Leistungsbewertung im Jurastudium

Wann lohnt sich eine Remon­s­t­ra­tion?

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten

Bestehen fundierte Zweifel an der Bewertung ihrer Klausur oder Hausarbeit, haben Jurastudierende die Chance, dagegen vorzugehen: Remonstration nennt sich dieses Verfahren. Doch wann lohnt sie sich? Es kommt – wie immer – darauf an.

Das Beste gegeben und trotzdem knapp durchgefallen? Oder das ambitioniert angestrebte Prädikatsexamen um einen Punkt verpasst? So etwas ist nicht nur frustrierend, sondern kann im Zweifel Karrierepläne oder gar den Abschluss des Studiums gefährden. Nicht in jedem Fall liegt die Verantwortung für die nicht erreichte Punktzahl beim Jurastudierenden selbst. Auch den Bewertern der Klausuren können Fehler unterlaufen.

Wer den Verdacht hat, dass seine Arbeit falsch bewertet wurde, hat die Möglichkeit, mit Hilfe einer sogenannten Remonstration die Bewertung für eine (auch Examens-)Klausur oder Hausarbeit anzufechten. Ist die Remonstration erfolgreich, muss die Prüfungsleistung neu bewertet werden. "Auch wenn viele Lehrstühle von einer Remonstration abraten, lohnt es sich auf jeden Fall, es zu versuchen", sagt Edris Nurzaie von der Remonstrationsberatung der Universität Frankfurt. Die universitäre Einrichtung in Frankfurt unterstützt Jurastudierende beim Versuch, eine bessere Note für ihre Arbeit zu erlangen. Dabei gilt: Eine Remonstration schüttelt man sich nicht so einfach aus dem Ärmel.

Anzeige

Emotionen aus dem Spiel lassen

Damit eine Remonstration Aussicht auf Erfolg hat, müssen die Voraussetzungen stimmen. Persönliche Gründe wie ein als zu schwer empfundener Sachverhalt, zu wenig Zeit für die Vorbereitung oder eine generell schwierige Studiensituation sind keine Argumente, mit denen man gegen eine Bewertung vorgehen kann, die man nicht für fair hält. Auch der subjektive Eindruck, dass eine Bewertung "ungerecht" sei, bietet keine Grundlage für eine Remonstration.

"Gut stehen die Chancen auf eine Neubewertung hingegen, wenn der Prüfling dem Korrektor Bewertungsfehler darlegen kann", erklärt Nurzaie. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass im Korrektorat etwas übersehen wurde, dass der Sachverhalt beziehungsweise die Rechtslage falsch bewertet wurde oder der Korrektor die Argumentation falsch verstanden hat. Formfehler rechtfertigen ebenfalls eine Remonstration, zum Beispiel Widersprüche in der Bewertung oder zu wenige Anmerkungen oder Markierungen. "Letzteres kann ein Hinweis darauf sein, dass eine Korrektur nur oberflächlich stattgefunden hat", sagt Nurzaie. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz kann in einer Remonstration berücksichtigt werden, fügt Nurzaie hinzu: "Wer vergleichbare Klausuren von Kommilitonen hat, die aber gänzlich anders bewertet wurden, kann dies mit anführen."

Schriftliches Verfahren, ausführliche Begründung

Gibt es berechtigte Einwände gegen die Bewertung, muss die Anfechtung schriftlich erfolgen. Nurzaie empfiehlt ausführliche Begründungen mit einer Länge von bis zu drei Seiten, darin enthalten eine stringente Analyse der Prüfungsleistung und ihrer Bewertung – was durchaus mehrere Tage Arbeit bedeuten kann.

Aber der Aufwand kann sich lohnen. Denn: "Allzu pauschale Remonstrationen sind selten von Erfolg gekrönt", weiß Prof. Dr. Charlotte Schmitt-Leonardy. "Mit einer präzisen und substantiierten Kritik hingegen gibt es tatsächlich gute Chancen, Korrekturmängel erfolgreich zu beanstanden." Die Inhaberin des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und interdisziplinäre Rechtsforschung an der Universität Bielefeld sitzt auch im Prüfungsausschuss und bekommt immer wieder Remonstrationen auf den Tisch und hat viel Erfahrung mit dem Verfahren.

Deshalb weiß sie auch: Schnelles Handeln ist wichtig, denn die meisten Universitäten gewähren für eine Remonstration nur einen Zeitraum von einer Woche nach Bekanntgabe der Noten. Beim Widerspruch gegen die Ergebnisse aus dem Staatsexamen beträgt die Frist einen Monat. Zudem wird oft zur Bedingung gemacht, dass der Jurastudierende vor der Remonstration an der Klausurbesprechung teilgenommen hat. Details zu den Voraussetzungen für eine Remonstration finden sich in den Prüfungsordnungen der jeweiligen Universitäten.

Meistens kleine Verbesserungen statt großer Notensprünge

Damit es zur Neubewertung kommt, braucht es also überzeugende Argumente. Damit tun sich viele Jurastudierende schwer. "Man muss in der Lage sein, seine Prüfungsleistungen objektiv und ohne Emotionen zu beurteilen", sagt Marcus Ronnenberg, Partner der Hamburger Kanzlei Reimann Ronnenberg und spezialisiert auf Prüfungsrecht. Seiner Erfahrung nach gehen die meisten selbstverfassten Schreiben am Zweck der Prüfungsanfechtung vorbei. "Es geht nicht darum, den Bewertungsspielraum anzuzweifeln, sondern echte Bewertungsfehler aufzuzeigen."

Aufs Prüfungsrecht spezialisierte Anwälte wie Ronnenberg bieten Studierenden Beratung und Hilfe bei der Widerspruchsbegründung an. Das kostet natürlich: Schauen sich die Juristen Klausuren an und erstellen ein Gutachten zur Einschätzung der Erfolgsaussichten, liegen die Kosten meist im niedrigen dreistelligen Bereich. Für eine Widerspruchsbegründung ist pro Klausur hingegen mit einem vierstelligen Betrag zu rechnen. Wer einen Anwalt einschalten will, sollte vorab prüfen, ob seine Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt.

Die Erfolgsaussichten einer Remonstration hängen immer vom individuellen Fall ab. Grundsätzlich aber gelte: "Es ist einfacher, eine kleine Verbesserung von einem halben bis zu einem Punkt herauszuholen als eine große über mehrere Punkte", sagt Ronnenberg aus Erfahrung. Eine sogenannte reformatio in peius, also die Gefahr, dass sich durch die erneute Gesamtbetrachtung der Klausur das Prüfungsergebnis verschlechtern könnte, hält der Anwalt für unwahrscheinlich. "Das ist nur möglich, wenn sich herausstellt, dass ein Prüfling während einer Prüfung bewusst getäuscht hat." In seiner 19-jährigen Tätigkeit als Prüfungsrechtler ist ihm bei einer Remonstration oder bei einem Widerspruch hinsichtlich der Bewertung kein Fall von reformatio in peius begegnet.

Nach Remonstration unbeliebt bei den Professoren?

Manche Studierenden machen sich Gedanken, ob sich eine Remonstration negativ auf die Beziehung zum Professor auswirken könnte. "Die verbreitete Angst, auf einer Art ,black list’ zu landen oder später auf einen Professor zu treffen, der das übel nimmt, halte ich für unbegründet", meint Schmitt-Leonardy. "Ich kenne niemanden, der nachtragend reagieren würde", so die Professorin. Auch Ronnenberg kann von keinen schlechten Erfahrungen berichten. "Die Professoren sind schließlich auch Juristen, die Verständnis für eine Auseinandersetzung auf kollegiale Art haben." Wichtig sei dafür natürlich, in der Argumentation sachlich zu bleiben, betont der Anwalt.

Grundsätzlich hält Schmitt-Leonardy viel von Gelegenheiten, Dinge kritisch zu hinterfragen. Nicht umsonst heißt die Phase, in der dem Erst- und Zweitkorrektor die Klausur erneut vorgelegt wird, Überdenkungsverfahren. "Das ist aber gerade im Kontext von Remonstrationen keine Einbahnstraße: Eine Benotung, die hinter den Erwartungen des Studierenden zurückbleibt, sollte nicht quasi-automatisch zu der Annahme führen, dass die Bewertung das Problem ist." Hat der Betroffene sich aber kritisch mit sich und seiner Prüfungsleistung auseinandergesetzt, sieht die Professorin die Remonstration als ein wichtiges Mittel, die Prüferperspektive zu hinterfragen.

Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.

Thema:

Jurastudium

Verwandte Themen:
  • Jurastudium

Teilen

Ähnliche Artikel

Newsletter