Schlagfertigkeit im Beruf

Immer die pas­sende Ant­wort parat

von Sabine OlschnerLesedauer: 4 Minuten

Auf verbale Angriffe spontan zu reagieren, fällt vielen schwer. Meist fällt den Menschen erst viel später eine geistreiche Entgegnung ein. Doch gerade Anwälte sollten lernen, schlagfertig zu sein – nicht nur für den Auftritt vor Gericht.

"Ihre hellen Anzüge sehen aus, als wären sie von einem Schneider aus Panama", sagte ein Kollege – und Dr. Gordon von Bardeleben antwortete: "Das ist doch besser, als immer nur herumzulaufen wie ein Bestatter." Der Anwalt hatte auf die Bemerkung eines Kollegen zu seinem Kleiderstil direkt die passende Antwort parat. "Schlagfertigkeit kann in vielen Situationen hilfreich sein", ist der Rechtsanwalt aus der Kanzlei Wolter Hoppenberg in Hamm überzeugt. "Man muss natürlich immer aufpassen, wen man dabei vor sich hat." Einem Anwalt vor Gericht, der den Mandanten des Gegners angeht, begegnet man sicherlich anders als einem Kollegen, der einen Scherz macht. "Schlagfertigkeit kann eine Situation auflockern, die Atmosphäre aber auch verschärfen", glaubt von Bardeleben. 

Schlagfertig zu sein, wünschen sich viele. Aber was genau ist das eigentlich? Wladislaw Jachtchenko, Leiter der Argumentorik-Akademie in München, kennt die Antwort: "Schlagfertigkeit ist die Fähigkeit, innerhalb von Sekunden auf etwas Unerwartetes mit einer treffenden Antwort zu reagieren."  

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Rückfrage, Spiegel oder Ironie 

Am schwierigsten ist dies bei verbalen Attacken, weil uns dann meist erst einmal vor Überraschung die Sprache wegbleibt. Wladislaw Jachtchenko trainiert mit seinen Schulungsteilnehmern verschiedene Techniken, mit denen sie spontan auf solche Angriffe reagieren können – egal, ob sich jemand im Ton vergreift, übergriffig wird oder ständig stichelt. "Für Einsteiger eignet sich erst einmal die Rückfragetechnik", sagt der Trainer. Mit einer Frage wie "Was wollen Sie mir damit sagen?" gewinnt man etwas Zeit und setzt den anderen unter Druck, seine Aussage zu erklären.  

"Für die Spiegeltechnik muss man schon etwas mutiger sein", führt Jachtchenko weiter aus. Mit Aussagen wie "Merken Sie eigentlich, dass Sie mich jetzt schon dreimal unterbrochen haben?" wird dem anderen wie in einem Spiegel sein Verhalten aufgezeigt. Profis können es auch mit Ironie versuchen. "In einer Angriffssituation eine witzige Antwort zu geben, muss man aber wirklich üben", betont der Schlagfertigkeitsexperte.  

Als Volljurist coacht Wladislaw Jachtchenko häufig auch Anwälte, die gut reagieren wollen, etwa wenn der Gegner vor Gericht laut wird, um die Gegenpartei einzuschüchtern, wenn jemand respektlos auftritt oder auch die persönliche Distanz nicht wahrt. Dazu begleitet er seine Klienten hin und wieder zu Gerichtsverhandlungen, um zu schauen, wie sie dort auftreten. "Auch wenn die meisten Anwälte auf Sachebene juristisch kämpfen wollen, brauchen sie sich nicht alles gefallen zu lassen", betont der Trainer. "Sie sollten auf jeden Fall auf persönliche Angriffe reagieren, um nicht schwach zu wirken – in den Augen der Richter, der Mandanten und der gegnerischen Partei."  

Botschaft an das Gegenüber 

Auch der Kommunikationsstratege Dr. Karsten Bredemeier zählt Juristen und juristische Abteilungen in Konzernen zu seinen Klienten. "Viele meiner Klienten wollen schlagfertig sein, um sich als Person zu positionieren", so seine Erfahrung. Dabei sollte man es jedoch nicht übertreiben: "Witzigkeit und Zynismus kommen bei Richtern in der Regel nicht gut an."  

Schlagfertigkeit sollte seiner Ansicht nach immer eine Zielsetzung haben, also etwa eine Botschaft an das Gegenüber, sich beispielsweise etwas mehr zurückzuhalten oder Grenzen einzuhalten. „Als generelle Gesprächsmethode empfehle ich Schlagfertigkeit eher nicht – das wirkt immer ein bisschen so wie ein erhobener Zeigefinger.  

Stattdessen empfiehlt sich, diese als Gesprächsführungstaktik zu nutzen. "Schlagfertigkeit ist auf jeden Fall – im Gegensatz zu Wortwitz oder Bauernschläue – nicht angeboren", meint Bredemeier. Die Techniken und Methoden dafür könne jeder lernen. "Wir sind es gewohnt, auf Fragen inhaltlich zu antworten. Das müssen wir uns bei Angriffen abgewöhnen." Ein Beispiel: Statt auf die Frage: "Wie alt sind Sie eigentlich?" mit einer Zahl zu antworten, ist eine situationsbezogene Replik manchmal sinnvoller: "Mein Alter ist irrelevant. Entscheidend ist meine fachliche Expertise in dieser Thematik."  

Situation mit wenigen Worten entspannen 

Eine Situation, in der Schlagfertigkeit auch helfen kann, ist das Präsentieren vor einer Gruppe von Personen. Anwalt Gordon von Bardeleben erinnert sich daran, wie er einmal eine Präsentation hielt, bei der sich ein Zahlenfehler auf den Folien eingeschlichen hatte. Dies fiel einem der Zuhörer auf. "Judex non calculat", war seine humorvolle Reaktion. "Jetzt wissen Sie, warum ich Jurist geworden bin und kein Ingenieur."  

Seiner Ansicht nach sollte durch Schlagfertigkeit niemand ernsthaft zu Schaden kommen – weder der Reagierende selbst noch sein Gegenüber. "Anfangs ist man sicherlich noch nervös und traut sich nicht, einfallsreich zu reagieren", so von Bardelebens Erfahrung. "Aber je häufiger wir die Öffentlichkeit suchen – sei es vor Gericht, bei Vorträgen oder bei Treffen mit Kollegen – umso größer ist der Lernprozess."  

Irgendwann werfen verbale Angriffe einen erfahrenen Juristen nicht mehr aus der Bahn. Er oder sie lernt, dem anderen Grenzen aufzuzeigen oder eine angespannte Situation mit ein paar Worten zu entspannen. Und das ist auch gut so. Denn, so Wladislaw Jachtchenko: "Wer sich nicht wehren kann, wird auch in Zukunft immer wieder ein Opfer von verbalen Attacken sein."

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