Master-Studiengänge Kriminologie

Im Hörsaal zwischen Sozialwissenschaftlern und Medizinern

von Christian GrohganzLesedauer: 5 Minuten
Kriminologie ist den meisten lediglich als Strafrechtsgrundlagen- oder Annexstudienfach bekannt. Doch das Fach bietet auch die Möglichkeit der Spezialisierung. LTO hat zwei weiterführende kriminologische Studiengänge unter die Lupe genommen, bei denen Juristen gemeinsam mit Psychologen, Sozialarbeitern, Ärzten oder Biologen im Hörsaal sitzen.

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'Master of Laws (LL.M.) in Criminology and Criminal Justice' (Greifswald)

'Kriminologie und Strafrechtspflege' wird bereits seit dem Wintersemester 2006/2007 an der Universität Greifswald angeboten. "Der Weiterbildungsstudiengang richtet sich an Absolventen der Fachrichtungen Jura, Psychologie oder anderer sozialwissenschaftlicher Studiengänge. Voraussetzung ist ein abgeschlossenes, mindestens vierjähriges Studium mit anschließender Praxiserfahrung", erklärt Prof. Dr. Frieder Dünkel, Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie. "Durch das Programm sollen Personen angesprochen werden, die eine Spezialisierung in Praxisfeldern der Strafrechtspflege anstreben." Absolventen würden im Bereich der Jugendkriminalrechtspflege, im Strafvollzug, in der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Strafverfolgung sowie in der Jugend- und Erwachsenenstrafgerichtsbarkeit tätig werden. "Ebenso kommt als Berufsziel die kriminologisch orientierte Forschungstätigkeit bei Landeskriminalämtern, den kriminologischen Diensten im Strafvollzug der Bundesländer, bei Ministerien des Bundes und der Länder sowie bei internationalen Einrichtungen in Betracht." Das Programm vereint juristische mit kriminologischen und sozialwissenschaftlichen Veranstaltungen und kombiniert diese mit internationalen Themenfeldern wie den allgemeinen Menschrechten. Derzeit sind neun Studenten eingeschrieben - insgesamt haben seit Beginn des Studiengangs 25 Kandidaten das Programm erfolgreich absolviert.

Kürzung der Studiengebühren durch Vorleistungen

Für die Studenten fallen Kosten in Höhe von 1.500 Euro an - diese können aber durch bereits erbrachte Universitätsleistungen gekürzt werden. "Anerkannt wird alles, was im Vorstudium geleistet wurde", versichert Prof. Dünkel. "Voraussetzung ist nur, dass es mit den nach der Prüfungsordnung geforderten Leistungen vergleichbar ist." Die Scheine sollen sich mit den sogenannten ECTS-Punkten decken, welche im LL.M.-Studium erbracht werden müssen. Besonderen Wert legt die Universität auch auf das internationale Flair des Studiums. "Derzeit werden regelmäßig Dozenten ausländischer Universitäten eingeladen, um für die Studenten Vorlesungen im rechtsvergleichenden Bereich zu halten", sagt Dünkel. Darunter Professoren aus England, Russland und den USA. "Derzeit sind bei uns eine Studentin aus Russland und eine Österreicherin eingeschrieben. Insgesamt haben bereits vier ausländische Studenten ihren Abschluss gemacht - darunter Absolventen aus Paraguay und Griechenland." Mit russischen Universitäten besteht zudem eine rege Zusammenarbeit: Es erfolgt ein regelmäßiger Austausch von Dozenten und Studenten, zusätzlich werden internationale Sommerschulen in den sibirischen Städten Tomsk und Krasnojarsk abgehalten.  "Bei meiner jetzigen Stelle als Referentin bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe kann ich immer wieder auf das Erlernte meines Masterstudiengangs zurückgreifen – was mir ausgesprochen hilft", erzählt Absolventin Eva-Verena Kerwien. "Neben der Vermittlung des theoretischen Wissens waren auch die Exkursionen in die JVAs und die Teilnahme an Tagungen für meine Stelle als Referentin sehr förderlich. Dort habe ich die Vollzugspraxis kennengelernt und neue Kontakte geschlossen. So war ich bereits zu Beginn meiner neuen Tätigkeit bestens gerüstet." Für Prof. Dünkel liegen die Vorteile des Standorts Greifswald sowieso klar auf der Hand: "Die Studienbedingungen hier sind optimal. Es ist eine kleine Stadt und es herrscht enger Kontakt zu den Lehrenden. Und natürlich sind die Nähe zur Ostsee und die geringe Lebenshaltungskosten nicht zu verachten."

'Master of Criminology and Police Science' (Bochum)

An der Ruhr-Universität Bochum können sich Interessierte für den zweijährigen Masterstudiengang 'Kriminologie und Polizeiwissenschaft' einschreiben. Die ersten drei Semester sind für die Lehre vorgesehen, das Vierte dient der Anfertigung einer Masterarbeit. Neben den kriminologischen und strafrechtlichen Modulen, gehören auch nationale bzw. internationale Polizeiwissenschaften sowie Jugendstrafrecht und Soziologie zum Lehrplan. Eine Besonderheit ist das sogenannte 'Blended-Learning': Fernstudium und Präsenzphasen könne  kombiniert werden. Vorwiegend lernen die Studierenden über die virtuelle E-Learning-Studienplattform Blackboard. Hier können sich die Studierenden Studieninhalte und Materialien in Form von Präsentationen, Skripten oder Podcasts, aber auch Hilfestellungen rund um das Studium herunterladen oder sich Videomitschnitte von Vorlesungen anzusehen. Selbst wer weit entfernt wohnt, kann also das Studium an der Ruhr-Universität aufnehmen. Die Einführungswoche zum Anfang des ersten Semesters und sechs weitere einmalige Präsenzphasen müssen allerdings zwingend in Bochum absolviert werden. "In vielen Berufsfeldern ist es heute unabdingbare Voraussetzung, vertiefte und fundierte kriminologische Kenntnisse zu besitzen. Nur so kann bei der Polizeiarbeit, dem Strafvollzug, der Sozialarbeit oder auch der Bewährungshilfe Kriminalität effektiv und erfolgreich bekämpft werden", meint Diplom-Juristin Alexandra Schröder vom Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft. "Deshalb wird den Studierenden die Möglichkeit geboten, dieses Wissen in einem komprimierten und praxisorientierten Aufbaustudiengang zu erwerben und sich mit anderen Studierenden auszutauschen und zu vernetzen." Voraussetzung für den Masterstudiengang ist ein abgeschlossenes Fachhochschul- oder Universitätsstudium und mindestens einjährige Berufserfahrung - wobei ein kriminologischer Bezug von Vorteil ist. Zu den derzeit Studierenden gehören Juristen, Polizeibeamte, Ärzte, Pädagogen, Sozialarbeiter und Biologen. Mit der Verleihung des Mastertitels steht den Absolventen ein breites Berufsfeld, zum Beispiel in Lehre, der öffentlichen Verwaltung, bei privaten sozialen Diensten sowie bei Polizei, Justiz und Vollzug offen.

Anrechnung von Scheinen nur für Bachelor-Absolventen

Scheine anderer Fakultäten können für diesen Studiengang jedoch nicht angerechnet werden. Die Studierenden müssen während des Masterstudiums alle Prüfungsleistungen erbringen. Ausnahmen gibt es nur für Bachelor-Absolventen bei der Zulassung zum Studiengang: "Da es sich um einen weiterbildenden Studiengang handelt, erwerben die Studierenden während des Masterstudiums insgesamt 60 Creditpoints. Nach der Bologna-Vereinbarung werden jedoch 300 Creditpoints für einen Masterabschluss vorausgesetzt", sagt Alexandra Schröder. Um die Lücke für Bachelor-Absolventen zu schließen, besteht die Möglichkeit, Abschlüsse anderer Studiengänge oder Berufsausbildungen anrechnen zu lassen. Dazu zählen auch Leistungen aus nicht abgeschlossenen Studiengängen, berufliche Fortbildungen oder ehrenamtliche Tätigkeiten. "Insgesamt wird für vier Semester ein Studienbeitrag von 3.950 Euro erhoben. Die Teilnehmer des Programms haben an der Ruhr-Universität Bochum den Status eines Gasthörers, weshalb keine weiteren Kosten anfallen." Seit diesem Jahr können sich die Interessierten auch online bewerben. Pro Jahr werden ca. 60 Studienplätze vergeben - bei mehr als doppelt so vielen Bewerbungen. Ab März nächsten Jahres steht die Online-Bewerbung für den Jahrgang 2013/2014 zur Verfügung. "Die Absolvierung des Masterstudiengangs vermittelte mir die Gelegenheit, meine Arbeitserfahrung als Polizistin in China, sowie meine Tätigkeit bei der UNO zu reflektieren", erinnert sich eine ehemalige Humboldt-Stipendiatin und Absolventin des Jahrgangs 2008. "Ich würde sagen, dass ich ohne das Studium nicht ermutigt worden wäre, mir eine neue Arbeit zu suchen. Heute bin ich jedoch sehr glücklich und bei der Nonviolent Peace Force auf den Philippinen tätig." Ein anderer Absolvent des Jahrgangs ist als hauptamtlicher Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Bielefeld tätig. "Da ich laufbahnrechtlich nicht dem höheren, sondern dem gehobenen Dienst angehöre, war der erlangte Masterabschluss sicherlich ein wichtiges Kriterium, dass ich für meine Stelle ausgewählt wurde. Durch das Masterstudium ergeben sich völlig neue berufliche Perspektiven." Alexandra Schröder kann sich ihren Absolventen nur anschließen: "Der berufsbegleitende und praxisorientierte Masterstudiengang ist in dieser Form einzigartig. Er bietet in relativ kurzer Zeit den Studierenden die Möglichkeit, notwendige und wertvolle berufliche Qualifikationen zu erwerben und dieses Wissen nach Abschluss des Studiums im Rahmen ihrer Tätigkeit weiterzugeben." Mehr auf LTO.de: Dr. vs. LL.M.: Titelkampf mit einem klaren Unentschieden Deutsch-Türkischer Masterstudiengang: Günaydın, Frau Anwältin! Fachanwaltsausbildung im Studiengang Medienrecht: Zwischen Hörsaal und Fernsehstudio

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