Die juristische Presseschau vom 30. August 2016: Mor­d­an­klage wegen Messer-Attacke / Unter­halt für Kuckucks­kinder / Kein Live­st­ream für Dotcom

30.08.2016

Nach der Messer-Attacke am Hannoveraner Hauptbahnhof erhebt die BAW nun Anklage wegen versuchten Mordes. Außerdem in der Presseschau: neues Unterhaltsrecht bei Kuckuckskindern, Kim Dotcom gegen Auslieferung und Pech für Autoknacker.

Thema des Tages

OLG Celle – Messer-Attacke: Wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen die 16-jährige Safia S. beim Oberlandesgericht Celle erhoben. Die Jugendliche soll im Februar im Hannoveraner Hauptbahnhof einen Bundespolizisten in den Hals gestochen haben. Die Tat soll im Auftrag des sogenannten Islamischen Staats verübt worden sein. Nach einem Bericht der SZ (Ronen Steinke) wurde auch eine Anklage gegen einen 19-Jährigen, der von Plänen gewusst haben soll, sie aber nicht anzeigte, erhoben werden. Gegen diesen Angeschuldigten werde zudem auch immer noch im Zusammenhang des im vergangenen November in Hannover wegen Sicherheitsbedenken abgesagten Fußball-Länderspiels ermittelt. Reinhard Müller (FAZ) plädiert in einem Kommentar wegen der durch den Fall sichtbar gewordenen Gefahren dafür, dem Verfassungsschutz zu ermöglichen, auch Jugendliche zu beobachten. Natürlich müssten hierbei bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, aber schließlich fälle der Verfassungsschutz "auch über Erwachsene kein Unwerturteil auf Lebenszeit", sondern sammle schlicht Informationen. "Gefahren kennen" aber "keine Altersgrenzen".

Rechtspolitik

Kuckuckskinder/Unterhaltsrecht: Auch SZ (Sophie Burfeind) und Tsp (Jost Müller-Neuhof) berichten nun zu Plänen des Bundesjustizministeriums, das Unterhaltsrecht bei sogenannten Kuckuckskindern zu reformieren. Der Kern der Neuregelung, eine sogenannte Sex-Auskunftspflicht für Mütter, gehe auf ein Urteil des Bundesverfassungsgericht aus dem letzten Jahr zurück. Dort wurde entschieden, dass die begehrte Auskunft in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage nicht erteilt werden müsse. In einem separaten Kommentar bezeichnet es Jost Müller-Neuhof (Tsp) als "Ding der Unmöglichkeit", die zugrundeliegenden "Konflikte zur Zufriedenheit aller regeln zu wollen". Der anzustrebende Ausgleich widerstreitender Interessen könne aber durch die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit der Mutter, Auskünfte bei Unzumutbarkeit verweigern zu können sowie die Befristung von Rückforderungsansprüchen auf zwei Jahre erreicht werden.

Städtebaurecht: Ein aktueller Referentenentwurf zur Anpassung des Städtebaurechts sieht als wichtigste Neuerung einen neuen Gebietstypus "Urbane Gebiete" vor. Rechtsanwalt Daniel Pflüger stellt auf lto.de Inhalt und Leitbilds dieses Gebietstypus mit Beispielen vor und geht außerdem auch auf die geplante Anpassung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm ein.

Facebook: Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) hat den Facebook-Konzern aufgefordert, "aktiver gegen Terrorismus und Hass" vorzugehen, berichtet die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Nach Ansicht des Ministers könne es nicht sein, dass das Unternehmen "immer erst auf Aufforderung seiner Nutzer tätig" werde. Geltendes EU-Recht dagegen befreie Anbieter derzeit von der Pflicht, Inhalte vorab zu prüfen und untersuchen. Zur Pressekonferenz des Ministers und technischen Aspekten sogenannter automatisierter Uploadfilter berichtet auch netzpolitik.org (Markus Reuter).

Netzneutralität: Mögliche Inhalte der am heutigen Dienstag vom Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation vorgestellten Leitlinien zur Netzneutralität nennt netzpolitik.org (Thomas Rudl).

TTIP: In einem Gastkommentar für das Hbl warnt Oliver Wieck, Generalsekretär der Internationalen Handelskammer ICC in Deutschland, vor "einem radikalen Wechsel" im Procedere zur Beilegung internationaler Investitionstreitigkeiten. Der bei den Verhandlungen zum TTIP-Abkommen angedachte Gerichtshof mit einer Berufungsinstanz stelle ohne Not ein bewährtes und "für beide Seiten neutrales und faires Verfahren" in Frage.

Erbschaftsteuer: Über die am morgigen Mittwoch beginnenden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zur vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Reform der Erbschaftsteuer berichtet nun auch die taz (Christian Rath). Das Gericht habe angekündigt, ab Ende September eine eigene Neuregelung zu treffen, wenn bis dahin keine Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat absehbar sei.

Vorinsolvenz: Früher als geplant, bereits am 25. Oktober, will die EU-Kommission über die Richtlinie zum vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren entscheiden. Dies bestätigte die Kommission dem Hbl (Heike Anger) auf Anfrage. Derartig außergerichtliche Verfahren seien bislang in Großbritannien oder Frankreich üblich, in Deutschland dagegen nicht existent. Die Richtlinie dürfte daher die hiesige Insolvenzkultur verändern.

Immobilienkredite: Nach Bericht des Hbl (Frank M. Drost) prüft die bayerische Staatsregierung derzeit, ob Änderungen am deutschen Umsetzungsgesetz zur seit März geltenden EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie notwendig seien. Die Kreditwirtschaft kritisiere härtere Vorgaben durch die Richtlinie, durch die etwa Rentnern oder jungen Familien mit geringen Einnahmen Kredite unmöglich gemacht würden. Das Bundesjustizministerium teile die Kritik zwar nicht, habe aber für den 6. September eine Sitzung mit Verbänden der Kreditwirtschaft und Verbraucherschützern anberaumt, um sich einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen zu verschaffen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 30. August 2016: Mordanklage wegen Messer-Attacke / Unterhalt für Kuckuckskinder / Kein Livestream für Dotcom . In: Legal Tribune Online, 30.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20418/ (abgerufen am: 30.04.2024 )

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