Die juristische Presseschau vom 23. Dezember 2015: Schein­ver­fahren vor EuGH / Über­las­tung nicht Über­länge / Hoeneß will raus

23.12.2015

Justiz

BVerfG zu überlanger Verfahrensdauer: Knappe fünf Jahre Dauer bis zu einem Nichtannahmebeschluss durch das Bundesverfassungsgericht sind nicht unbedingt übermäßig lang, hat das BVerfG entschieden. Die starke Belastung mit besonders bedeutsamen und umfangreichen anderen Verfahren sei bei der Entscheidung zu berücksichtigen, berichtet lto.de. lawblog.de (Udo Vetter) kritisiert das "Bundesverlangsamungsgericht" und merkt an, dass "in ein paar Jahren" vielleicht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte noch etwas zum Recht auf ein zügiges Verfahren aus der Menschenrechtskonvention zu sagen haben könnte.

EuGH zu Informationspflicht zu Chemikalien: Rechtsanwalt Ulrich Ellinghaus schreibt in der FAZ zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom September, die die europäische Chemikalienverordnung "Reach" sehr eng auslegt. Wo zuvor davon ausgegangen wurde es bestehe eine Informationspflicht, wenn eine besorgniserregende Chemikalie ein Tausendstel des Gesamtgewichts eines Produkts ausmache, besteht sie laut EuGH nun schon, wenn dieses Verhältnis bei einem Teil – etwa einer Schraube – besteht. Darin liege eine bedenkenswerte Benachteiligung ausländischer Produkte gegenüber in der EU hergestellten.

BGH zu Intimfotos: Zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Anspruch des Partners auf Löschung von Intimfotos aus vergangenen Beziehungen, schreiben nun auch die FAZ (Helene Bubrowski) und internet-law.de (Thomas Stadler).

OLG Frankfurt zu Ausschluss von Amazon-Verkauf: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat entschieden, dass Hersteller ihren Händlern den Vertrieb ihrer Produkte bei Amazon untersagen dürfen. Hersteller hätten ein berechtigtes Interesse an qualitativ hochwertiger Beratung, die bei dieser Art Online-Vertrieb nicht sichergestellt sei. Das meldet die FAZ.

OLG Hamm zu Tanz auf Bierbank: Wer sich zum Tanzen auf einer Bierbank entschließt und dabei stürzt, hat sich selbst einer erkennbaren Gefahr ausgesetzt und daher keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Veranstalter der Festivität. Das entschied das Oberlandesgericht Hamm im November, wie lto.de berichtet.

OLG München – Gurlitt-Testament: Der vom Oberlandesgericht München bestellte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass Cornelius Gurlitt nicht an paranoidem Wahn litt, wie es der von Gurlitts Cousine bestellte Sachverständige annahm. Das Gericht wird im Frühjahr entscheiden, melden SZ und FAZ.

LG Frankfurt – Smart-TV: Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat Samsung vor dem Landgericht Frankfurt wegen eines Smart-TV verklagt. Das Gerät verstoße gegen Datenschutzrecht, weil es standardmäßig vertrauliche Daten – etwa IP-Adressen – übertrage, sobald es eingeschaltet werde. Auf diesen ersten Prozess zu einem solchen Gerät macht datenschutzkanzlei.de aufmerksam.

LG München – Deutsche Bank-Prozess: Im Prozess gegen (ehemalige) Manager der Deutschen Bank, wegen mutmaßlichen Prozessbetrugs nach der Kirch-Pleite, hat das Landgericht München Anträge der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung von mehr als 20 Zeugen weitgehend abgelehnt, berichtet das HBl (Kerstin Leitel). Die beantragten Zeugenaussagen seien absehbar "zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich", "ohne Bedeutung", oder stünden in "keinerlei Sachzusammenhang" mit der Anklage, gibt die SZ (Stephan Radomski) das Gericht wieder.

LG Augsburg – Halbstrafgesuch Hoeneß: Beim Landgericht Augsburg ist der Antrag von Ulli Hoeneß  eingegangen, die zweite Hälfte seiner Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Mit einer Entscheidung sei frühestens Mitte Januar zu rechnen, meldet spiegel.de.

AG Oranienburg zu Nazi-Tattoo: Weil er ein Tattoo mit den Umrissen des Vernichtungslagers Birkenau und dem Spruch "Jedem das Seine" im Schwimmbad zeigte, verurteilte das Amtsgericht Oranienburg einen jungen Mann zu sechs Monaten auf Bewährung wegen Volksverhetzung. Ein Journalist hatte das Tattoo im Schwimmbad dokumentiert und einen "Shitstorm" ausgelöst. Dazu schreiben lto.de und FAZ. Der Staatsanwalt forderte zehn Monate ohne Bewährung und beschwerte sich, wie die SZ (Jens Schneider) schreibt, "dass sich offenbar außer dem Zeugen niemand im Schwimmbad an dem Tattoo störte". Auch Christian Bommarius (BerlZ) hofft, dass es einem Bademeister auffalle, sollte der Verurteilte sein Tattoo erneut entblößen.

AG Meldorf – Vormundschaft für Flüchtlinge: Weil die jugendlichen Geflüchteten hin und wieder per Telefon oder Internet Kontakt mit ihren Eltern hatten, hat das Jugendamt vor dem Amtsgericht Meldorf, wie die taz-Nord (Esther Geisslinger) berichtet, in mindestens zwei Fällen die Anträge, einen Vormund zu bestellen, zurückgezogen. Ein Vormund könne bei Kontakt mit den Eltern nicht bestellt werden. Der Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kritisiert das als rechtswidrig, da die Jugendlichen des Kontakts mit ihren Eltern bedürften, diese ihnen aber in rechtlichen Angelegenheiten aufgrund der Umstände nicht helfen könnten.

AG Bergisch-Gladbach zu Türspion-Kamera: Das Amtsgericht Bergisch-Gladbach verbot einem Mieter, die von ihm angebrachte Kamera im Türspion, weil diese auf einen gemeinsamen Zugangsweg gerichtet sei. Das nimmt die SZ (Wolfgang Janisch) zum Anlass einen Blick auf die Rechtsprechung zu privater Videoüberwachung zu werfen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. Dezember 2015: Scheinverfahren vor EuGH / Überlastung nicht Überlänge / Hoeneß will raus . In: Legal Tribune Online, 23.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17958/ (abgerufen am: 02.05.2024 )

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