Der Job als Wirtschaftsstrafverteidiger

Wenn mög­lich, bitte dealen

von Dr. Franziska KringLesedauer: 5 Minuten

Wenn die Staatsanwaltschaft gegen einen CEO ermittelt, ist nicht nur dessen Karriere in Gefahr, sondern auch der Ruf des Unternehmens. Spätestens dann kommt der Wirtschaftsstrafverteidiger ins Spiel. Er muss retten, was noch zu retten ist.

Strafverteidiger haben vor allem mit Drogenhändlern, Gewalttätern oder Mördern zu tun? Im Wirtschaftsstrafrecht ist das anders. Hier geht es um Straftaten wie Untreue, Korruption oder Steuerhinterziehung, die Mandanten sind Top-Manager oder Großkonzerne. Ein prominentes Beispiel: Thomas Middelhoff. Der Ex-Vorstandsvorsitzende von Bertelsmann und Arcandor wurde im Jahr 2014 wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Für Middelhoff war das Urteil das Ende seiner Karriere als Manager. Auch in anderen Strafverfahren stehen häufig ganze Existenzen auf dem Spiel. Solche Strafverfahren sind hochkomplex, die Sachverhalte sind umfangreich und schwierig. Steht die Anklage eines Unternehmenschefs wegen Betruges im Raum, müssen in vielen Fällen die Geschäftsbücher der letzten Jahre gewälzt werden.

Für Wirtschaftsstrafverteidiger bedeutet das ebenfalls ein enormes Haftungsrisiko – aber auch jeden Tag eine neue Herausforderung. Und genau das macht für viele den Reiz aus.

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"Ein Vorstandsvorsitzender will weder in den Gerichtssaal noch in den Knast"

Ob die Korruptionsaffäre um den Berliner Flughafen, der Dieselskandal oder die Cum-Ex-Deals – Prof. Dr. Björn Gercke von der Kanzlei Gercke Wollschläger hat in seiner Karriere schon viele spannende Prozesse begleitet. Seine Mandanten fordern ihn von der ersten Sekunde an, in der Wirtschaftswelt muss es häufig sehr schnell gehen. Entsprechend ist dann auch die Erwartungshaltung seiner Klienten.

An seinem Beruf schätzt er insbesondere die Abwechslung und die spannenden und fordernden Aufgaben. "Man muss Zusammenhänge schnell erkennen, logisch denken können und einfach wach sein", so Gercke.

Als Wirtschaftsstrafverteidiger sehe er Gerichtsgebäude eher selten von innen, erklärt Gercke. Die meisten Mandanten wollen eine öffentliche Verhandlung um jeden Preis vermeiden. Denn der Ruf eines Managers ist sein Kapital, ein Strafverfahren kommt da äußerst ungelegen.

Aus diesem Grund werde in Wirtschaftsstrafverfahren oft "gedealt". Gegen Zahlung einer Geldsumme werden viele Verfahren eingestellt. Oder der Beschuldigte legt ein Geständnis ab und die Verfahrensbeteiligten einigen sich über eine Strafobergrenze. Verhandlungsgeschick und gute Menschenkenntnis sind deshalb wichtige Eigenschaften eines Wirtschaftsstrafverteidigers. Denn: "Der Vorstandsvorsitzende eines Dax-Konzerns will weder in den Gerichtssaal noch in den Knast", sagt Gercke. Und in vielen Fällen seien die Mandanten zwar nicht unschuldig, aber auch nicht so schuldig, wie die Staatsanwaltschaft meint, so Gercke weiter.

Unternehmenschefs sind es gewöhnt, Probleme anzupacken und schnell aus dem Weg zu schaffen. In einem Strafverfahren hat allerdings die Staatsanwaltschaft das Heft des Handelns in der Hand. Das muss der Anwalt seinem Klienten vermitteln. "Dafür braucht er ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz. Er muss genau einschätzen können, wie er am besten auf bestimmte Situationen reagiert. Und er muss das Vertrauen des Mandanten gewinnen", meint Gercke.

"Wirtschaft und Staatsanwaltschaft sprechen nicht immer die gleiche Sprache"

Als Wirtschaftsstrafverteidiger muss man aber nicht nur das klassische Strafrecht sicher beherrschen. Vieles spielt sich auch im Gesellschaftsrecht oder öffentlichen Recht ab. Wie will man eine Untreue verteidigen, wenn man nicht weiß, welche Pflichten ein Geschäftsführer hat?

Ein guter Rechtsanwalt muss auch betriebswirtschaftliche Zusammenhänge verstehen und mit Zahlen umgehen können. Wer eine Bilanz nicht lesen kann, ist als Wirtschaftsstrafverteidiger verloren. Prof. Dr. Christoph Knauer, Gründungspartner der Kanzlei Ufer Knauer und mit dieser seit 12 Jahren erfolgreich im Geschäft, erklärt, dass der Anwalt in solchen Fällen ein Übersetzer zwischen Wirtschaft und Staatsanwaltschaft ist. "Und zum Teil wird da nicht die gleiche Sprache gesprochen", ergänzt er. Auch die Grundlagen der Unternehmensführung muss der Wirtschaftsstrafverteidiger begreifen – sonst könnte sein juristischer Rat strategischen Entscheidungen des Unternehmens widersprechen.

Knauer war vor seinem Eintritt in die Kanzlei in Führungspositionen unter anderem beim Beck Verlag und bei Wolters Kluwer Deutschland beschäftigt. Seinen Erfolg als Anwalt führt er auch auf diese beruflichen Erfahrungen zurück: "Ich kenne die Managertätigkeit von meiner Arbeit bei Wolters Kluwer, und das hilft mir, die Situation des Mandanten zu verstehen und ihn zielgerichtet zu beraten", so Knauer.

Nachtschichten kann es auch mal geben. Wenn der Richter oder die Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung beim Mandanten anordnet, muss der Anwalt zur Stelle sein – egal, um welche Uhrzeit. Oder es wird ein Haftbefehl gegen den Mandanten erwirkt. Auch dann benötigt er Rechtsbeistand. Der Verteidiger sollte dann schnellstmöglich prüfen, wie er dagegen vorgeht. Er muss genau abwägen, ob sich eine Aussage seines Klienten zu dessen Gunsten auswirkt oder ob er lieber schweigen sollte.

Ein Strafrechtler braucht deshalb eine hohe Einsatzbereitschaft. Aber nicht selten wird dieser Einsatz auch belohnt. "Als Feuerwehrmänner sind wir zur Stelle, wenn man uns braucht. Wenn wir dem Mandanten dann noch dabei helfen, die Freiheit zurückzuerlangen, wissen wir auch, warum wir das machen", so Christoph Knauer. Und er ergänzt: "Ich habe meinen absoluten Traumjob gefunden. Wenn ich nochmal studieren könnte, würde ich alles genauso machen."

"Erstmal herausfinden, ob überhaupt eine Straftat vorliegt"

Auch Dr. Regina Michalke von der Kanzlei HammPartner aus Frankfurt spricht mit großer Begeisterung von ihrem Beruf. Sie ist bereits seit 40 Jahren im Wirtschaftsstrafrecht tätig. "Ich lerne immer noch jeden Tag dazu und jeder Tag ist anders", so die erfahrene Rechtsanwältin.

In den vergangenen Jahren habe sich im Wirtschaftsstrafrecht vieles verändert, berichtet sie. Insbesondere Steuerdelikte werden von der Gesellschaft mittlerweile sehr ernstgenommen. Dementsprechend werden sie jetzt auch strafrechtlich stärker verfolgt. Das merkt Regina Michalke auch in ihrer täglichen Arbeit: Sie hat nicht unbedingt mehr Mandanten, aber die einzelnen Verfahren sind deutlich umfangreicher geworden.

Ohnehin ist das Wirtschaftsstrafrecht in ständiger Entwicklung. Viele Fragen sind noch gar nicht gesetzlich geregelt. Wenn das Verbandssanktionengesetz kommt, könnten auch Unternehmen selbst künftig strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

In einigen Verfahren haben die Ermittlungsbehörden einen Täter im Visier, aber der Tatvorwurf steht noch nicht fest. "Es ist eben nicht so, dass man eine Leiche mit einem Messer im Rücken hat und weiß, das war Mord oder Totschlag. In vielen Wirtschaftsstrafverfahren muss erst herausgefunden werden, ob überhaupt eine Straftat vorliegt", so Michalke. Ein Wirtschaftsstrafverteidiger hat deshalb viel Freiraum zum Argumentieren. Das macht ihren Beruf nach Meinung der Anwälte so einzigartig.

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Dr. Franziska Kring

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