OVG NRW und Schleswig-Holstein

Video­über­wa­chung wäh­rend Online-Prü­fung zulässig

von Pauline DietrichLesedauer: 4 Minuten

Die während der Pandemie unter Videoaufsicht stattfindenden Online-Prüfungen sind vorläufig nicht zu beanstanden. Universitäten müssten die Chancengleichheit während der Klausuren auch online wahren, so die Gerichte.

Die Videoüberwachung von Studierenden während elektronisch stattfindender Prüfungen ist erlaubt. Das befanden die Oberverwaltungsgerichte (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalens (Beschl. v. 04.03.21, Az. 14 B 278/21.NE) und des Landes Schleswig-Holsteins (Beschl. v. 04.03.21, Az. 3 MR 7/21).

In der Corona-Pandemie haben Universitäten und Hochschulen Schwierigkeiten, Prüfungen in Präsenzform anzubieten und durchzuführen. Als Alternative werden deswegen vielerorts videobeaufsichtigte häusliche Klausurprüfungen angeboten. So war es auch in den beiden zu entscheidenden Fällen, die sich an der Fernuniversität Hagen bzw. an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) abgespielt haben.

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OVG NRW: Chancengleichheit muss gewährleistet werden

An der Fernuni Hagen läuft es so ab, dass die Studierenden durch die aufsichtsführenden Personen über eine Video- und Tonverbindung während der Prüfung beaufsichtigt werden. Video, Ton und Bildschirmansicht des Monitors werden sowohl aufgezeichnet als auch gespeichert. Die Löschung der gespeicherten Daten erfolgt aber nach Prüfungsende, es sei denn, die Aufsicht hat Unregelmäßigkeiten vermerkt oder der Prüfling eine Sichtung der Aufnahme beantragt.

Ein Studierender der Fernuni Hagen wollte an einer solchen Online-Prüfung am kommenden Montag teilnehmen - aber ohne die Aufzeichnung und Speicherung der Daten. Gegen das Filmen an sich war er nicht vorgegangen. Vor dem OVG hatte er entsprechend die vorläufige Untersagung von Aufzeichnung und Speicherung der Daten begehrt und sich dabei auf Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und sein Recht auf Informationelle Selbstbestimmung berufen.

Die obersten Verwaltungsrichterinnen und -richter in NRW lehnten seinen Antrag jedoch ab. Die Rechtmäßigkeit der Aufzeichnung und Speicherung könne zwar im Eilverfahren nicht geklärt werden. Doch die DSGVO erlaube die Datenverarbeitung, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich sei, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Dies sei hier der Fall, schließlich seien Hochschulen zur Durchführung von Prüfungen verpflichtet. Dabei hätten sie den Grundsatz der Chancengleichheit zu gewährleisten, also allen Prüflingen vergleichbare Prüfungen mit gleichen Erfolgschancen zu bieten. Die Aufzeichnung diene dazu, die Studierenden einerseits von Täuschungsversuchen abzuhalten. Andererseits biete die Aufzeichnung und vorübergehende Speicherung auch die Möglichkeit für die Studierenden, Störungen während der Prüfung nachzuweisen.

OVG Schleswig-Holstein: Kein "unbeobachtbares Beobachtetwerden"

Ähnlich sahen es die Kolleginnen und Kollegen vom OVG Schleswig-Holstein. Den Antrag des Studierenden, der auch gegen die Videoaufsicht per se vorgegangen war, hielten sie bereits für unzulässig. Er könne sein Ziel mit dem Antrag schon gar nicht erreichen und seine Rechtsstellung daher auch nicht verbessern. Das Gericht geht in seiner Begründung nämlich davon aus, dass die CAU überhaupt keine Prüfungen anbieten würde, wenn sie diese nicht an eine Videoaufsicht koppeln darf. Präsenzprüfungen seien jedenfalls nach der Hochschulen-CoronaVO des Landes noch zu verschieben.

Doch auch im Übrigen hätte der Antrag keinen Erfolg gehabt, ließ das Gericht durchblicken. Das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) sei nicht betroffen, da die Videoaufsicht nicht gegen den Willen der Studierenden erfolge. Sie könnten frei entscheiden, ob sie sich darauf einlassen oder lieber später Präsenzprüfungen ablegen möchten, sobald diese nach Corona wieder angeboten werden.

Wie das OVG NRW sieht das OVG Schleswig-Holstein den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit Hinweis auf das Gebot der Chancengleichheit gerechtfertigt. Die Videoaufsicht sei auch nicht weniger geeignet, Täuschungsversuche zu enttarnen als es in Präsenzprüfungen durch die Klausuraufsicht geschieht. Zwar könnten sich auf dem Bildschirm der Prüflinge oder außerhalb des Kamerawinkels unzulässige Hilfsmittel befinden. Aber in Präsenzprüfungen könne man auch nicht sämtliche Täuschungsversuche verhindern.

Letztlich fügte das Gericht hinzu, dass es nicht zu einem "unbeobachtbaren Beobachtetwerden" komme. Anders als bei der Vorratsdatenspeicherung liege eine Überwachung von Prüfungen in der Natur der Sache und sei den Betroffenen bekannt.

Prüfungsrechtler: "Unzulässig wäre, wenn die Überwachung über den Prüfungsarbeitsplatz hinausginge"

Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Christian Reckling kommentiert die Beschlüsse gegenüber LTO und findet sie "nachvollziehbar", betont aber, dass es sich "nur um vorläufige Entscheidungen handelt." Dem auf Prüfungs- und Hochschulrecht spezialisierten Juristen zufolge darf eine Hochschule nach der DSGVO nur solche Daten verarbeiten, die für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich sind - und das sei bei der derzeitigen Durchführung von Online-Prüfungen gegeben. 

"Unzulässig dürfte es aber sein, wenn beispielsweise die Kamera bzw. die Überwachung andere Bereiche als den Prüfungsplatz selbst erfasst oder mehrere Kameras eingesetzt werden", so Reckling weiter. Erst wenn der Verdacht eines Täuschungsversuchs besteht, dürfe womöglich vom Prüfling verlangt werden, die Kamera in dem Raum über den Arbeitsplatz hinaus zu schwenken. Das sei aber immer eine Frage des Einzelfalls und kein "Freifahrtschein für die Hochschulen".

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