Berufsperspektiven ohne juristisches Staatsexamen

Wie ein Friseur mit Haarspray-Allergie

Anna K. BernzenLesedauer: 4 Minuten
Im ersten beträgt sie noch 30 Prozent, im zweiten liegt sie nur noch bei einem Zehntel: die Durchfallquote im juristischen Staatsexamen. Auch wenn es mit der Anwaltszulassung nichts mehr wird, haben Diplom-Juristen gute Berufschancen. Öffentlicher Dienst, Rechtsabteilung, Masterstudium: Anna K. Bernzen zeigt, was auf den verpatzten dritten Versuch folgen kann.

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Der Friseur mit Haarspray-Allergie, der Bauarbeiter mit Bandscheibenvorfall, der Jurist ohne zweites Staatsexamen. Sie alle haben im Arbeitsamt-Jargon eines gemeinsam: ein Vermittlungshemmnis. Aus dem Behördendeutsch übersetzt, bedeutet das: Keiner von ihnen kann mehr in seinem ursprünglich erlernten Beruf arbeiten. Für Juristen besonders nach einem vier- bis fünfjährigen Studium, mit einem bestandenen ersten Staatsexamen und zwei Jahren Referendarszeit frustrierend. Entsprechend groß war bei Maximilian Strunk [Name von der Redaktion geändert] die Sorge am Abend vor dem dritten Durchlauf des zweiten Staatsexamens. "Weil mir die Klausurpraxis fehlte, hatte ich beim ersten Mal zu wenige Prüfungen bestanden. Im zweiten Versuch fehlten dann die materiell-rechtlichen Kenntnisse", erzählt er. Dabei war es für den 31-Jährigen bis dahin so gut gelaufen: Im Studium war er nach acht Semestern scheinfrei, das erste Examen bestand er sofort, auch das Referendariat machte ihm Spaß. "Eigentlich bin ich mit einem guten Gefühl in die Prüfungen gegangen." Das schwand rasch, als die Ergebnisse der Prüfungen zurückkamen. Nach dem zweiten Versuch hielt er daher vorsichtshalber schon einmal Ausschau nach einem Beruf für Juristen mit dem ersten Staatsexamen, für so genannte Diplom-Juristen. "Ich hatte mich schließlich darauf eingestellt, dass es im dritten Anlauf vielleicht auch nichts werden würde", sagt Maximilian Strunk. Im öffentlichen Dienst, beim Jobcenter der Agentur für Arbeit und im Kulturmanagement bewarb er sich. Eine Antwort, weder positiv noch negativ, bekam er nicht. Nach der Prüfungsphase beantragte er erst einmal Arbeitslosengeld I.

Gute Chancen im gehobenen öffentlichen Dienst

Dabei bewarb sich Strunk auf klassische Berufe für Juristen ohne zweites Examen. "Diese Jobs sind typischerweise häufig an der Schnittstelle zu anderen Fachgebieten angesiedelt", sagt Florian Holz. Er betreut als Arbeitsvermittler im Team für akademische Berufe der Agentur für Arbeit in Köln derzeit gut 340 Juristen. Davon haben rund zwei Prozent von ihnen das zweite Examen auch im dritten Versuch nicht bestanden. Ihnen empfiehlt er beispielsweise die Bewerbung im gehobenen öffentlichen Dienst, etwa bei einem Jobcenter. Dort sind ihre sozialrechtlichen Kenntnisse und die praktischen Erfahrungen aus dem Referendariat gefragt. "Bewerben sich etwa BWL-Absolventen und Diplom-Juristen auf eine solche Stelle, haben die Juristen meist Vorteile", so Holz. Auch in der freien Wirtschaft hätten sie gute Chancen, bei Versicherungen zum Beispiel oder als Sachbearbeiter in der Rechtsabteilung.

Manchmal muss doch noch ein Studium sein

Dennoch: Die Aufstiegsmöglichkeiten in diesen Berufsfeldern sind häufig begrenzt. Eine fachliche Weiterbildung, gepaart mit entsprechender Berufserfahrung, kann dies ändern: "Sind die Juristen bereit, den weiteren Zeitverlust in Kauf zu nehmen, stehen ihnen durchaus Aufstiegschancen offen", sagt der Holz. Viele Fachhochschulen und Universitäten bieten ein- bis zweijährige Masterstudiengänge zu einzelnen Rechtsgebieten an. Oft ist es auch möglich, den Master berufsbegleitend zu absolvieren, etwa an einer Fernuniversität. Wer es sich finanziell erlauben kann, kann den Master sogar im Ausland absolvieren und so zum Beispiel das amerikanische Recht kennenlernen. Mit einem LL.M. in der Tasche haben Diplom-Juristen auf dem Fachgebiet, auf das sie sich spezialisiert haben, in aller Regel noch ein Alleinstellungsmerkmal. Manchen der von ihm betreuten Juristen empfiehlt Florian Holz auch erst einmal, auf die gesammelte Berufserfahrung in den Wahlstationen zurückzugreifen. Ein erneutes Praktikum kann helfen. "Dabei können sie ihr Netzwerk wieder aktivieren, aktualisieren und ausbauen, sowie ergänzende praktische Erfahrung sammeln." Wer etwa beim Arbeitgeber, der einen während der Wahlstation betreut hat, oder bei einem bekannten Anwalt tätig wird, kann gezielt auf dem Rechtsgebiet Expertenkenntnisse sammeln, auf dem er später gerne arbeiten würde.

Im Notfall bleibt noch: Umorientieren

Fruchten all diese Versuche nicht, orientieren sich einige Diplom-Juristen noch einmal ganz um. An Weiterqualifizierungen in Wirtschaftswissenschaften oder praktische Erfahrungen im Bereich der PR erinnert sich Florian Holz. Für Maximilian Strunk bot das Steuerrecht, eines seiner liebsten Rechtsgebiete aus dem Studium, eine Perspektive: "Wäre es mit dem Examen nichts geworden, hätte ich mich nach einer zweijährigen Praxiszeit wohl zum Steuerberater umschulen lassen." Dieser zusätzliche Lernaufwand bleibt ihm nun erspart. Vor kurzem erhielt Strunk die Ergebnisse des dritten Examensversuchs: Er hatte bestanden. Von der Agentur für Arbeit vermittelt, besuchte er ein Existenzgründerseminar und wird nun als Sozius in die Kanzlei eines Bekannten eintreten. Die zweiwöchige Probearbeitszeit bot eine willkommene Abwechslung, denn: "Irgendwann hat man nicht mehr die Kraft, sich für das Lernen zu begeistern." Wichtig, so sagt der Arbeitsvermittler, sei trotzdem, nach der ersten Frustration über das verpatzte Examen neue Motivation zu finden. "Eigeninitiative ist in dieser Situation von großer Bedeutung", so Florian Holz. Sich etwa bei Bekannten und ehemaligen Arbeitgebern nach freien Stellen zu erkundigen, Jobbörsen im Internet zu konsultieren. Und nicht den Mut zu verlieren, schließlich sind die Diplom-Juristen in guter Gesellschaft: Auch der "Eiserne Kanzler" Otto von Bismarck und dessen entfernter Verwandter Karl-Theodor zu Guttenberg schwänzten das zweite Examen. Mit der politischen Karriere klappte es bei den beiden trotzdem. Mehr auf LTO.de: Gute Arbeitsmarktperspektiven für Juristen: So angeln Sie sich einen neuen Job Wirtschaftsjuristen vs. Volljuristen: Konkurrenz oder Kooperation? Master-Studiengänge Kriminologie: Im Hörsaal zwischen Sozialwissenschaftlern und Medizinern

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