Wächter des Verfahrens, der Kosten und der Akten
Durch die Pensionierungswelle droht ein massiver Personalmangel in der Justiz. Das betrifft nicht nur Richter und Staatsanwälte, sondern auch Beschäftigte in den Geschäftsstellen. Jedes Bundesland hat seine eigenen Justizverwaltungen und muss dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Einerseits geht es um politische Entscheidungen, um die Ausbildungen und die Berufe attraktiver zu machen. Andererseits muss die Wahrnehmung der Berufe auch verstärkt werden, etwa durch gezielte Werbung.
Nicole Wichmann, Justizfachangestellte in Hessen, berichtet auf ihrem LinkedIn-Account über ihren Berufsalltag. Sie sieht sich als "Sprachrohr" und setzt sich dafür ein, "die Bedeutung der Berufsgruppen sichtbarer zu machen und die gesellschaftliche Anerkennung zu stärken." Ihre Berufsgruppe sei "Teil einer der wichtigsten tragenden Säulen des demokratischen Rechtsstaats", sagt sie.
Neben den allgemeinen Bürotätigkeiten auf den verschiedenen Geschäftsstellen der Gerichte oder Staatsanwaltschaften, werden Justizbeschäftigte auch als Protokollführer in Verhandlungen oder als Kostenbeamte eingesetzt.
Während die Verwaltungsabläufe fast vollständig aus der Hand der Justizbeschäftigten gesteuert werden, obliegt die Beurteilung komplexerer Sachverhalte den Volljuristen. Deshalb besteht enger Kontakt zu den Richtern, Rechtspflegern und ggf. Staatsanwälten. Hier erfolgt jedoch fast überall ein Austausch auf Augenhöhe, wie Mike Bunjes, Justizfachwirt in Niedersachen, ausführt. "Trotz der unterschiedlichen Laufbahnen, in denen die einzelnen Beteiligten arbeiten, entsteht durch gemeinsame Arbeit ein Team mit dem gleichen Ziel", sagt Bunjes.
Wichmann stellt gerne den Vergleich mit einem Uhrwerk an: "Es funktioniert nur durch das Zusammenspiel aller Berufsgruppen – vom einfachen Dienst bis zum höheren Dienst. Jeder Beruf hat seine Spezifikation und ist wie ein Zahnrad im Uhrwerk: Jedes davon wird benötigt, damit das System reibungslos funktioniert.
Ausbildung in der Justizverwaltung
In Deutschland kann man sowohl eine duale Ausbildung zu Justizfachangestellten als auch zu Justizfachwirten machen. Diese Ausbildungen sind – obwohl es inhaltliche Überschneidungen gibt – völlig unabhängig voneinander. Insbesondere bauen sie nicht aufeinander auf.
Inhaltlich wird in beiden Ausbildungen fallbezogene Rechtsanwendung, beispielsweise auf dem Gebiet des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts oder in einem zivilrechtlichen Bereich, etwa der Zwangsvollstreckung, gelehrt. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Kosten- und Entschädigungsrecht, aber auch die Vermittlung von Kommunikations- und Kooperationsgrundsätzen.
Gerade wegen der vergleichbaren Ausbildungen können nahezu alle Stellen sowohl durch Justizfachwirte als auch durch Justizfachangestellte besetzt werden. Der größte Unterschied mag in der rechtlichen Stellung liegen: Justizfachangestellte sind tarifangestellt und Justizfachwirte werden verbeamtet.
Dieser Unterschied wirkt sich auch auf das Gehalt aus. Nach der Ausbildung verdient ein Justizfachangestellter, ledig und ohne Kinder, etwa in Hessen circa 3.325,00 Euro brutto, was nach Steuerabzügen in Klasse I circa 2.188,00 Euro netto ergibt. Der verbeamtete Justizfachwirt, ebenfalls ledig und ohne Kinder, wird in Hessen nach Besoldungsgruppe A 6 vergütet, dessen Einstiegsgehalt circa 2.811,00 Euro umfasst. Davon sind noch Krankenkassenbeiträge abzuziehen, weshalb nach der Ausbildung etwa 2.392,00 Euro zur Verfügung stehen.
Die Entscheidung, welche Ausbildung man absolviert, hängt aufgrund der inhaltlichen Überschneidungen ganz besonders von anderen Entscheidungsmotiven ab; etwa, ob man eine Beamtenlaufbahn anstrebt.
Als Urkundsbeamte in Gerichtsverhandlungen
Neben personalrechtlichen oder organisatorischen Aufgaben ist auch der Einsatz als Urkundsbeamte oder Protokollführer in Gerichtsverhandlungen möglich. Dass der Protokollführer hier als Teil des Gerichts tätig wird, ist auch nach außen wahrnehmbar: Er trägt eine eigene Robe, die sich zwar durch unterschiedliche Materialien von der des Richters unterscheidet, aber ebenfalls die Unabhängigkeit kenntlich machen soll.
Ist einer der Prozessbeteiligten mit der gerichtlichen Entscheidung unzufrieden, kann dieser dem Protokollführer erneut begegnen. Denn eine weitere Aufgabe der Justizfachangestellten/Justizfachwirten ist es, Erklärungen zu Protokoll entgegenzunehmen. In der Praxis ist das meist die Einlegung eines Rechtsmittels.
Aber nicht nur für diese förmlichen Erklärungen sind Justizfachangestellte oft die erste Anlaufstelle für die betroffenen Bürger. Häufig beantworten sie auch prozessuale Fragen etwa zu den Zuständigkeiten oder zum allgemeinen Verfahrensablauf, erklärt Wichmann. Oder sie erläutern Fachbegriffe – teilweise auch in englischer Sprache.
Letzter prüfender Blick vor der Vollstreckung
Justizfachwirt Bunjes wirkt in der Abteilung für Mobiliarvollstreckung mit. Dort ist er unter anderem für die zentrale Eingangsstelle sowie das Ausfertigen und Versenden von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen, Erzwingungshaftbefehlen zur Abgabe der Vermögensauskunft und Durchsuchungsanordnungen zuständig.
Sein Beitrag stellt dabei häufig den letzten Schritt eines Verfahrens(-abschnitts) dar – den letzten prüfenden Blick, bevor ein vollstreckbarer Titel in der Welt ist. Nicht zuletzt wegen der erheblichen Folgen sind eine sorgfältige Bearbeitung und eine umfassende Berücksichtigung des gesamten Verfahrens unabdingbar.
Als Kostenbeamter mit Zahlen jonglieren
Nach der Ausbildung ist alternativ der Weg zum Kostenbeamten eröffnet. Dieser überprüft, welche Verfahrenskosten von welcher Partei zu tragen sind. Regelmäßig tritt die Staatskasse in Vorleistung, beispielsweise für Sachverständigentätigkeiten in Ermittlungsverfahren oder für die Vergütung eines Pflichtverteidigers. Nach Abschluss des Verfahrens bittet der Kostenbeamte dann den richtigen Schuldner zur Kasse.
Nicht immer sind die festgesetzten Kosten für den Bürger nachvollziehbar – vor allem, wenn es etwa um die Bildung nachträglicher Gesamtstrafen gemäß §§ 460 StPO, 55 StGB geht. Wenn bereits verhängte Geldstrafen nachträglich zu einer einheitlichen Gesamtgeldstrafe zusammengefasst werden, müssen die Kostenrechnungen angepasst werden. Der Kostenbeamte berechnet und erstellt die Rechnung auf Grundlage eines gerichtlichen Beschlusses neu. Bereits geleistete Zahlungen – auch diejenigen des einbezogenen Verfahrens – werden dabei angerechnet. Die bereits in der Vollstreckung befindlichen Kostenrechnungen werden teilweise abgeändert, zusammengefasst und neu eingegeben. Das muss der Kostenbeamte dann den Verurteilten erklären.
Der Einsatz als Kostenbeamter einer Geschäftsstelle ist daher zwar nicht zwingend ein Indikator für die Verbeamtung, aber mit Sicherheit für hervorragende Kenntnisse im Kostenrecht. Daneben erfordert die Tätigkeit Genauigkeit sowie ein gutes Zahlenverständnis, wie Rainer Botzet, Kostenbeamter einer Staatsanwaltschaft, erklärt.
"Menschenkenntnis, Stressresistenz und Gespür, Sachverhalte einfach zu besprechen"
Mitarbeitende in der Justiz müssen außerdem gut darin sein, komplexe Zusammenhänge allgemeinverständlich zu erklären, bestätigt auch Bunjes. Die Person ihm gegenüber habe selten Kenntnisse von behördeninternen Verfahrensabläufen und Aufgabenteilungen und schaue regelmäßig mit einem vorurteilsbehafteten Blick auf die Justiz. Dem versucht Bunjes mit "Menschenkenntnis, Stressresistenz sowie einem Gespür dafür, Sachverhalte möglichst einfach und lösungsorientiert zu besprechen", zu begegnen.
Diese Bürgernähe bedeutet für Wichmann, "sich – wenn es der Arbeitsalltag zulässt – Zeit für die Anliegen der Menschen zu nehmen". "Ich schätze es selbst, wenn Anliegen zügig bearbeitet werden, und möchte daher junge Berufstätige ermutigen, sich die Zeit für Verfahrensbeteiligte zu nehmen – sei es telefonisch oder persönlich", so Wichmann.
Den "typischen" Arbeitsalltag gibt es nicht
Das Bild des "typischen" Arbeitsalltags eines Justizfachangestellten / Justizfachwirts lässt sich nicht zeichnen – zu groß sind die bereichsspezifischen Unterschiede und verfahrenstypischen Besonderheiten. Wichmann erklärt, dass es trotzdem Aufgaben gibt, die routinemäßig anfallen –etwa die Bearbeitung von Post, die Berechnung und Überwachung der Fristen oder auch die Bearbeitung und Verwaltung von Akten.
Trotz, oder gerade wegen der vielen Verantwortlichkeiten, die einen Justizfachwirt, eine Justizfachangestellte treffen, ist ein Engagement ganz nach eigenen persönlichen Präferenzen möglich. So verfolgt Bunjes beispielsweise das Ziel, Arbeitsabläufe durch technische Unterstützung zu optimieren. Er setzt sich daher besonders für das Projekt "elektronische Justiz Niedersachsen" ein und wirkt in gemeinsamer Zusammenarbeit mit Richtern, Fachwirten und Angestellten auf die Verbesserung digitaler Programme hin.
Dieses eigenverantwortliche Arbeiten und das Gefühl, eine für den Rechtsstaat wichtige Aufgabe zu übernehmen, kann diese Berufe attraktiv machen.
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2025 M04 19
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