Verschwiegenheitspflicht im und nach dem Arbeitsverhältnis

Wer war der letzte an der Bar?

Gastbeitrag von Dr. Stefan Schwab und Sophie ValentineLesedauer: 4 Minuten

Viele Beschäftigte würden gerne berichten, wie es im Job läuft: Von Überstunden bis hin zu pikanten Ereignissen auf der Weihnachtsfeier. Was sie über ihren Job erzählen dürfen und was nicht, erläutern Stefan Schwab und Sophie Valentine.

Bereits aus dem Arbeitsvertrag besteht die Nebenpflicht von Beschäftigten, schützenswerte betriebsinterne Angelegenheiten geheim zu halten, ohne dass es hierfür einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied überdies schon im Jahr 1956, dass die arbeitsvertragliche Geheimhaltungspflicht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen bleibt (Urt. v. 24.11.1956, Az. 2 AZR 345/56). Allerdings verlieren vertrauliche Informationen über die Jahre an Wert, sodass das arbeitgeberseitige Interesse an deren Geheimhaltung kontinuierlich abnimmt. Die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht von Beschäftigten ist daher in der Regel zeitlich begrenzt. Die konkrete Dauer hängt von der Qualität der jeweiligen Information ab.

Gegenstand der Geheimhaltungspflicht sind vorrangig Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Diese definiert das BAG als Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig sind und nach dem Willen des Arbeitgebers aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden müssen (BAG, Urt. v. 16.03.1982, Az. 3 AZR 83/79).

Flankiert wird die allgemeine arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht von zahlreichen gesetzlichen Regelungen, wobei dem nunmehr in § 23 i.V.m. § 4 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) geregelten Verbot der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen die größte Bedeutung in der Praxis zukommt.

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Reden über Zahlen

Unternehmenszahlen, wie etwa die Umsatzverteilung in den einzelnen Geschäftsbereichen, Bonuszahlungen und Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, mögen für einzelne Beschäftigte, z.B. im Bewerbungsgespräch mit dem potenziellen neuen Arbeitgeber, eine wichtige Verhandlungsgrundlage sein. Sie verraten jedoch zugleich viel über die Position eines Unternehmens am Markt und können insoweit aufschlussreich für Wettbewerber sein. Daher haben Unternehmen ein berechtigtes Interesse, solche Zahlen geheim zu halten und Beschäftigte sind gut beraten, lieber nicht darüber zu reden.

Auch die Gehaltsstruktur in einem Unternehmen kann ein Geschäftsgeheimnis sein. So sind Betriebsratsmitglieder zur Verschwiegenheit über die Gehaltsspannen und Durchschnittsgehälter sowie die Höhe von übertariflichen Zulagen verpflichtet (BAG, Beschl. v. 26.02.1987, Az. 6 ABR 46/84). Diese Informationen dienen als betriebliche Kalkulationsgrundlagen, die im Einzelfall wettbewerbsrelevant sein können. Denn die Konkurrenz könnte durch die Kenntnis dieser Daten ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit zum Nachteil des betroffenen Unternehmens steigern. Eine vergleichbare Verschwiegenheitspflicht wird auch für einzelne Beschäftigte gelten.

Sind Unternehmenskennzahlen oder Geschäftsbeziehungen hingegen offenkundig, kann hierüber jederzeit im Umfang der allgemein zugänglichen Informationen gesprochen werden. Hier ist vor allem an Fälle zu denken, bei denen frühere Geschäftsbeziehungen beispielsweise durch soziale Netzwerke oder Pressemitteilungen frei einsehbar sind oder wegen der Pflicht zur Veröffentlichung ganzer Geschäftsberichte etwa bei Aktiengesellschaften.

Reden über Arbeitszeiten und Trinkverhalten

Besonders wenn im Job Überstunden oder Mehrarbeit an der Tagesordnung sind oder waren, haben Beschäftigte häufig das Bedürfnis, dies mit Freunden zu besprechen oder auch gegenüber dem neuen Arbeitgeber zu kommunizieren. Hier ist Sensibilität angezeigt: Lassen sich aus solchen Mitteilungen Rückschlüsse auf wettbewerbsrelevante Umstände ziehen, sind Beschäftigte wohl gut beraten, auch hierüber Stillschweigen zu bewahren.

Die Vorgesetzten sind auf den Weihnachtsfeiern immer die ersten und letzten an der Bar? Der Kollege hält im Nachbarbüro gerne ein Mittagsschläfchen? Solche Geschichten eignen sich super für die Mittagspause, aber dürfen sie auch – insbesondere nach einem Jobwechsel – bei den Kollegen zum Besten gegeben werden?

Mitteilungen entsprechenden Inhalts sind grundsätzlich keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Gleichwohl besteht eine Verschwiegenheitspflicht im Hinblick auf solche Informationen über Vorgesetzte oder Kollegen, die deren persönliches Ansehen beeinträchtigen können – jedenfalls wenn ein Zusammenhang zum (früheren) Arbeitsverhältnis besteht. Gegenüber ehemaligen/neuen Kollegen und Kunden sollten derartige Informationen daher grundsätzlich nicht preisgegeben werden.

Im bestehenden Arbeitsverhältnis sollten Beschäftigte zudem immer beachten, dass sie je nach Einzelfall durch die Weitergabe solcher Informationen möglicherweise die Grenze zum "Mobbing" überschreiten und dann mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen müssen.

Schutz von Know-how und Kundendaten

Im Hinblick auf den Schutz von Know-how verwenden viele Unternehmen häufig sog. Catch-All-Klauseln, um Know-how umfassend an den Arbeitgeber zu binden. Inwieweit diese im Einzelfall einer AGB-Kontrolle standhalten, ist noch nicht abschließend gerichtlich geklärt.

Beschäftigte sind jedoch auch unabhängig von solchen Klauseln nicht befugt, sich vor ihrem Weggang aus dem Unternehmen ohne Einverständnis des Arbeitgebers Unterlagen oder Daten anzueignen, um diese bei einem neuen Arbeitgeber zu verwenden. Sie dürfen nur diejenigen Informationen in den Dienst eines neuen Arbeitgebers stellen, die sie "in ihrem Gedächtnis bewahren" (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.05.2018, Az. 5 Sa 267/17).

Entsprechendes gilt für Kundenkontakte (vgl. BGH, Urt. v. 27.04.2006, Az. I ZR 126/03). Sind Kundenkontakte allein "im Kopf gespeichert", können sie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterverwendet werden. Die Abwerbung von Kunden kann der Arbeitgeber nur verhindern, wenn ausdrücklich ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde (BAG, Urt. v. 15.12.1987, Az. 3 AZR 474/86). Dieses ist jedoch nur verbindlich, wenn es die Dauer von zwei Jahren nicht überschreitet und für jedes Jahr des Verbots eine Karenzentschädigung in Höhe von mindestens der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen vorsieht.

Auch wenn eine nebenvertragliche Verschwiegenheitspflicht aus dem Arbeitsverhältnis besteht, die ferner nach Vertragsbeendigung fortwirkt: Es schadet nicht, wenn ein Arbeitgeber zur Sensibilisierung seiner Beschäftigten die Pflicht zur Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ausdrücklich arbeitsvertraglich festhält. Da konkrete Schäden, die durch das Ausplaudern von betrieblichen Geheimnissen entstehen, in der Regel nur schwer nachweisbar sind, bietet es sich darüber hinaus an, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren. Deren Höhe sollte grundsätzlich ein Bruttomonatsgehalt pro Verstoß nicht überschreiten. Etwas anderes gilt bei "Gutverdienern", mit denen je nach Einzelfall auch eine höhere Vertragsstrafe vereinbart werden kann.

Der Autor Dr. Stefan Schwab ist Associated Partner der Rechtsanwaltskanzlei Noerr LLP in Berlin. Die Autorin Sophie Valentine ist als Associate ebenfalls bei Noerr LLP in Berlin tätig.

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