Die juristische Presseschau vom 16. Dezember 2015: Zschäpes Weih­nachts­pause / Recht auf Kon­fron­ta­tion / Frei­spruch für Le Pen

16.12.2015

Justiz

EGMR zu Recht auf Konfrontation: Angeklagte haben ein Recht die entscheidenden Zeugen ihres Strafprozesses mit Fragen zu konfrontieren, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Beanstandet wird ein Urteil des Landgerichts Göttingen, durch welches ein Georgier wegen schweren Raubes zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. In dem Prozess wurden die einzigen Augenzeuginnen lediglich während des Ermittlungsverfahrens durch Polizeibeamte und den Ermittlungsrichter befragt, ohne dass der Angeklagte oder sein Anwalt Gelegenheit gehabt hätten, sie mit ihren Fragen zu konfrontieren, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch).

BVerfG zu juristischen Personen des Privatrechts: Juristische Personen des Privatrechts, die in der öffentlichen Daseinsvorsorge tätig sind, müssen bei einer Verfassungsbeschwerde von sich aus ihre Grundrechtsfähigkeit darlegen, wenn es auf Grund äußerer Umstände nahe liegt, dass sie von der öffentlichen Hand beherrscht werden, entschied das Bundesverfassungsgericht in mehreren Beschlüssen. Dies meldet lto.de.

BSG zu Erstattung von Mistelpräparaten: Wie die taz (Christian Rath) berichtet hat das Bundessozialgericht entschieden, dass Krankenkassen nicht verpflichtet sind, anthroposophische Mistelpräparate in der Krebstherapie zu finanzieren. Bei der Frage der Erstattung sei die Liste der Medikamente des Gemeinsamen Bundesausschusses, welcher nach Ansicht des Gerichts ausreichend demokratisch legitimiert sei, ausschlaggebend und nicht die Empfehlung der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte.

BSG zu Sozialhilfe für EU-Zuwanderer: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Florian Wilksch bespricht auf juwiss.de das Urteil des  Bundessozialgerichts vom 03.12.2015, wonach EU-Zuwanderer einen Anspruch auf Sozialhilfe haben können. Der erste Teil der Besprechung befasst sich mit den Erwägungen des Bundessozialgerichts zur Bestimmung der anwendbaren Normen für die Gruppen der arbeitssuchenden und "wirtschaftlich inaktiven" EU-Bürger.

LG München zur Veröffentlichung von Facebook-Identitäten: Das Landgericht München hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren gegen den Springer-Konzern entschieden, dass Verlage Bilder von Facebook-Nutzern, die im Netz ausländerfeindliche Beiträge gegen Flüchtlinge eingestellt haben, veröffentlichen dürfen. Damit habe erstmals ein Gericht ausdrücklich entschieden, dass die Presse nicht nur die Hetzbeiträge, sondern auch die Identität der Verfasser öffentlich machen darf. Das Informationsinteresse der Leser überwöge das Recht am eigenen Bild, so die FAZ (Corinna Budras).

VG Berlin zu Hundeverbot am Schlachtensee: Die SZ (Verena Mayer) hebt das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, welches das Hundeverbot am Schlachtensee aufhebt, zynisch aus dem Chaos, welches Berlin zur Zeit regiere, heraus. In der Urteilsbegründung heiße es, die umstrittene Regelung werde gekippt, "weil der Uferweg nicht insgesamt als Badestelle angesehen werden könne." Auch die Welt (Henryk M. Broder) schreibt über die Verhandlung.

Jost Müller-Neuhof (Tsp) fordert ein Gesetz, welches die Bezirke ermächtigt, hundefreie Zonen auszuweisen.

VGH NRW – Auskunftsklage: Oppositionspolitiker der CDU, FDP und Piraten sind mit ihrem Auskunftsbegehren vor dem Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalens gescheitert. Die nordrhein-westfälische Landesregierung habe die Fragen zum "Effizienzteam" rund um die Einsparmöglichkeiten im Haushalt 2011 bis 2014 ausreichend beantwortet, entschied das Gericht. In dem Arbeitskreis saßen neben Experten und Beamten nur Abgeordnete von SPD und Grünen, so lto.de und die taz (Claudia Hennen).

LG Waldshut-Tiengen – Antibabypille: Am Donnerstag beginnt der Prozess einer 31-jährigen Frau gegen den Pharmakonzern Bayer vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen. Sie verklagt den Pharmakonzern in einem Präzedenzfall auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 Euro. Die Klägerin war auf Grund einer Embolie bereits klinisch tot. Die Antibabypille Yasminelle von Bayer steht im Verdacht, das Risiko von Thrombosen im Vergleich zu den Pillen aus erster und zweiter Generation um ein Vielfaches zu erhöhen, berichtet die SZ (Helga Einecke). Die Angabe des erhöhten Risikos stehe nicht im Beipackzettel; auch werde die Pille mit Zusatznutzen, wie einem "Figur-Bonus" und schöneren Haaren, beworben.

LG Hamburg – Sterbehilfe-Befürworter: Die Anklage gegen Ex-Senator Kusch, dem Mitbegründer des Vereins Sterbehilfe Deutschland und den Psychiater Johann Friedrich Spittler, wegen Totschlags hat das Hamburger Landgericht nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde dagegen ein, so dass nun das Oberlandesgericht Hamburg über die Zulassung zu entscheiden hat, so spiegel.de und die SZ. Hintergrund ist der Selbstmord zweier Frauen, die sich mit Hilfe des Vereins 2012 das Leben genommen hatten. Nach dem vorliegenden Ermittlungsergebnis sei diese Sterbehilfe aber zum damaligen Zeitpunkt nicht strafbar gewesen, erklärte das Landgericht

LG Berlin - AfD-Politikerin gegen Berliner Schaubühne: Die Berliner AfD-Politikerin und EU-Abgeordnete Beatrix von Storch und die homophobe christliche Fundamentalistin Hedwig Freifrau von Beverfoerde scheiterten mit ihrer Klage vor dem Landgericht Berlin auf Änderung des Theaterstücks "Fear" in der Berliner Schaubühne wegen Persönlichkeitsverletzungen durch Nennung ihrer Namen und Zeigen von Fotos. Es wurde nur öffentlich zugängliches Bild- und Textmaterial verwendet. Die einstweilige Verfügung hob das Berliner Landgericht auf. Zu Prozess und Theaterstück schreiben die SZ (Peter Laudenbach) und die BerlZ (Christian Bommarius).

AG Kassel – Volksverhetzung: Michael Viehmann, ein führender Pegida-Funktionär muss sich vor dem Amtsgericht Kassel wegen Volksverhetzung verantworten. Er soll auf Facebook von "dem Judenpack" gesprochen haben, für dessen Unterstützung Kanzlerin Merkel gesteinigt gehöre, so spiegel.de (Wolf Wiedmann-Schmidt). Gegen einen Strafbefehl über 120 Tagessätze hatte Viehmann Einspruch eingelegt.

BAW – Salafist Lau: Die Bundesanwaltschaft hat den radikalen Islamisten Sven Lau in Mönchengladbach festnehmen lassen. Der 35-jährige Prediger soll 2013 von Deutschland aus als verlängerter Arm für die in Syrien aktive Terrororganisation "Jamwa" tätig gewesen sein. Er sei dringend verdächtig, in vier Fällen eine ausländische terroristische Vereinigung unterstützt zu haben. Lau gilt als einer der bekanntesten Köpfe der Salafistenszene in Deutschland und wurde als Initiator der "Scharia-Polizei" bekannt, berichten die SZ (Matthias Drobinski/Kristiana Ludwig), die taz (Sabine am Orde) und die FAZ (Reiner Burger).

Anwaltshaftung: Die Anwältin Barbara Helten schreibt in einem FAZ-Gastbeitrag über die Zunahme der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen von Mandanten gegen Anwälte. Durchschnittlich werde jeder vierte Anwalt jährlich mit einem Regressanspruch konfrontiert; hauptsächlich wegen Fristversäumnisse. Sie zeichnet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an die Fristenkontrolle nach. Ein weiteres Risiko sei die fehlende "24-Stunden-Deckung" bei Rechtsrat nach Feierabend.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. Dezember 2015: Zschäpes Weihnachtspause / Recht auf Konfrontation / Freispruch für Le Pen . In: Legal Tribune Online, 16.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17874/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

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