Mit Jura nach Bangkok

Zwischen Maßanzügen und Tuktuks

von André SiedenbergLesedauer: 7 Minuten
"One night in Bangkok makes a hard man humble", sang einst Murray Head. André Siedenberg hat während seiner Wahlstation nicht bloß eine, sondern rund 90 Nächte in der thailändischen Hauptstadt verbracht. Hier erzählt er über seine Erlebnisse mit Straßenküchen und Ladyboys – und dem Verständnis von Pünktlichkeit in einer Kultur, für die Zeit keine große Rolle spielt.

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Dank verschiedener musikalischer und filmischer Darstellungen könnte man die Rechtsprobleme im Rahmen der Wahlstation in Bangkok eher in den schmuddeligsten Ecken des Strafrechts vermuten. Doch weit gefehlt. Während meiner Wahlstation in Thailand hatte ich nicht nur Gelegenheit, mich mit spannenden wirtschaftsrechtlichen Sachverhalten zu befassen, sondern auch, ein faszinierendes Land und interessante Leute kennenzulernen.

Wie ich dort hingekommen bin: Hauptsache weg

Schon vor den elf Klausuren des bayerischen Staatsexamens war für mich klar, dass ich nach der Klausurenphase die Gelegenheit nutzen wollte, noch einmal über den Tellerrand der deutschen Juristerei hinaus zu blicken. Die Chance dazu ergab sich durch ein Schreiben in der Umlaufmappe meines Ausbildungsgerichts, in welcher sich verschiedene Angebote für die Wahlstation befanden. Während die meisten aus der näheren Umgebung stammten, stach die Anzeige der Kanzlei Lorenz & Partners in Bangkok schon geographisch aus den übrigen Angeboten hervor. Da Asien zu diesem Zeitpunkt für mich noch terra incognita darstellte, war ich sofort begeistert. Nach einer Bewerbung per E-Mail und einem kurzen Telefoninterview konnte ich, reichlich unaufwendig, mein Visum bei der thailändischen Botschaft beantragen und die Flüge buchen.

Kanzleialltag I: Keine Bummelstation…

Viele deutsche Firmen unterhalten Wirtschaftsbeziehungen mit Zulieferern oder Tochtergesellschaften in Thailand. Die Kanzlei, der ich zugeteilt war, unterstützt diese Firmen bei ihren Investments in Asien, indem sie das notwenige Fachwissen für die deutschstämmigen Rechtsanwender aufbereitet. Entsprechend abwechslungsreich und anspruchsvoll gestaltete sich meine Arbeit. Internationale Rechtsfragen mussten recherchiert und Newsletter und Broschüren erstellt und überarbeitet werden. Dabei war ich recht frei in der Wahl meiner Themenschwerpunkte, musste aber innerhalb der – für eine internationale Kanzlei fair bemessenen – Arbeitszeiten auch einiges an Leistung bringen. So bearbeitete ich eine Broschüre zum thailändischen Arbeitsrecht (welches besser als sein Ruf ist), befasste mich mit einen internationalen Erbrechtsfall und erstellte eine Marktanalyse, welche für eine Transfer Pricing Dokumentation nötig war. Daneben arbeitete ich an Publikationen mit und half bei  Vertragsgestaltungen. Bei all diesen Tätigkeiten war ich eng in den Kanzleialltag eingebunden und arbeitete mit den thailändischen Mitarbeitern vor Ort sowie den anderen Büros in Ho Chi Minh Stadt und Hong Kong zusammen.

Kanzleialltag II: Immer wieder mittwochs…

Neben der Arbeit kam aber auch die Entspannung nicht zu kurz. Besonders der Mittwoch war stets ein Highlight, da an diesem Wochentag eine professionelle Masseurin ihre Runde durch die Büros machte. Zudem hatte ich bereits an meinem ersten Wochenende Gelegenheit, am jährlichen "Company Trip" nach Ko Samed, einer Insel im Golf von Thailand, teilzunehmen. Es ist ein eigenartiges Gefühl, knapp eine Woche nach den Klausuren und nur wenige Stunden nach Dienstschluss durch den warmen Sand zu seinem Bungalow am Strand zu laufen. Jedenfalls war es für mich nach den anfänglich unvermeidlichen Umstellungsschwierigkeiten der Moment, als ich mir sicher war, mit der Wahlstation in Thailand die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Was ich nicht vergessen werde I: Gangnam Style International

Durch die zentrale Lage in Südostasien sind nicht nur viele internationale Unternehmen in Bangkok vertreten, sondern auch die Vereinten Nationen. Diese haben einen riesigen Stab an Praktikanten, welche aus aller Herren Ländern stammen. Mittels Facebook ließen sich daher schnell Kontakte knüpfen, um Stadt und Land gemeinsam zu erkunden. So musste ich weder die zahlreichen Tempel und Restaurants, noch die Parties und Ladyboyshows (befeuert vom in Asien allgegenwärtigen Megahit "Gangnam Style") alleine besuchen. Auch die achtzehnstündige Reise zur Full Moon Party in Ko Phanang verbrachte ich in internationaler Gesellschaft. Einige der Freundschaften, welche ich in Bangkok geschlossen habe, dauern auch über das Ende der Wahlstation hinaus an.

Was ich nicht vergessen werde II: Die unschönen Seiten Bangkoks

Ohne Zweifel sind die Thailänder eines der freundlichsten und höflichsten Völker der Welt. Dennoch ist die Omnipräsenz der reichlich aufdringlichen Verkäufer, die einem von der Heuschrecke als Knuspersnack bis zur gefälschten Rolex nahezu jedes vorstellbare (und auch unvorstellbare) Produkt aufzuschwatzen versuchen, oftmals eine Belästigung. Am dichtesten ist deren Konzentration auf der bekannten Kao San Road im Norden Bangkoks (die im Übrigen mit dem wirklichen Thailand so viel zu tun hat wie Schloss Neuschwanstein mit Deutsch-land). Dort werden neben den unvermeidlichen Maßanzügen und Tuktukfahrten auch die Dienstleistungen des horizontalen Gewerbes angepriesen, denen Bangkok seinen eher zweifelhaften Ruf verdankt. Zusammen mit dem unvermeidlichen Verkehrschaos und dem drückenden Smog kann die Stadt daher, gerade für den unvorbereiteten Europäer, einen schwer zu verarbeitenden Kulturschock bedeuten. Wer sich allerdings offen und interessiert auf Bangkok einlässt, der entdeckt eine faszinierende Metropole mit unendlich vielen Gesichtern, die sich stets von neuen Seiten zeigt und den Besucher auch bei längerem Aufenthalt immer wieder überrascht. Wie sich Bangkok anfühlt, riecht und schmeckt ist nur schwer zu beschreiben, aber in jedem Fall unvergesslich.

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2/2: Wie man am besten hinkommt

Bangkok ist als Drehscheibe für den Flugverkehr in Südostasien ohne Weiteres von allen größeren Flughäfen Deutschlands zu erreichen. Der Flug dauert ca. 14 Stunden.

Wo man wohnen kann

In meinem Fall kümmerte sich die Kanzlei um die Organisation der Unterkunft. Es ist aber auch problemlos möglich, sich online von Deutschland aus über Unterkunftsmöglichkeiten zu informieren. Zumindest für die ersten Nächte empfiehlt es sich, eine Unterkunft zu wählen, die europäischen Standards entspricht, um den Kulturschock etwas zu mildern. In jedem Fall sollte auf die Nähe zum Arbeitsplatz oder eine gute Anbindung an die Bangkoker Hochbahn "Skytrain" oder U-Bahn geachtet werden, da andernfalls Dauerstress durch das tägliche Verkehrschaos garantiert ist. Meine Unterkunft lag im Süden der Stadt im Geschäftsviertel Sathorn. Viele der Praktikanten der UN suchen sich eine Bleibe im Norden rund um die Thanon Samsen, weswegen in diesem Viertel viel junges, internationales Publikum zu finden ist. Die Preise für eine Unterkunft mit europäischem Standard entsprechen im Wesentlichen denen in Deutschland, wobei in der Regel ein Dachpool und manchmal auch ein Fitnessstudio zu der Ausstattung eines Appartmenthauses gehören.

Woran man sich als deutscher Jurist erst mal gewöhnen muss

Der thailändische Büroalltag unterscheidet sich wesentlich von dem in Deutschland. Das buddhistische Verständnis von einer ewigen Wiedergeburt lässt Zeit für Thailänder häufig nicht als knappes Gut erscheinen. Dies sollte bei der Terminplanung berücksichtigt werden. Auch die für Thais übliche Zurückhaltung beim Herantragen von Problemen an Vorgesetzte ("Kreng Jai") kann dazu führen, dass Missverständnisse und Schwierigkeiten nicht offen kommuniziert werden. Gepaart mit der asiatischen Eigenheit, zur Wahrung des Gesichtes Verständnisprobleme nicht offen anzusprechen, ist die thailändische Arbeitsweise für einen Europäer daher nur schwer verständlich und manchmal frustrierend. Auch die hohe Ehrfurcht vor der regierenden Königsfamilie und die teils drakonischen Strafen, die auf Majestätsbeleidigung stehen, sind für deutsche Juristen kaum nachvollziehbar. Ganz allgemein erscheint im Vergleich zu den in Thailand verhängten Strafmaßen die deutsche Rechtsprechung regelmäßig als "Kuscheljustiz".

Was man in der Freizeit machen kann

Bangkok bietet für jedes Interesse und jeden Geldbeutel ausreichend Unterhaltung. Ob teure Cocktails auf der Dachterrasse eines schicken Hotels, billiges (aber sehr gutes) Straßenessen, Feiern auf der Discomeile Royal City Avenue, Ausflüge auf eine der traumhaften thailändischen Inseln oder ein Wochenendkurztrip zu Angkor Wat in Kambodscha: Mit ein wenig Offenheit gibt es täglich etwas Neues zu tun und zu entdecken.

Was man unbedingt probieren sollte

Straßenessen! Es kostet mitunter einiges an Überwindung (aber nur wenig Geld). Sicherlich aber gehört das Straßenessen in Bangkok zu den kulinarischen Highlights eines Aufenthalts in Thailand. Neben den üblichen Mitbringseln wie gefälschter Markenware (eine Kanzlei unterhält ein eigenes Museum allein zu diesem Thema!) und Touristennippes wie Buddhastatuen (deren Ausfuhr eigentlich illegal ist) bietet es sich in jedem Fall an, einen der Bangkoker Schneider aufzusuchen. Dort gibt es qualitativ durchaus hochwertige Maßanzüge zu Preisen, zu denen man sich in Deutschland allenfalls ein Modell von der Stange leisten könnte – und nicht mal ein besonders exklusives.

Was man unbedingt gesehen haben muss

Der Chatuchak Wochenendmarkt ist nicht nur einer der größten Freiluftmärkte der Welt, sondern auch ein wahres Einkaufsparadies: Kleidung, Haushaltsgegenstände, Kleintiere, Antiquitäten und moderne Kunst: Es gibt kaum etwas, was man dort nicht mit reichlich Feilschen günstig erwerben könnte. Allein das bunte Treiben ist es wert, dieser Bangkoker Attraktion einen Besuch abzustatten.

Empfehlen kann ich Stadt, Land und Wahlstation jedem, der...

…vor dem Start ins Berufsleben noch einmal über den Tellerrand blicken will, ohne sein Fachwissen gänzlich zu vernachlässigen. Die Arbeit in meiner Kanzlei war spannend und anspruchsvoll und die Stadt bietet nebenher genug Gelegenheit, sich von den Strapazen des zweiten Staatsexamens zu erholen. Vor allem aber ist die Zeit in Thailand eine Erfahrung, von der man noch lange zehren kann.

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