Smalltalk unter Juristen

Von wegen ober­fläch­lich!

von Sabine OlschnerLesedauer: 4 Minuten
Smalltalk ist weit mehr als belangloses Geplänkel. Das Plaudern zu Gesprächsbeginn ist wichtig, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Juristen tun also gut daran, Smalltalk zu beherrschen. 



Wetter, die Bahnverspätung, Fußballergebnisse – über was man beim ersten Kontakt mit einer fremden Person spricht, ist zweitrangig. Was zählt, ist das gegenseitige erste Beschnuppern. Um das Gegenüber einschätzen zu können und sich einen ersten Eindruck zu verschaffen, braucht es meist nur wenige Sekunden. Ein paar Sätze über dies und das helfen, den anderen schon ein klein wenig besser kennenzulernen: Ist er oder sie verschüchtert? Stellt er viele Fragen? Antwortet sie langatmig oder auf den Punkt? Kann er dem anderen beim Sprechen in die Augen sehen? Weicht sie Fragen aus?

"Beim Smalltalk geht es mehr um die Beziehungsebene als um die Sachebene", erklärt Dr. Annette Kessler, Kommunikationsexpertin mit der Firma Culture Talk. "Man will sich persönlich näherkommen. Das gehört bei jedem Beruf, bei dem man mit Menschen zu tun hat, dazu." Ob im Bewerbungsgespräch, beim Kontakt zum Mandanten oder bei Treffen mit Kollegen aus anderen Kanzleien: Wer die Kunst des Smalltalks beherrscht, findet schneller eine gemeinsame Ebene für die Zusammenarbeit.

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Eine Frage der inneren Haltung

Nicht jedem fällt das "kleine Gespräch" mit Unbekannten leicht – vor allem, wenn er oder sie noch ungeübt ist. Torsten Schneider, Personalleiter der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft, beobachtet seit vielen Jahren, wie sich Bewerber beim ersten Treffen verhalten. "Meistens stelle ich ein paar Eisbrecherfragen als Einladung zum Smalltalk, auf die die jungen Juristen sicher und selbstbewusst eingehen", so seine Erfahrung. "Unsicherheit ist eher bei ersten Treffen mit Mandanten oder auf Veranstaltungen zu beobachten. Jüngere Kollegen fühlen sich hier häufiger noch gehemmt und verkrampfen, weil sie womöglich das Gefühl haben, noch nicht auf Augenhöhe mit den anderen zu sein."

Doch das ist für ihn kein Beinbruch. Schneider ist der Überzeugung, man könne Smalltalk lernen, wenn man es nur oft genug tut. "Im Grunde ist es eine Frage der inneren Haltung", glaubt der Personalleiter: locker bleiben, keine Angst haben, nicht schauspielern. Von Seminaren zum Erlernen von Smalltalk hält er nicht viel: "Es nützt nichts, eingeübte Sätze zu benutzen – das wirkt oft zu formalistisch und gekünstelt". Stattdessen, so sein Rat, sollten junge Anwälte erfahrene Kollegen beobachten und dabei herausfinden, wie diese erfolgreich Smalltalk betreiben. Nicht nur das Gesagte spielt dabei eine Rolle, sondern auch Körpersprache, Blickkontakt und vor allem Zuhören.

Türöffner für die menschliche Ebene

Dr. Natalie Daghles erinnert sich noch gut an ihre erste Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer Kanzlei. "Ich musste anfangs ein paar Hemmschwellen überwinden, bis ich locker mit Mandanten plaudern konnte", so die Anwältin, die mittlerweile seit vier Jahren in der Kanzlei Latham & Watkins arbeitet. "Als ich es ausprobiert habe, war es aber schön zu merken, dass Smalltalk wirklich als Türöffner für die menschliche Ebene funktioniert."

Selbst in etwas hitzigen Verhandlungspositionen können ein paar Worte Smalltalk zwischendurch helfen, um wieder auf eine neutrale Ebene zurückzukehren, so ihre Erfahrung. Für die Anwältin ist es besonders wichtig, authentisch zu bleiben. "Für Fußball interessiere ich mich nun mal nicht besonders, dafür finde ich politische und gesellschaftliche Themen interessanter. Hier fühle ich mich einfach wohler." Am einfachsten sei es, sagt Natalie Daghles, wenn sie bemerke, dass sie mit dem Gegenüber Gemeinsamkeiten habe: einen Ort, der beide verbindet, ähnliche Interessen oder der Familienstand.

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2/2: Die Kür: qualifizierter Smalltalk

Christoph Legerlotz, Geschäftsführer der Kanzlei LLR Legerlotz Laschet und Partner, ist ein erfahrener Arbeitsrechtsanwalt und betreibt am liebsten qualifizierten Smalltalk: Er fragt Mandanten nach der Stimmung im Unternehmen oder was sie aktuell beschäftigt. "Die Smalltalk-Themen hängen natürlich oft von der Dauer des Mandats ab – wenn man sich schon kennt, kann man andere Themen wählen als beim ersten Treffen. Es geht allerdings immer darum, sich für den anderen zu interessieren", betont Legerlotz.

Im Arbeitsrecht ist es seiner Ansicht nach wichtiger, in Smalltalk fit zu sein als in manch anderen Rechtsgebieten, in denen man weniger mit Menschen zu tun hat. "Oft haben Mandanten beim ersten Treffen ein bisschen Sorge, weil sie sich offenbaren müssen, daher müssen wir als Anwälte eine angenehme Atmosphäre schaffen, in der ihnen das gelingt." Auch er rät jungen Juristen, möglichst häufig mit verschiedenen Anwälten mitzugehen und sie zu beobachten – dann aber ihren eigenen Stil und Themen zu finden, mit denen sie sich wohlfühlen. "Es geht nicht darum, allzu persönlich zu werden, aber man sollte schon kontrolliert etwas von sich preisgeben. Das schafft Vertrauen."

Ausgewogene Sprechanteile

Freundlich, offen und neugierig sein sowie Respekt gegenüber dem anderen zeigen: Das sind laut Kommunikationsexpertin Annette Kessler die Geheimnisse eines guten Smalltalks. Humor komme immer gut an – keine Witze auf Kosten anderer, sondern lieber Selbstironie. Frage- und Sprechanteile sollten ausgewogen sein. "Man sollte interessierte, offene Fragen stellen, aber dem anderen nicht das Gefühl geben, ihn auszufragen. Man sollte von sich selber erzählen, aber nicht in einen langen Monolog verfallen. Die Balance ist wichtig." Wie lange Smalltalk betrieben werden sollte, ist abhängig von der Situation: Im Aufzug kann er ein paar Minuten dauern, bei einem formellen Dinner auch den ganzen Abend – die Vertragsverhandlungen finden dann erst am nächsten Tag statt.

Ist Smalltalk nur eine Einleitung für ein fachliches Gespräch, rät Personalleiter Torsten Schneider, auf Stichworte zu achten und auch von selbst den Faden aufzunehmen: "Sie sprachen gerade von den Herausforderungen. Das ist doch ein gutes Stichwort um in den inhaltlichen Teil einzusteigen? Was meinen Sie?" Meist ist dann auch das Gegenüber froh, dass der andere den Bogen vom Unverbindlichen ins Wesentliche schlägt und man gemeinsam mit dem eigentlichen Teil des Gesprächs beginnen kann.

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