BAföG-Betrug

Alles andere als ein Kava­liers­de­likt

von Dr. Andreas BrickwellLesedauer: 4 Minuten

Trotz dringender Warnungen der Ämter für Ausbildungsförderung verschweigen weiterhin sehr viele Studenten, wie sie tatsächlich finanziell dastehen. Dabei werden die Angaben seit Jahren genau unter die Lupe genommen. Hinterher ist dann oft der Jammer groß, wenn im Briefkasten nicht der erwünschte Bescheid, sondern Post von der Staatsanwaltschaft liegt.

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Seit 2002 prüfen die Ämter für Ausbildungsförderung, meist die Studentenwerke, ob die Antragsteller für Leistungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes Vermögen verschwiegen haben. Denn das so genannte BAfÖG erhält nur, wer seine finanziellen Verhältnisse wahrheitgemäß offengelegt hat.

Was zunächst als Stichprobenprüfung begann, ist inzwischen Routine im Jahresrhythmus. In jedem Herbst werden die beim Bundeszentralamt für Steuern gespeicherten Zinsfreistellungsanträge mit den Daten der Geförderten nach dem BAföG abgeglich

Rechtliche Grundlage dieser Praxis sind die §§ 41 Abs.4 BAföG, 45 d Einkommensteuergesetz und 93 Abs. 8 Abgabenordnung. Im Studentenwerk Berlin, dem Amt mit den meisten geförderten Studenten, wurden von 2007 bis 2009 365 Fälle überprüft, in 105 Fällen wurde Strafanzeige erstattet. In allen Studentenwerken sind die Fallzahlen nur leicht rückläufig. Die Sachbearbeiter fragen sich, wie lange sie noch mit Rückforderungen, Bußgeldern und Strafanzeigen beschäftigt sein werden. Bisher haben weder deutliche Formulare und persönliche Befragungen der Studenten noch Medienberichte, drastische Strafen und Verurteilungen wegen Betrugs zu einem Umdenken geführt.

Ausreden helfen nicht mehr

Die meist von Rechtsanwälten vorgetragenen Einwände gegen die Rückforderung der Förderung sind in der Regel an der Rechtsprechung gescheitert und haben Bestrafung nicht verhindern könn

Sparbücher, die von den Eltern auf den Namen der Kinder angelegt wurden (zum Beispiel, um Steuern zu sparen), sind in der Regel Vermögen der Kinder, wie das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg entschied (Beschl. v. 03.02.2004, Az. 2 E 806/04). Das gilt insbesondere dann, wenn die Kinder mit ihrer Volljährigkeit Steuer-Freistellungsanträge unterschrieben haben. Unbeachtlich ist, ob die Eltern Besitzer des Sparbuches geblieben sind (VG Gera, Urt. v. 17.12.2002, Az. 6 E 2335/02.GE).

Eltern, die Vermögen ihren Kindern übertragen haben, argumentieren oft im Nachhinein, es sei nur als Darlehen gewährt worden. Solche Darlehensverträge werden jedoch von den Gerichten genau auf ihre Ernsthaftigkeit geprüft. Sie verlangen ein bestimmtes Rückzahlungsdatum im Vertrag und eine Regelung der Abzahlungsmodalitäten einschließlich der Verzinsung (VG Köln, Urt. v. 15.02.2005, Az. 22 K 2301/0

Sind Vermögen und Schulden im Antragsverfahren nicht erwähnt, wird entweder eine schlüssige Begründung hierfür verlangt, die fast immer misslingt (VG München, Urt. v. 30.01.2003, Az. M 15K 01.4710). Oder die Gerichte interpretieren es als Verzicht auf eine ernsthafte Geltendmachung der Forderung, wenn der Darlehensvetrag weggelassen wird (OVG Brandenburg, Beschl. v. 07.03.2005, Az. 4 B 343/04).

Strenge Anforderungen an Behauptung "verdecktes Treuhandverhältnis"

Häufigster Einwand gegen die Rückforderung der Förderung und ihre Folgen war in den letzten Jahren der Hinweis auf ein verdecktes Treuhandverhältnis. Das Geld sei nur übertragen worden, um es für die Eltern oder andere Verwandte zu verwalten. Dies sei ohne Unterrichtung der Bank oder Dritter geschehen.

Zum Beweis wurden meistens entsprechende schriftliche Verträge vorgelegt. Ein entsprechender Vortrag war bereits von Empfängern des Arbeitslosengeldes II in den Jobcentern bekannt. Die Landessozialgerichte (LSG) ließen die Argumentation zunächst nicht zu und verwiesen auf den Rechtsschein, eigenes Vermögen zu besitzen (LSG Nordrhein- Westfalen, Urt. v. 21.08.2002, Az. 12 AL 247/01). Im Revisionsverfahren erklärten später sowohl das Bundessozialgericht (BSG) als auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) verdeckte Treuhandverhältnisse für zulässig (BSG, Urt. vom 21.03.2007, Az. B 11a AL 21/06 R; BVerwG, Urt. v. 04.09.2008, Az. 5 C 12/08).

Das BVerwG stellte aber strenge Beweisanforderungen auf. So muss das Treugut jederzeit vom eigenen Vermögen getrennt und nach Weisung des Treugebers zurückgegeben werden und es darf auch für den Fall von Notlagen nicht vom Treunehmer verwendet werden. Treuhandverträge mit diesem Inhalt gab es bisher nicht. Der Hinweis auf einen verdeckten Treuhandvertrag dürfte daher immer seltener erfolgreich sein.

Verstecken oder Übertragen von Vermögen wird hart bestraft

In letzter Zeit bemühen sich immer mehr Antragsteller auf BAföG-Leistungen, ihr Vermögen vor der Antragstellung zu verstecken. Wenn aber eine Übertragung zeitnah vor der Antragstellung auf Eltern und Verwandte erfolgte, wird sie von der Rechtsprechung als missbräuchlich angesehen und als nicht erfolgt behandelt (VGH München, Urt. v. 18.04.2007, Az. 12 B 06.2380).

Je zeitnäher die Vermögensübertragung auf Dritte vor der Antragstellung erfolgt, desto härter wird der Missbrauch von den Strafgerichten bestraft. Das Landgericht Paderborn verurteilte einen Studenten zu einer Freiheitsstrafe, der kurz vor der Antragstellung sein Vermögen auf Verwandte übertrug (Az. 23a DS 90/04).

Für die Entdeckten des Datenabgleichs bleiben nur die für alle Täter offen stehenden Mittel, um einer empfindlichen Strafe zu entgehen: den Schaden so schnell wie möglich wieder gut machen, Reue zu zeigen und auf eine Einstellung des Strafverfahrens wegen Geringfügigkeit oder gegen eine Geldauflage zu hoffen, §§ 153, 153a Strafprozessordnung. Hierzu ist die Praxis in den Gerichten sehr unterschiedlich. Es besteht ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Im Süden werden weit weniger Verfahren eingestellt als im Norden.

Dr. Andreas Brickwell ist Leiter der Förderungsabteilung des Studentenwerkes Berlin im Ruhestand.

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