Die juristische Presseschau vom 3. bis 5. Mai 2014: Justizskandal in Bayern? – Edathy legt Verfassungsbeschwerde ein – Geschäftsmodell Hartz-IV-Klage

05.05.2014

10.000 Ärzte sollen Krankenkassen und Patienten um 500 Millionen Euro betrogen haben und die bayerische Justiz lässt die Beteiligten laufen, tausende Vorwürfe sind verjährt. Außerdem in der Presseschau: Edathy legt Verfassungsbeschwerde ein, Bundesregierung enthält NSA-Ausschuss Informationen vor, Anwälte verdienen groß an Hartz-IV-Klagen und wer seinen Hautschmuck bei Facebook ausstellt, sollte lieber vorher den stechenden Künstler fragen.

Tagesthema

Bayerischer Justizskandal: Das Handelsblatt (Kurzzusammenfassung auf Handelsblatt.de) berichtet exklusiv über einen möglichen bayerischen Justizskandal. Deutschlandweit sollen 10.000 Ärzte Patienten und Krankenkasse mit falschen Abrechnungen um bis zu 500 Millionen Euro betrogen haben. Bei der Staatsanwaltschaft Augsburg seien 150 Verfahren eingestellt worden, der Rest sei mittlerweile verjährt. Lediglich ein Arzt, Stephan A., war 2010 vom Landgericht München wegen Betrugs zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Ein mehrseitiger Bericht des Handelsblattes (Sönke Iwersen/Jan Keuchel) befasst sich ausführlich mit den Hintergründen und beteiligten Personen. Im Zentrum der Ermittlungen der Soko "Labor" des bayerischen Landeskriminalamtes, die über drei Jahre die Verfahren durch intensive Ermittlungen vorbereitet habe, stehe der ehemalige Laborarzt und Geschäftsmann Bernd Schottdorf. Gegen ihn sei bereits etwa im Jahr 2000 Anklage erhoben worden. Der Vorwurf lautete, er beschäftige Ärzte nur zum Schein, er wurde indes freigesprochen. 2005 seien weitere Ermittlungen gegen ihn eingestellt worden – von einem Staatsanwalt, dem er in einer Notlage ein größeres Darlehen zu günstigen Konditionen gewährt habe. Über geplante Durchsuchungen habe der Staatsanwalt Schottdorf, der der CSU wiederholt großzügige Spenden habe zukommen lassen, möglicherweise warnen lassen. In der Staatsanwaltschaft zuständig für die Verwertung der Soko-Ermittlungen sei eine Staatsanwältin in Teilzeit gewesen, die sich lediglich vier Wochen Zeit zur Vorbereitung genommen habe. Nachdem der Bundesgerichtshof 2012 das Abrechnungssystem eindeutig als Betrug gewertet habe, habe die Staatsanwaltschaft Augsburg eingestellte Verfahren wieder aufgenommen, diese aber nach kurzer Zeit erneut eingestellt. Weiter geht es im Beitrag um die Beziehungen Schottdorfs in die Politik, das Abrechnungssystem der Laborärzte und die schwierige Arbeit der Soko "Labor".

Rechtspolitik

Bleibe- und Ausweisungsrecht: Nach einem Bericht der Welt am Sonntag (Manuel Bewarder) befindet sich ein Gesetzentwurf zur Reform des Bleibe- bzw. Ausweisungsrechts aus dem Innenministerium derzeit in der Ressortabstimmung. Ausweisungen im Falle schwerer Straftaten sollten danach schneller durchgeführt werden und ein "Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik" solle kommen: "Gut integrierten Ausländern" solle eine Perspektive in Deutschland eröffnet, der Aufenthalt derjenigen aber zeitnah beendet werden, denen "unter keinem Gesichtspunkt ein Aufenthaltsrecht" zustehe.

"Asylgrundrechtlein": Vor dem Hintergrund der Pläne, die Balkanstaaten im Asylrecht als sichere Heimatstaaten zu deklarieren, kommentiert Heribert Prantl (Samstags-SZ): Das Asylrecht werde zu einer Art Sachenrecht, bei welchem es nur noch darum ginge, wer die Flüchtlinge wieder zurückschicke. Eine gesetzliche Vermutung über sichere Heimatstaaten, die individuelle Schicksale weitgehend ausblende, leugne die Realitäten und sei eine "Lüge per Gesetz".

Streit um Sexualstrafrecht: Nach einem Appell von 26 Strafrechtlern und Kriminologen, wonach die geplante Pönalisierung des Handels mit Nacktbildern von Kindern Hysterie schüre, gibt es heftige Kritik aus der Politik und von Opferschutzverbänden, so der Focus.

EU/USA-Datenschutzabkommen: In einem Gastbeitrag für die Zeit befasst sich der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Patrick Breyer (Piraten) mit einem von EU und USA geplanten Datenschutz-Rahmenabkommen zur erleichterten Datenweitergabe für die Verhinderung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von Straftaten. "Als hätte es den NSA-Skandal nicht gegeben", sehe das Abkommen etwa die Erstellung von Profilen vor, um USA-Reisende in Gefahrenklassen einzusortieren.

Freihandelsabkommen: Schiedsgerichte, Lebensmittel, Autos, Technik und Ratifizierungsverfahren sind laut FAS (Ralph Bollmann) "die wichtigsten Streitpunkte beim Freihandelsabkommen". Erläutert werden diese sowie Hintergründe und Vorbehalte zum geplanten Abkommen zwischen den USA und der EU in einem ganzseitigen Beitrag im Wirtschafts-Teil.

Edward Snowden - Vernehmung: Nach einem am Freitag bekannt gewordenen Gutachten, das die Bundesregierung bei einer US-Kanzlei in Auftrag gegeben hatte - wonach sich deutsche Bundestagsabgeordnete bei einer Befragung Snowdens strafbar machen würden - geht der politische Streit um die Vernehmung Snowdens weiter. Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), hat vorgeschlagen, den Whistleblower Edward Snowden im Rahmen einer Videokonferenz zu vernehmen. Wie die Samstags-taz (Christian Rath) berichtet, solle an diesem Donnerstag über den Antrag der Opposition entschieden werden, Snowden einreisen zu lassen. Laut Gesetz müsse "der Ausschuss einen entsprechenden Beweisbeschluss fassen, wenn die Minderheit dies verlangt", erläutert die taz. Gegebenenfalls wollen Grüne und Linke Organklage beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Die Samstags-Bild (Franz Solms Laubach) spricht mit Sensburg über das von der Bundesregierung vorgestellte Gutachten, was mit dem Untersuchungsausschuss erreicht werden soll, welche Konsequenzen zu ziehen sind und ob es ein "europäisches Internet" braucht.

Auch die Samstags-Welt (Manuel Bewarder) befasst sich mit dem "Snowden-Spuk im Regierungsviertel", so auch die FAZ (Johannes Leithäuser), spiegel.de (Fabian Reinbold) und die FR (Markus Decker). netzpolitik.org (Andre Meister) stellt das von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Gutachten zur Verfügung, wonach sich deutsche Bundestagsabgeordnete bei einer Befragung Snowdens strafbar machen würden. Weiter findet sich dort ein Gutachten eines britischen Anwaltes mit anderer Bewertung sowie ein Beitrag des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragen Thilo Weichert zur Frage "Weshalb Deutschland Edward Snowden um Einreise bitten muss".

Das von der Bundesregierung vorgelegte Gutachten nennt Frank Lübberding (wiesaussieht.de) ein "bestelltes Erpressungsschreiben", "das den Irrwitz der Debatte um die Grundrechte in der digitalisierten Welt auf den Punkt bringt. Hier wird nämlich unverhohlen in juristischer Kostümierung eine politische Drohkulisse aufgebaut (...)".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. bis 5. Mai 2014: Justizskandal in Bayern? – Edathy legt Verfassungsbeschwerde ein – Geschäftsmodell Hartz-IV-Klage . In: Legal Tribune Online, 05.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11854/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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