Als Referendar beim BVerfG

"Einmalig für alle am Verfassungsrecht Interessierten"

Interview mit John Philipp Thurn und Jens KahrmannLesedauer: 4 Minuten
Irgendwann einmal beim Bundesverfassungsgericht zu arbeiten ist wohl ein heimlicher Traum vieler dem öffentlichen Recht zugeneigter Juristen. Für einige wird er schon während der Ausbildung Wirklichkeit: Neun Referendare sind momentan an dem Gericht tätig. Wie man einen der begehrten Plätze ergattert und welche Aufgaben einem als Referendar zufallen, verrät John Philipp Thurn im Gespräch mit LTO.

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LTO: Herr Thurn,  seit dem 1. Juli 2013 sind Sie in der Wahlstation beim Bundesverfassungsgericht. Laut der Pressestelle gibt es kein festes Kontingent an Plätzen für die Referendarausbildung, sodass viele Bewerbungen abgelehnt werden müssen. Wie haben Sie es geschafft? Thurn: Ich kenne Herrn Professor Voßkuhle schon seit einigen Jahren, da ich von 2003 bis 2011 als Mitarbeiter an seinem Freiburger Lehrstuhl tätig war und bei ihm promoviert habe. Er hat mich zur Ausbildung in seinem Dezernat angenommen. Generell kann man aber sagen, dass die Richterinnen und Richter das sehr unterschiedlich handhaben – einige nehmen keine Referendare, bei anderen hingegen kann man sich persönlich bewerben. Die Ausbildung ist sowohl in der Wahl- als auch in der Verwaltungsstation möglich.

"Die Richter entscheiden selbst, wen sie in ihrem Dezernat ausbilden"

LTO: Muss man Spitzenjurist sein, um für eine Referendarstelle in Frage zu kommen? Thurn: Soweit ich weiß, haben viele der Referendarskollegen hier in der Tat sehr gute Ergebnisse im ersten Examen erzielt. Aber auch einschlägige Veröffentlichungen im Verfassungsrecht können Türöffner sein. Letztlich gibt es aber kein einheitliches Anforderungsprofil, da die Richter selbst entscheiden, wen sie ihn ihrem Dezernat ausbilden. LTO: Welche Rechtskenntnisse muss man mitbringen? Thurn: Ich denke, man muss sich vor allem für das Verfassungsrecht interessieren. Sowohl prozessual als auch materiell-rechtlich stellen sich häufig Fragen, die ansonsten im Referendariat keine große Rolle spielen. Im Übrigen kommt es auf das Dezernat an, mit welchem Rechtsgebiet man konfrontiert wird. Ich zum Beispiel habe mit dem Parlamentsrecht zu tun.

"Ich unterstütze eine wissenschaftliche Mitarbeiterin"

LTO: Was muss man sich konkret unter Ihrer Tätigkeit vorstellen? Verfassen Sie Urteilsentwürfe, wie es nicht selten die Referendare bei den ordentlichen Gerichten machen? Thurn: Das ist von Dezernat zu Dezernat unterschiedlich. Ich unterstütze eine wissenschaftliche Mitarbeiterin bei ihrer Vorbereitung eines sogenannten Votums "meines" Richters, auf dessen Grundlage dann später im Senat mündlich beraten werden soll. LTO: Kann es also sein, dass Sie einige Passagen Ihrer Ausarbeitung hinterher in der gerichtlichen Entscheidung wiederfinden? Thurn: Nein, davon gehe ich nicht aus. Das ist ja auch nicht das Ziel des Votums. Es soll eher einen Überblick über den Sachverhalt, die bisherige Rechtsprechung sowie die Literatur zu den relevanten verfassungsrechtlichen Problemen ermöglichen und auf dieser Basis Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Das Votum ist sozusagen der gemeinsame Ausgangspunkt für die Beratungen der Richter, die über den Fall zu entscheiden haben. LTO: Ist die Annahme korrekt, dass Sie mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts selbst im Alltag eher wenig zu tun haben? Thurn: Ja, das stimmt. Herr Professor Voßkuhle ist zwar mein Ausbilder, in der täglichen Arbeit wende ich mich mit Fragen aber in erster Linie an die Mitarbeiter im Dezernat.

"Die meisten arbeiten lange und gerne"

LTO: Erzählen Sie doch mal etwas über die Arbeitsbedingungen. Wie lange müssen Sie arbeiten und wie sind Sie räumlich untergebracht? Thurn: Momentan nutzen wir die Zimmer, die eigentlich den Prozessbeteiligten während den mündlichen Verhandlungen zur Verfügung stehen. Was die Arbeitszeiten angeht, so regelt jedes Dezernat die Einteilung der Arbeit selbst. Man kann aber schon sagen, dass die meisten Referendarinnen und Referendare durchaus lange und gerne arbeiten. LTO: Gibt es ein offizielles Rahmenprogramm für Referendare? Thurn: Ein offizielles Rahmenprogramm gibt es nicht, dafür aber eine ganze Reihe inoffizieller Aktivitäten. Beispielsweise gehen wir gemeinsam zum Mittagessen oder unternehmen nach Feierabend etwas. Außerdem nehmen wir an einigen Veranstaltungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter teil.

"Sehe die Tätigkeit als Chance, diese einzigartige Institution kennenzulernen"

LTO: Hand aufs Herz, verbinden Sie mit Ihrer Tätigkeit am Bundesverfassungsgericht bestimmte Hoffnungen für Ihren beruflichen Werdegang? Thurn: Ich bin vor allem aus Interesse an der Sache hier und sehe die Tätigkeit in erster Linie als Chance an, diese einzigartige Institution von innen kennenzulernen. LTO: Würden Sie anderen eine Referendariatsstation am Bundesverfassungsgericht weiterempfehlen? Thurn: Auf jeden Fall! Für alle, die am Verfassungsrecht interessiert sind, ist dies sicher eine einmalige Station. LTO: Herr Thurn, herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit für die Beantwortung unserer Fragen genommen haben. John Philipp Thurn ist derzeit als Referendar in der Wahlstation beim Bundesverfassungsgericht im Dezernat des Gerichtspräsidenten Prof. Dr. Andreas Voßkuhle tätig. Die Fragen stellte Jens Kahrmann per E-Mail.

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