntnisse gewinnen können. Abschließend dazu eine Anekdote aus einer Vorlesung über den Digital Markets Act: Ob und inwiefern auch KI-Dienste, insbesondere KI-Chatbots, als zentrale Plattformdienste im Sinne des DMA benannt werden können, ist aktuell umstritten. Nach einer theoretischen Einführung sollten die Studierenden daher genau das diskutieren – und vertraten plötzlich mit sehr überzeugenden Argumenten, dass ChatGPT, nachdem es direkt zu Verkäufern führe, doch ein Online-Vermittlungsdienst sei – ähnlich wie Google Maps. Eine Sichtweise, die sich – obgleich sie momentan am fehlenden Vertragsverhältnis zwischen Verkäufer und ChatGPT scheitern dürfte – durchaus hören lässt, aber bisher im wissenschaftlichen Diskurs noch nicht aufgekommen ist. KI in der Lehre kann also sogar echte Humboldt-Momente herbeiführen.
Prof. Dr. Tabea Bauermeister ist Juniorprofessorin für Bürgerliches Recht und Recht der algorithmenbasierten Wirtschaft an der Universität Regensburg. Prof. Dr. Anna K. Bernzen ist Juniorprofessorin für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Recht der Digitalisierung an der Universität Regensburg.
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