Arbeit bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit

"Bewerber sollten stress­re­sis­tent sein"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 7 Minuten

Seit Januar ist Ramona Schardt Generalsekretärin der DIS. Im Interview erzählt sie, wie sie dabei von ihren früheren Jobs als Anwältin und Inhouse-Juristin profitiert – und welche Aufgaben Juristen bei der DIS haben.

LTO: Frau Dr. Schardt, was macht die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) grundsätzlich?

Dr. Ramona Schardt: Die DIS ist die zentrale Institution für außergerichtliche Streitbeilegung in Deutschland. Wir administrieren Schiedsverfahren für Unternehmen jeder Größe in allen Wirtschaftszweigen. Die Schiedsgerichtsbarkeit ist ein weltweit anerkannter, effizienter Streitbeilegungsmechanismus als Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit. Die Entscheidungen können weltweit vollstreckt werden und die Parteien können die Besetzung der Spruchkörper und die Gestaltung des Verfahrens selbst beeinflussen.

Daneben bieten wir andere Alternative Dispute Resolution (ADR) Verfahren an, darunter Mediation, Schlichtung und Gutachterverfahren.

Die DIS ist ein eingetragener Verein mit über 1.500 Mitgliedern. Ihr Satzungszweck ist die Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit. Wir sitzen in Berlin und Bonn und arbeiten unabhängig von staatlichen oder privaten Organisationen.

Derzeit plant das Bundesjustizministerium die erste Reform des Schiedsverfahrensrechts seit 25 Jahren. Wie steht die DIS dazu?

Wir begrüßen die Bestrebungen des Gesetzgebers, die Leistungsfähigkeit und Attraktivität des Schiedsstandortes Deutschland zu stärken und das Schiedsrecht zu modernisieren. Die DIS unterstützt alles, was die Schiedsgerichtsbarkeit und den Schiedsstandort Deutschland fördert. Wir hoffen natürlich, dass durch die Reform die Aufmerksamkeit stärker auf den Schiedsstandort Deutschland und damit auch auf die DIS gelenkt wird und sich noch mehr ausländische Parteien für eine Streitbeilegung in Deutschland nach den Regeln der DIS entscheiden. Derzeit sind an 40 Prozent unserer Verfahren ausländische Parteien beteiligt.

Um was für Streitfälle geht es vor den Schiedsgerichten?

Vor den Schiedsgerichten werden überwiegend Streitigkeiten zwischen Unternehmen mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten ausgetragen. Wir administrieren insbesondere Verfahren im Gesellschafts- und allgemeinen Handelsrecht, die Palette reicht von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Einkaufs- und Lieferverträgen bis hin zu Streitigkeiten beim Bau von Turbinen oder Windkraftanlagen. Die Branchen sind ebenfalls bunt gemischt, zum Beispiel der Bereich der Energieversorgung bis hin zur Immobilienwirtschaft.

Außerdem ist das deutsche Sportschiedsgericht seit 2008 bei der DIS angesiedelt. Die DIS Sportschiedsgerichtsordnung ist speziell zur Beilegung von Streitigkeiten im Sport entwickelt worden, insbesondere Doping-Vergehen und Streitigkeiten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, Lizenz- und Sponsoringverträgen und Transferstreitigkeiten.

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"Chance, die man nicht häufig im Leben bekommt"

Sie waren 13 Jahre als Inhouse-Juristin bei Siemens und Siemens Energy tätig. Zuletzt haben Sie als Division Litigation Counsel die Praxisgruppen Litigation und ESG geleitet. Wieso haben Sie sich für einen Wechsel zur DIS entschieden?

Ich hatte einen tollen Job mit großartigen Kollegen bei Siemens und war zuständig für die weltweiten Schiedsverfahren und Gerichtsverfahren der Division Transmission von Siemens Energy. Aber die Möglichkeit, die Zukunft der DIS und der Schiedsgerichtsbarkeit und Streitbeilegung in Deutschland aktiv mitzugestalten, hat mich gereizt. Ich hatte Lust, etwas Neues auszuprobieren und andere Perspektiven einzunehmen. Manchmal muss man einfach machen. Eine solche Chance bekommt man nicht häufig im Leben.

Zudem bin ich ein sehr kommunikativer Mensch und gerne in Gesellschaft – das beinhaltet diese Position auch: Menschen zu einen, zu vernetzen und zu motivieren. Mein Bauchgefühl hat mir gesagt, dass ich es machen soll – und bereut habe ich die Entscheidung bislang nicht. Es macht Spaß, an der Spitze der DIS zu stehen und zu ihrem Erfolg beizutragen.

Welche Aufgaben haben Sie bei der DIS?

Mein Aufgabengebiet ist sehr vielseitig. Ich leite die Geschäftsstelle, trage also die unternehmerische Gesamtverantwortung, insbesondere für die Administrierung der Verfahren und die Weiterentwicklung der DIS. Ich führe ein Team von 20 Mitarbeitenden und verantworte neben dem Casemanagement die Bereiche HR, IT, Datenschutz, Compliance, Finance und Öffentlichkeitsarbeit. Mein Job ist es auch, die DIS nach außen gegenüber den Mitgliedern, Nutzern der Schiedsgerichtsbarkeit, der Politik und den Medien zu repräsentieren.

"Hier kann ich Entscheidungen sofort umsetzen"

Vor Ihrer Zeit bei Siemens waren Sie über fünf Jahre als Anwältin in einer Großkanzlei tätig. Was unterscheidet die Arbeit in einer Großkanzlei von der in einem Unternehmen?

Anwälte in Großkanzleien werden von verschiedenen Unternehmen beauftragt, sie haben dadurch auch Einblicke in die Unternehmen, deren interne Prozesse und Mitarbeiter. Das war eine spannende Zeit, in der ich viele Mandanten beraten und in Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten vertreten habe. Ich wollte dann aber die Seiten wechseln und die Interessenlage sowie die Bedürfnisse eines Unternehmens noch besser verstehen.

Bei Siemens habe ich globale Verhandlungen geführt sowie Schieds- und Gerichtsverfahren mit großer finanzieller und strategischer Bedeutung betreut. Ich leitete konzernweite Großprojekte zur Durchsetzung und zur Abwehr von Ansprüchen. Dazu gehörte auch, komplexe Sachverhalte intern aufzuklären, potenzielle Zeugen zu vernehmen, entscheidungsrelevante Dokumente konzernweit zusammengetragen und Rückstellungen zu bilden. Durch die kontinuierliche Arbeit für Siemens hatte ich einen tieferen Einblick in die Unternehmensstrategie, die Unternehmenskultur und die internen Abläufe. 

Wie ist es bei der DIS?

Jetzt habe ich eine andere Aufgabenvielfalt und eine andere Verantwortung. Hier sind auch nochmal andere als juristische Qualitäten gefragt: Natürlich muss ich vor allem im Schiedsverfahrensrecht sowie im Arbeits- und Vereinsrecht fit sein. Jetzt geht es aber auch um Führungsqualitäten, Zeitmanagement- und Innovationsfähigkeit. Zudem braucht man ein gutes Verständnis für Budgetierung, Kostenkontrolle und Risikomanagement.

Ich mag es, dass ich Dinge sofort umsetzen kann und nicht – wie im Konzern – viele Gremien durchlaufen muss, sondern schnell Entscheidungen herbeiführen und umsetzen kann. Und natürlich habe ich jetzt auch eine andere Sichtbarkeit, auch das muss man mögen.

Inwiefern helfen Ihnen Ihre vorherigen Erfahrungen jetzt?

Bei Freshfields und Siemens habe ich viele komplexe Schiedsverfahren geführt und mir ein großes Netzwerk aufgebaut. Das hilft mir insbesondere bei der Umsetzung der Projekte, wo ich auch auf die Mitglieder als Multiplikatoren zurückgreife. Durch meine Tätigkeit bei Siemens kenne ich die Bedürfnisse und die Anforderungen von Unternehmen an die Konfliktlösung und die Streitbeilegung gut. Sie wollen effizient geführte Schiedsverfahren, kompetente und konfliktfreie Schiedsrichter sowie einen vollstreckbaren Schiedsspruch. 

Die Bedürfnisse der Unternehmen setzen jedoch häufig schon früher an. Unternehmen wollen in der Regel möglichst effizient und kostensparend Streitigkeiten frühzeitig beilegen, denn Schiedsverfahren kosten Geld, binden Ressourcen und bringen das Unternehmen an sich nicht voran. Deshalb ist es für Unternehmen auch wichtig, dass Institutionen wie die DIS auch andere Streitbeilegungsmethoden anbieten. Insgesamt sind die mittlerweile 20 Jahre Berufserfahrung im Schiedsverfahrensrecht in jeder Hinsicht sehr hilfreich. Ich kann aus Erfahrung handeln, nicht aus angelesenem Wissen.

"Die DIS administriert derzeit circa 270 Fälle"

Wer arbeitet denn ansonsten bei der DIS?

Insgesamt 20 Personen arbeiten bei der DIS, das Herzstück ist aber das Case-Management-Team, das die Schiedsverfahren administriert. Es besteht aus zehn Personen: Fünf Counsel, also Volljuristen, und fünf Caseadministratoren, die einen anderen universitären Abschluss haben, zum Beispiel als Politikwissenschaftler oder Sozialwissenschaftler. Gerade haben wir eine Rechtsanwaltsfachangestellte als Caseadministratorin eingestellt. Daneben gibt es noch Assistenten, einen Buchhalter, einen IT- sowie einen Public-Relation-Spezialisten.

Welche Aufgaben haben die Counsel?

Die DIS administriert momentan circa 270 Fälle, die Counsel betreuen also im Schnitt jeweils 54 Verfahren eigenverantwortlich vom Anfang bis zum Ende. Für ein Verfahren ist immer ein Team aus einem Counsel und einem Caseadministrator zuständig. Die Arbeit der Counsel ist abwechslungsreich, anspruchsvoll und international. Sie unterstützen die Parteien und die Schiedsrichter bei der effizienten Führung des Schiedsverfahrens, sie korrespondieren mit Parteien und Schiedsrichtern, bereiten die Bestellung von Schiedsrichtern vor und sichten Schiedssprüche. Sie sind nah dran am Geschehen.

Zudem unterstützen die Counsel bei diversen Projekten zur Förderung der Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland und repräsentieren die DIS als Botschafter auf verschiedenen Veranstaltungen.

"Moot Courts sind für diese Arbeit eine gute Übung"

Was erwarten Sie denn von Bewerbern? Zumindest in der Uni hat man ja eher weniger mit Schiedsverfahren zu tun.

Das stimmt, aber wir erwarten zumindest ein gewisses Interesse für die Konfliktlösung und Schiedsgerichtsbarkeit. Viele Universitäten bieten Moot Courts an, also simulierte Gerichtsverhandlungen, bei denen Studierende in Teams auf nationaler und – die erfolgreichen Teams – internationaler Ebene im Wettbewerb gegeneinander verhandeln. Das ist eine gute Übung, dadurch kommt man mit der Schiedsgerichtsbarkeit in Berührung und begeistert sich im besten Fall dafür. Eine zwingende Voraussetzung ist die Teilnahme an einem Moot Court aber natürlich nicht.

Außerdem sollten Bewerber dienstleistungs- und serviceorientiert sein, denn die DIS ist eine Institution, die einen Service anbietet – die Administration von Schiedsverfahren. Zudem sollte man ausgeprägte Kommunikations- und Organisationsfähigkeiten haben und auch stressresistent sein, wenn das Telefon mal permanent klingelt oder ständig neue Anfragen per E-Mails eingehen.

Welche Möglichkeiten gibt es für Praktikanten und Referendare?

Wir suchen jederzeit und haben regelmäßig Praktikanten und Referendare, sowohl in Berlin als auch in Bonn. Bei der DIS kann man auch die Wahlstation im Referendariat absolvieren. Wir beschäftigen auch studentische Hilfskräfte und wissenschaftliche Mitarbeiter.

Was haben Sie mit der DIS noch vor?

Mein oberstes Ziel ist es, die Rolle der DIS als führende deutsche außergerichtliche Streitbeilegungseinrichtung weiter auszubauen und sie als Dienstleister noch besser und attraktiver zu machen – sowohl im Inland als auch im Ausland. Der Fokus liegt auf den Unternehmen, denn sie entscheiden sich für die Schiedsgerichtsbarkeit – oder eben nicht. Ich möchte mich darauf konzentrieren, den Service der DIS noch nutzerfreundlicher zu machen und unsere Regeln noch besser den Interessen unserer Nutzer anzupassen. Ein Schiedsverfahren ist immer Ultima Ratio. Mein Ziel ist es daher, auch andere Formen der alternativen Streitbeilegung zu stärken, also etwa die Schlichtung und Mediation. Wir werden Unternehmen noch intensiver darüber informieren und in ihrem Konfliktmanagement unterstützen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Ramona Schardt ist seit Januar 2023 Generalsekretärin bei der DIS. Zuvor war sie 13 Jahre lang bei Siemens tätig, zuletzt hat sie als Division Litigation Counsel die Praxisgruppen Litigation und ESG geleitet. Von 2003 bis 2009 war sie Anwältin bei Freshfields.

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