Digitalisierung der Juristenausbildung

"Das elek­tro­ni­sche Examen ist eine Ver­füh­rung"

von Marcel SchneiderLesedauer: 4 Minuten

Klausuren am Computer tippen? Das hält lange nicht jeder für eine gute Idee, zeigte eine Veranstaltung an der Universität Köln. Wirklich einig wurden sich Professoren, Studenten und Prüfungsamtsvertreter nicht. Trotzdem kommt das E-Examen.

Wie weit sind die Juristen in Sachen E-Examen? Zu einer entsprechenden Diskussion mit dem Titel "Digitale Examensklausuren – Laptop statt Klausurenblock?" nebst Überblick über aktuelle Entwicklungen lud die Rechtswissenschaftliche Landesfachschaft NRW an die Universität zu Köln ein.

Schnell wurde am Donnerstagabend klar, dass es um mehr als eine bloße Bestandsaufnahme, sondern auch um sehr grundsätzliche Fragen gehen würde: Wer soll das E-Examen bezahlen? Überwiegen die Vor- wirklich die Nachteile? Und vor allem: Wie setzt man das alles möglichst reibungslos um?

Fest steht jedenfalls: Das Examen am PC kommt. In ihrem gemeinsamen Beschluss vom Mai 2018 hielten es die Präsidenten der Landesjustizprüfungsämter (LJPA) für erforderlich, "die juristischen Staatsprüfungen in ein zukunftsfähiges Prüfungsformat zu überführen".

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Sachsen-Anhalt legt los, NRW plant noch

Dass das grundsätzlich auch klappt, beweist das Land Sachsen-Anhalt. Dort können Referendare seit April dieses Jahres wählen, ob sie die Klausuren ihres zweiten Examens wie bisher handschriftlich ablegen oder am vom Prüfungsamt gestellten Computer tippen – bisher deutschlandweit einmalig. Von 45 Teilnehmern des Frühjahrsdurchgangs machten 42 von dieser Möglichkeit Gebrauch. "Und auch im kürzlich erfolgten Herbstdurchgang haben bis auf eine Kandidatin alle am Laptop geschrieben", berichtete Ralf Burgdorf, Präsident des LJPA Sachsen-Anhalts, am Donnerstag.

Außerdem, so Burgdorf, biete man Referendaren mittlerweile die Möglichkeit, während des Vorbereitungsdiensts auf eigenen Geräten Übungsklausuren zu schreiben. Mittelfristig werde es dann auch im ersten Examen die Möglichkeit geben, die Klausuren am Laptop zu schreiben.

Kompakte Textdateien statt Klausurenstapel, eine zeitgemäße Prüfungsmethode und weniger Schreibkrämpfe bei den Kandidaten sind nur einige der Vorteile, die auch Dr. Corinna Dylla-Krebs sieht. Sie vertrat das LJPA NRW an diesem Abend und zeigte sich vom E-Examen überzeugt: "Letztlich ist das alles nur noch eine Frage des Geldes und der Organisation. Denn in NRW sieht es ein wenig anders aus als in Sachsen-Anhalt."

Damit spielte sie auf die Anzahl der Examenskandidaten an, mit denen das bevölkerungsreichste Bundesland der Republik zu kämpfen hat: Durchschnittlich 200 Kandidaten im zweiten Examen und durchschnittlich 300 im ersten müssen geprüft werden – und das fast jeden Monat. Entsprechend plane man seit gut zehn Jahren, so Dylla-Krebs: "Erste Überlegungen gab es im September 2008. Seit Januar dieses Jahres gibt es nun eine eigene Arbeitsgruppe, die einen konkreten Zeit- und Kostenplan erstellt."

Kritiker: Es bringt nichts, nur das Examen umzustellen

Sehr konträr zu den beiden LJPA-Vertretern äußerte sich Prof. Dr. Thomas Lobinger von der Universität Heidelberg. Der Zivilrechtsprofessor, der nach eigenen Angaben auch wissenschaftliche Beiträge in einem ersten Schritt erst einmal von Hand niederschreibt, hält das elektronische Examen "für eine Verführung: Erst einmal hinschreiben, verschieben und dann doch wieder löschen – das alles stiehlt Zeit, die man in fünf Stunden Klausur nicht hat."

Das routinierte Arbeiten mit einer Schreibsoftware in einer Prüfungssituation müsse man, so Lobinger, den Studenten nämlich erst einmal beibringen, da sie sich sonst zeitlich verzettelten, wenn sie alle Prüfungen bis zum Examen handschriftlich ablegen, dort dann aber plötzlich am Computer schreiben. "Als Universität müssen wir bestmöglich aufs Examen vorbereiten. Wenn man dort unbedingt elektronische Klausuren anbieten möchte, dann sollten auch die übrigen Klausuren während des Studiums am Computer abgelegt werden können."

Grundsätzlich bekannte sich Lobinger als "Kritiker des elektronischen Examens aus Überzeugung" und verwies dabei nicht nur auf die hohen anfallenden Kosten, sondern auch auf lernpsychologische Studien, die belegten, dass von Hand Geschriebenes mehr Konzentration erfordere und besser im Gedächtnis haften bleibe.

Für seine Forderung, nicht nur das Examen, sondern sämtliche Klausuren im Jurastudium umzustellen, erhielt der Hochschullehrer auch Rückendeckung von Christoph Geib, der die Rechtswissenschaftliche Landesfachschaft Bayern in Köln vertrat. "Natürlich haben elektronische Klausuren Vorteile. Aber dann muss man das Ausbilungssystem von der Basis zur Spitze hin umstellen und nicht umgekehrt. Man darf nicht im Examen eine völlig neue Prüfungssituation schaffen."

Korrektoren: "Die Studenten mal nicht unterschätzen"

Der Pressesprecher des Kölner Landgerichts, Prof. Dr. Jan F. Orth, sah indes keine Bedenken, im Examen "plötzlich" mit dem Computer konfrontiert zu werden. Er berichtete aus Korrektorensicht: "Die Studenten von heute können in der Regel sehr patent mit jedem gewöhnlichen Schreibprogramm umgehen. Die sollte man nicht unterschätzen. Arbeitsweisen ändern sich und daran haben sich die Prüflinge längst angepasst. Entsprechend sehen E-Klausuren auch viel strukturierter aus."

AG-Leiter und Richter am Amtsgericht Christian Konert, der in Sachsen-Anhalt E-Klausuren korrigiert und den LTO nach der Veranstaltung zu seinen Erfahrungen damit befragte, findet nach den ersten Durchgängen mit dem elektronischen Examen außerdem: "Gerade bei Urteilsklausuren kann man als Korrektor viel schneller erkennen, ob die Klausur richtig aufgebaut ist oder sich entsprechende Fehler darin finden. Als AG-Leiter hat die Einführung der E-Klausur auch den Vorteil, dass ich in der AG die Klausur ebenfalls am Laptop schreiben lassen und sie später über die Kommentarfunktion sehr viel ausführlicher und schneller korrigieren kann."

Fakultätsprüfungsamt: Es "graut" schon vor dem E-Examen

Moderator Marc Castendiek, Vorsitzender des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften, musste die kontrovers geführte Diskussion letztlich aus Zeitgründen abbrechen. Der letzte Publikumsbeitrag blieb damit derjenige von Jens Schumacher, Leiter des juristischen Fakultätsprüfungsamts der Universität Köln.

Er sagte, dass er die unterschiedlichen Positionen zum E-Examen gut nachvollziehen könne. Neben den hohen Kosten, die dessen Einführung mit sich bringe, betonte er auch, wie hoch die logistischen Herausforderungen seien. Ihm und seinem Team "graut" es angesichts der jeden Monat zahlreichen Prüflinge schon vor der Umstellung aufs E-Examen, sagte er. Ein ganzes Jurastudium auf elektronische Klausuren umzustellen, erreiche da noch eine völlig andere Dimension.

Eins scheint nach diesem Branchentreffen damit klar: Bis es neben Sachsen-Anhalt auch in anderen Bundesländern Examensklausuren am Computer gibt, wird noch einige Zeit vergehen.

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