Durchgefallen im Examen

Das Bachelor-Backup

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten

Nach über elf Semestern Anstrengung durchfallen und keinen Abschluss haben – das ist die Angst, der Jurastudenten von Anfang an standhalten müssen. Mit Kombistudiengängen wollen manche Universitäten Examenskandidaten den Druck nehmen.

Rund 30 Prozent aller Examenskandidaten in Deutschland haben im Jahr 2016 laut den aktuellsten Zahlen aus dem Bundesjustizministerium die Erste juristische Prüfung nicht bestanden. Wer auch im Freischuss durchgefallen ist beziehungsweise später im Wiederholungstermin nicht besteht, hat jahrelang umsonst gelernt und am Ende seines Studiums keinerlei Abschluss in der Tasche. Mit diesem Horrorszenario werden Jurastudenten gleich im ersten Semester bekannt gemacht.

Einige Universitäten wollen diesem Druck etwas entgegensetzen. Sie haben eine Möglichkeit geschaffen, die Studenten trotz nicht bestandenen Examens am Ende der bundesweit durchschnittlich 11,3 Semester Jurastudium nicht mit leeren Händen dastehen lässt: Sie bieten Kombinationsstudiengänge an.

Dabei erwerben die Teilnehmer auf dem Weg zum Examen parallel einen Bachelorabschluss (etwa einen Bachelor of Laws, LL.B.). Zu den Anbietern dieser kombinierten Studiengänge gehören unter anderem die Universität Mannheim, die Universität Potsdam und die Fernuniversität Hagen. Dort können Studenten schon seit geraumer Zeit beide Studiengänge parallel absolvieren und im besten Fall zwei Abschlüsse machen.

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Beispiel Mannheim: An den WiWi führt kein Weg vorbei

Vorreiter war die Universität Mannheim, die im Semester 2008/2009 als erste Universität den Kombinationsstudiengang eingeführt hat. "Die Universität Mannheim steht für Wirtschaftswissen, daher wollten wir diesen Markenkern auch in der juristischen Fakultät stärken", erklärt Prof. Dr. Ralf Müller-Terpitz, Abteilungssprecher für die Rechtswissenschaften und Professor für Öffentliches Recht an der Universität Mannheim. "Dafür arbeiten wir nun interdisziplinär mit dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften zusammen." 60 Prozent des Kombinationsstudienganges bestehen aus juristischen Anteilen, 30 Prozent aus betriebs- und volkswirtschaftlichen und zehn Prozent sind dem Thema Schlüsselqualifikationen gewidmet.

Nach sechs Semestern schreiben die Studenten drei Klausuren und die Bachelorarbeit, wobei die drei Klausuren zugleich die drei Staatsexamensklausuren für das Zivilrecht sind. Vor dem Bachelor lernen die Studenten schwerpunktmäßig Zivilrecht, nach dem Bachelorabschluss kommen Öffentliches Recht und Strafrecht hinzu, Zivilrecht wird in uni-internen Repetitorien bis zum Examen aufgefrischt. Nach einer Regelstudienzeit von zehn Semestern steht dann die Erste juristische Prüfung an. "Das Studium verlängert sich zwar um durchschnittlich zwei Semester", so Müller-Terpitz. "Dafür lernen die Studierenden schon in der Bachelor-Phase, konzentriert zu arbeiten, was ihnen später fürs Staatsexamen nutzt."

Das BWL-Studium neben dem Jurastudium sei zwar nicht zu unterschätzen und der Arbeitsdruck mit drei wichtigen Klausuren früh im Studium höher als bei den klassischen Jurastudiengängen. "Aber die Zusatzausbildung in den Wirtschaftswissenschaften ist auf jeden Fall von Vorteil", ist der Professor überzeugt. "Zudem haben die Studierenden einen Abschluss, der ihnen andere Optionen als das Staatsexamen eröffnet." Der Doppelabschluss Bachelor of Laws plus Staatsexamen ist trotz des Mehraufwands bei den angehenden Juristen beliebt: "Wir haben mehr Bewerber als Studienplätze", weiß der Abteilungssprecher. "Und die meisten studieren nach dem Bachelor auch weiter bis zum Staatsexamen."

Beispiel Potsdam: So schnell wie ein klassisches Jurastudium

In Potsdam sieht es etwas anders aus. Hier wurde der Kombinationsstudiengang im Jahre 2013 eingeführt, initiiert unter anderem von Professor Andreas Musil, Vizepräsident für Lehre und Studium an der Universität Potsdam und Professor für Öffentliches Recht an der Juristischen Fakultät. "Seinerzeit war es in der Diskussion, die juristische Fakultät in Potsdam abzuschaffen. Daraufhin haben wir dieses neue Studienmodell entwickelt, das vom Wissenschaftsministerium angenommen wurde", berichtet der Professor. Mittlerweile ist der Bachelorstudiengang akkreditiert und die Zahlen der Juraabsolventen an seiner Universität haben sich stabilisiert – das Modell trifft bei den Studenten offenbar ebenfalls auf großes Interesse.

Das Doppelstudium in Potsdam funktioniert folgendermaßen: Die ersten sechs Semester besuchen die Studenten juristische Vorlesungen und erwerben zudem Credit Points für den Bachelor in außerjuristischen Fächern, zum Beispiel Betriebswirtschaft, wenn sie sich auf Steuerrecht spezialisieren wollen, oder Politik, wenn Völkerrecht ihr Schwerpunktfach werden soll. Die Studenten haben hier die Wahl aus mehreren, klar definierten Angeboten, die das Koordinationsbüro mit den anderen Fachbereichen organisiert. Nach dem sechsten Semester schreiben die Studenten schließlich ihre Bachelorarbeit und haben damit ihren ersten Abschluss in der Tasche. Die Thesis kann zugleich als Übungsseminararbeit herhalten.

Nach dem sechsten Semester können die Studierenden dann entscheiden, ob sie mit dem Bachelor ihr Studium beenden wollen, ob sie ein Masterstudium aufnehmen oder das Jurastudium fortsetzen wollen. "Die meisten entscheiden sich für die Fortsetzung des Jurastudiums und versuchen, auch das Examen zu bestehen", sagt Musil. "Der Bachelor bietet ihnen dafür schließlich ein gutes Backup." Ohne das Jurastudium ist der Bachelor of Laws in Potsdam nicht möglich. Die Studienzeit verlängert sich aber durch den Kombistudiengang nicht. Und auch die BAföG-Ansprüche sind bis zum Ende des Jurastudiums nicht gefährdet – darauf haben die Initiatoren des Studiengangs explizit von Anfang an geachtet.

Allerdings: "Für uns Lehrkräfte ist die Vorbereitung und die Bewertung der Bachelorarbeiten natürlich ein Mehraufwand", sagt Musil. "Aber ich würde das Modell trotzdem gern an vielen weiteren Universitäten sehen, weil ich für die Studenten klare Vorteile sehe." Kollegen in Berlin und Bochum hätten schon Interesse bekundet.

Auch möglich: Der Doppelabschluss auf eigene Faust

Jurastudenten an Universitäten, die keinen solchen Kombinationsstudiengang anbieten, können auch selber aktiv werden. So wie Georg Obermayer, der an der Universität Augsburg Jura studiert. Angefangen hat er allerdings mit dem Bachelorstudiengang Rechts- und Wirtschaftswissenschaften; kein LL.B., sondern ein Bachelor of Science. "Ich wollte erst einmal sehen, ob mir der juristische Gutachtenstil und die Inhalte überhaupt liegen", erklärt der Student. Das war der Fall und so nahm Obermayer ab dem dritten Semester seines Bachelorstudiums, als er den Aufwand für das ein Doppelstudium in etwa einschätzen konnte, auch ein reguläres Jurastudium auf. "Diese Kombination bietet mir maximale Sicherheit, so dass ich am Ende nicht ohne Abschluss die Hochschule verlasse und mindestens den Bachelor habe", so seine Begründung dafür, dass er sich mehr Arbeit macht.

Denn das mit der selbstgewählten Kombination im Vergleich zu einem Kombinationsstudiengang solche anfällt, war für ihn von vornherein klar. Er sagt aber, dass er damit gut umgehen kann: "Im Vergleich zum Staatsexamen finden die Klausuren und Prüfungen im Bachelorstudium über das ganze Studium verteilt statt. Ich konnte also auch die vorlesungsfreie Zeit für meine Prüfungen nutzen." Die Klausuren im Zivilrecht und ungefähr die Hälfte der Pflichtklausuren aus dem Öffentlichen Recht konnte er sich auf das Jurastudium anrechnen lassen. Interessant fand der 25-Jährige, der mittlerweile auch in Jura fast scheinfrei ist, wie unterschiedlich das juristische Wissen in den beiden Studiengängen vermittelt wird: Im Bachelorstudium sei es mehr um praxisorientierte Inhalte gegangen, im Jurastudium sei es viel theoretischer.

Auch die Prüfungen unterschieden sich voneinander, so seine Erfahrung: "Ich finde es auf jeden Fall gut, dass ich nun mit weniger Druck an die letzten Examensprüfungen herangehen kann", sagt Obermayer. Potenzielle Arbeitgeber wüssten zudem den Einsatz des Studenten ebenfalls zu schätzen: "Mir wurde in Praktika und bei Gesprächen mit möglichen Arbeitgebern signalisiert, dass die geistige Flexibilität und die wirtschaftlichen Kenntnisse aus dem Bachelorstudium durchaus ein Pluspunkt seien", erzählt der Augsburger. Der Bachelor of Science sei zudem generalistischer angelegt als der Bachelor of Laws, was Arbeitgebern ebenfalls gefalle. Obermayer freut sich auf jeden Fall, dass er mit, wie er sagt, "vertretbarem zusätzlichen Aufwand" sein Profil schärfen und dabei Sicherheit gewinnen konnte.

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