Als Diplomjurist in der Anwaltskanzlei

"Den Mut auf­bringen, etwas anders zu machen"

von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Studium, Referendariat, Kanzleijob: So kann eine klassische Laufbahn aussehen. Auch ohne Zweites Staatsexamen kann man aber in Kanzleien Karriere machen – wenn man sich traut und seine persönliche Nische findet.

"Im dritten Semester hatte ich – wie viele andere auch – den Traum, irgendwann in einer Großkanzlei zu arbeiten. Das habe ich jetzt geschafft, auch wenn ich einen anderen Weg gewählt habe als den, den ich mir damals vorgestellt habe", sagt Milena Mühlenkamp. 

Mühlenkamp arbeitet seit einem Jahr als Legal Consultant bei Luther. Ursprünglich wollte sie die Wartezeit auf das Referendariat in Berlin mit einem Job als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer Kanzlei überbrücken, hat dann aber einen anderen Weg eingeschlagen. Sie begann im Jahr 2021 einen Master in Business Management und stieg sechs Monate später bei Luther ein. Dort berät sie Mandant:innen vor allem im Legal Process Management, d.h. zu den Möglichkeiten, die juristische Arbeit durch den Einsatz von Legal-Tech-Tools automatisierter und effizienter zu gestalten.

Während des Studiums hat sie sich in der studentischen Unternehmensberatung engagiert – und schnell ihre Begeisterung für wirtschaftliche Zusammenhänge bemerkt. Mit etwas Distanz zu den Examensklausuren hat sie dann schließlich eingesehen, dass sie nicht als Anwältin arbeiten möchte.

Oft sei sie von Volljurist:innen gefragt worden, ob sie sich nicht als "gescheiterte Juristin" fühle. "Solche Sprüche sind natürlich schwierig, aber man sollte sie nicht ernst nehmen", sagt sie. Deshalb könne sie auch verstehen, dass viele nicht den Mut aufbringen, etwas anderes zu machen als die "klassische" Juristenkarriere. Dabei sind die Möglichkeiten allein in Kanzleien vielfältig.

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"Die veränderten Kanzleilandschaften bieten viel mehr Chancen"

Viele Kanzleien setzen vermehrt auf Wirtschafts- und Diplomjurist:innen, also solche, die nur das Erste Staatsexamen absolviert haben. "Die veränderten Kanzleilandschaften und die neue Größe und Dauerhaftigkeit der Mandate bieten viel mehr Chancen" so Jörg Hahn, Global Manager der Client Delivery Group bei Freshfields. Zuvor war er dort als Transaction Lawyer tätig. 

Diese arbeiten in komplexen Mandaten mit und übernehmen verschiedene rechtliche, koordinierende und organisatorische Tätigkeiten. Bei Freshfields sind in Deutschland über 100 Transaction Lawyers, vor allem in den Bereichen Transaktionen, Corporate, Finance, Real Estate, Wettbewerbs- und Kartellrecht sowie Litigation, tätig. Die meisten Kolleg:innen, mit denen man dort arbeitet, haben auf Bachelor/Master studiert oder eine ausländische Zulassung.

Bei Hengeler Mueller können Diplomjurist:innen als Juristische Mitarbeitende vor allem in den Bereichen Compliance/Investigations, Kartellrecht und Litigation einsteigen – oft zur Überbrückung der Wartezeit auf das Referendariat oder das LL.M.-Studium.

Bei Luther arbeiten derzeit etwa 15 Wirtschafts- und Diplomjurist:innen in verschiedenen Funktionen, erklärt Torsten Schneider, Director Human Resources bei Luther. Vor allem in den Bereichen Tax, Banking und Finance, Schiedsverfahren und im Öffentlichen Recht unterstützen sie als Consultants bei der Mandatsarbeit, indem sie juristische Fragestellungen recherchieren, aber auch Projekte koordinieren. 

Wirtschafts- und Diplomjurist:innen werden aber auch – wie Mühlenkamp – in der Beratung zur Verwendung von Legal-Tech-Lösungen eingesetzt. Analog zum Karrieretrack für Anwältinnen und Anwälte gibt es für Consultants drei Entwicklungsstufen: Junior Consultant, Consultant und Senior Consultant, sagt Schneider.  

Legal-Tech-Spezialisten und Legal Project Manager

Im Bereich der Business Services setzt Luther ebenfalls Diplomjurist:innen ein, zum Beispiel in der Personalabteilung sowie in den Bereichen Geldwäscheprävention und Compliance.

Auch Linklaters beschäftigt Diplomjurist:innen vor allem in den Bereichen Business Development und Legal Operations. Das Business-Development-Team berät die Anwält:innen zur strategischen Geschäftsentwicklung sowie zum Aufbau und zur Pflege von Mandatsbeziehungen.

Legal Operations ist auch ein beliebtes Einsatzgebiet für Diplom- und Wirtschaftsjurist:innen. Die 45 Mitarbeitenden des Legal-Operations-Teams von Linklaters kommen aus verschiedenen Disziplinen und sind insbesondere mit Themen rund um Legal Tech, Legal Project Management sowie Innovations- und Wissensmanagement befasst. Darüber hinaus unterstützen sie die Praxis als Transaktionsjurist:innen in der täglichen Mandatsarbeit. Der Bereich soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden, erklärt Janina Willmann, Recruitment Manager bei Linklaters. 

Bei Hengeler Mueller gibt es im Legal Tech Center ebenfalls Einsatzmöglichkeiten als "Legal Tech Specialists". Diese unterstützen gezielt die jeweiligen Praxisgruppen in den Mandaten. 

Viele Kanzleien, so zum Beispiel auch Clifford Chance, beschäftigen mittlerweile zudem sogenannte Legal Project Manager, die an der Schnittstelle zwischen Jura und Projektmanagement tätig sind. Sie steuern komplexe Projekte mit großen Datenmengen – und brauchen dafür neben einem juristischen Grundwissen auch wirtschaftliche und Management-Kenntnisse. CMS Deutschland beispielsweise setzt Diplom- und Wirtschaftsjurist:innen im Legal Project Management, aber auch in den Bereichen Legal Tech und Smart Operations ein. 

In bestimmten Bereichen spezialisieren

Diplomjurist:innen können sich zudem in anderen Bereichen spezialisieren und dann als "Project Specialists" arbeiten. Bei Freshfields kommt die Rolle für diejenigen in Betracht, die schon als Studierende dort tätig waren und nach dem Ersten Examen – anstelle oder auch in Teilzeit während des Referendariats – Berufungserfahrungen sammeln wollen.

Auch kleinere Kanzleien setzen Diplomjurist:innen gezielt in bestimmten Fachgebieten ein. Die Düsseldorfer Kanzlei Vom Berg & Partner etwa beschäftigt Diplomjurist:innen in der Nachlassverwaltung. Sie bearbeiten Nachlasspflegschaften und Nachlassverwaltungen selbstständig und übernehmen auch die Erbenermittlung. "Als Diplomjurist hat man das nötige Fachwissen. Man muss nicht anwaltlich tätig werden. Wichtig ist aber, dass man Spaß daran hat, sich in die Nachlassverwaltung einzuarbeiten. Nach der Einarbeitungszeit kann man sehr kreativ und eigenständig arbeiten", so Rechtsanwältin Corinna vom Berg. 

Andere Kanzleien stellen etwa Unfallsachbearbeiter:innen im Verkehrsrecht oder Schuldnerberater:innen ein. Auch in Notariaten können Diplomjurist:innen arbeiten und beispielsweise notarielle Urkunden vorbereiten oder auch Projekte, etwa aus dem Immobilien- und Gesellschaftsrecht, eigenständig betreuen

Was verdient man eigentlich?

Man kann also auch ohne Zweites Staatsexamen in Kanzleien arbeiten. Beim Einstiegsgehalt muss man zwar meist Abstriche machen, in vielen Jobs hat man aber gute Aufstiegschancen. 

In den Großkanzleien kann man – je nach Qualifikation und Vorerfahrungen – mit einem Einstiegsgehalt zwischen 40.000 und 65.000 Euro rechnen. Bei Luther verdienen Junior Consultants zwischen 45.000 und 65.000 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 45 Stunden. Legal Support Lawyer steigen mit einem Gehalt zwischen 40.000 und 55.000 Euro bei einer 40-Stunden-Woche ein.

Das Karrieremodell bei CMS Deutschland umfasst insgesamt fünf Stufen. Die Gehaltsspanne reicht dabei beim Einstiegslevel als Legal Specialist von 52.000 und 60.000 Euro bis zum Senior Legal Manager mit Führungsverantwortung bei einem Gehalt von bis zu 100.000 Euro plus Bonus.

In den kleineren Kanzleien verdient man weniger, muss dafür aber vielleicht auch nicht ganz so viel arbeiten.

"Mehr können als juristische Fragestellungen bearbeiten"

Um die Karriereleiter auch ohne Zweites Staatsexamen hochzuklettern, sollten Diplomjurist:innen sich auf jeden Fall durch Zusatzqualifikationen auszeichnen, zum Beispiel im Projektmanagement, Legal Tech oder durch finanzwirtschaftliches Knowhow. Gerade Wirtschaftsjurist:innen verfügen aufgrund der Ausrichtung des Studienganges über vertieftere wirtschaftliche Kenntnisse, die oft von Vorteil sind. "Die Aufgaben, die wir für Wirtschafts- und Diplomjuristen haben, sind andere als die für Volljuristen", sagt Schneider. "Deshalb muss man mehr können als juristische Fragestellungen bearbeiten", ergänzt er. 

In Betracht kommen beispielsweise Masterstudiengänge, etwa im Medien-, Wirtschafts- oder Steuerrecht. Mit einem LL.M. hat man dann verschiedene berufliche Möglichkeiten. "Im Grunde sind alle Aufgaben relevant, die eine Schnittstelle zu juristischen Inhalten haben, vom Personalbereich bis zum Management", so Daniel Kachel von der Studienberatung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg gegenüber LTO.

Wichtig ist vor allem, dass die Alternativen auch bekannt werden. "Die Kanzleien müssen mitziehen und neuen Berufsbildern eine Chance geben", sagt Mühlenkamp. Sie appelliert aber auch an die Universitäten, alternative Berufswege zu fördern: "Die Universitäten sollten mehr Informationen verbreiten. Ich habe das Gefühl, dass die Angst besteht, dass man die Studierenden von 'dem' juristischen Weg abhält", ergänzt sie. Es gibt aber nicht nur den einen Weg – und jeder sollte seinen persönlichen finden.

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