Die juristische Presseschau vom 21. Juni 2012: Menschenwürde für Flüchtlinge – Gribkowskys Geständnis – Plagiate mit Methode

21.06.2012

Menschenwürde für 220 Euro? Das BVerfG prüft die Leistungen für Asylbewerber. Die Kommentatoren gehen davon aus, dass diese verfassungswidrig sind. Außerdem in der Presseschau: überraschendes Geständnis im Formel-1-Prozess, wenig überraschende Freispruch-Aufhebung im Brechmittelfall und eine böse Überraschung für die Autoren eines Buches zum juristischen Arbeiten.

Leistungen für Asylbewerber: Das Bundesverfassungsgericht hat sich auf Vorlage des Landessozialgerichts NRW mit dem Asylbewerberleistungsgesetz befasst. Die Richter müssen entscheiden, ob die Leistungen für Asylsuchende, die deutlich unter den Hartz-IV-Sätzen liegen, mit der Menschenwürde vereinbar sind. Von der mündlichen Verhandlung berichten die FAZ (Reinhard Müller) und die taz (Christian Rath). Die SZ (Wolfgang Janisch) rechnet mit einem baldigen Urteil und erklärt, es lasse sich "leicht vorhersagen, was geschehen wird". Das Verfassungsgericht werde wie beim Hartz-IV-Urteil von 2010 "dem Gesetzgeber diktieren, wie er das menschenwürdige Existenzminimum für Asylbewerber zu ermitteln hat.

In einem gesonderten Kommentar kritisiert Janisch (SZ) die "bemerkenswerte" Position der Bundesregierung. "Zwar gesteht sie die Menschenwürde – was sonst – allen Menschen zu." Bei Asylbewerbern sei sie aber "deutlich billiger" zu haben. Auch Daniel Bax (taz) hält das Gesetz für verfassungswidrig: "Da die Menschenwürde nicht nur für Deutsche gilt, kann es eigentlich zu gar keinem anderen Urteil kommen, denn zum Leben reicht dieses kümmerliche Handgeld kaum aus."

Stephan Hebel (FR) schlägt den Bogen zur europäischen Flüchtlingspolitik und zur Finanzkrise. Hier verspiele Europa "den Anspruch auf Freiheit und gleiche Rechte für alle".

Weitere Themen – Rechtspolitik

Leistungsschutzrecht: Thomas Stadler (internet-law.de) reagiert mit eigenen Antworten auf den Frage-Antwort-Katalog des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) zum Leistungsschutzrecht. Anders als der BDZV ist er der Ansicht, dass das geplante Leistungsschutzrecht die Informationsfreiheit einschränkt. Zudem bestehe keine Gesetzeslücke.

Weitere Themen - Justiz

Gribkowskys Geständnis: Im Formel-1-Prozess vor dem Landgericht München hat der frühere Vorstand der Bayern LB, Gerhard Gribkowsky, überraschend ein Geständnis abgelegt. Er gab zu, 44 Millionen Dollar von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone erhalten zu haben. Das berichten unter anderem die SZ (Klaus Ott/Nicolas Richter) und spiegel.de (Cornelia Knust). Wie die FTD (Titus Kroder/Guido Warlimont) berichtet, drohe nun Ecclestone eine Anklage wegen Korruption.

Joachim Jahn (FAZ) kommentiert, die Untersuchungshaft und die drohende Haftstrafe für Gribkowsky, hätten "den Glauben der Bürger an die Gerechtigkeit der Justiz" gestärkt.

BVerfG zu Bundestagsrechten: Christian Geyer analysiert im Feuilleton der FAZ ausführlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Informationsrechten des Bundestages bezüglich des Euro-Rettungsschirms ESM. Das sei auch eine Kritik am Regierungsstil der Kanzlerin: "Politischer Zeitdruck ist auch in Zeiten der europäischen Staatsschuldenkrise kein Argument, die Demokratie auszuhebeln."

BGH zu Brechmitteleinsatz: Der Bundesgerichtshof hat zum zweiten Mal ein Urteil des Landgerichts Bremen aufgehoben, das wiederholt einen Polizeiarzt vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen hatte. Der Arzt hatte einem mutmaßlichen Drogendealer zwangsweise Brechmittel verabreicht. beck.blog.de (Jörn Patzak) berichtet knapp, die taz.bremen (Simone Schnase) ausführlich.

BGH zu Mieterrechten: Wie lto.de meldet, hat der Bundesgerichtshof die Rechte von Mietern bei Modernisierungsmaßnahmen gestärkt.

OLG Bamberg zur Anwaltswahl: Das Oberlandesgericht Bamberg hat entschieden, dass Rechtsschutzversicherungen ihren Kunden keine Vergünstigungen dafür gewähren dürfen, dass sie bestimmte Anwälte in Anspruch nehmen. Geklagt hatte die Rechtsanwaltskammer München. Dazu die FAZ (Joachim Jahn).

Kellerhals vs. Metro: Der Media-Markt-Gründer Erich Kellerhals und die Metro Group streiten um die Vormacht in der Media-Saturn-Holding. Vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München gibt die FAZ (Brigitte Koch) einen Überblick über den Fall.

NSU Polizistenmord: Der swr-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) hat neue Informationen zum Fall der von der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter. Demnach habe dem ehemaligen V-Mann Tino Brandt ein Haus in der Nähe des Tatorts gehört.

BAG zum Schadensersatz bei Streik: Die Gewerkschaft Verdi ist nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts das Unternehmen Chesapeake zu Schadensersatz verpflichtet. Wie die FAZ (Corinna Budras) erläutert, hätte verdi einen Warnstreik nicht fortsetzen dürfen, nachdem das Unternehmen während der laufenden Tarifverhandlungen aus seinem Arbeitgeberverband ausgetreten war, um Lohnsteigerungen zu vermeiden. In einem gesonderten Kommentar bezeichnet Budras (FAZ) das Urteil als "erfreulich". Es ermögliche Arbeitgebern, "per 'Blitzaustritt' aus dem Tarifverband selbst während laufender Verhandlungen dem Streikdruck zu entkommen".

VG Augsburg zu lesbischer Erzieherin: Rechtsanwalt Ulrich Hammer erklärt für lto.de die Hintergünde der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg, wonach die katholische Kirche einer lesbischen Erzieherin nicht in der Elternzeit kündigen darf. Zwar sei eine Kündigung außerhalb der Elternzeit denkbar, "ganz einfach" werde es für die katholische Kirche jedoch nicht werden.

Weitere Themen – Recht in der Welt

IStGH – 10 Jahre: Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Internationalen Strafgerichtshofes zieht die Zeit (Andrea Böhm) Bilanz. Der IStGH beziehe sich zu sehr auf Afrika, den "Rechtsbrüchen der Mächtigen" müsse er zusehen.

Norwegen – Breivik:  Von den verschiedenen Gutachten der Rechtspsychiater im Prozess gegen den norwegischen Attentäter Anders Breivik berichtet die FR (Hannes Gamillsche). Die SZ (Gunnar Herrmann) porträtiert die Anklägerin Inga Bejer Engh.

China – Ai Weiwei: In Peking hat der Prozess um eine Steuerstrafe gegen die Firma Fake des  chinesischen Künstlers und Regimekritikers Ai Weiwei begonnen. Wie focus.de meldet wurde dabei Ai Weiwei und einem seiner Anwälte der Zugang zum Gericht verwehrt.

Das Letzte zum Schluss

Plagiate – so geht's: Ausgerechnet ein Buch zum "wissenschaftlichen Arbeiten für Juristen in Zeiten des Internets" ist unter Plagiatsverdacht geraten. Die Plagiatsvorwürfe und ein paar gutmütige Erklärungstheorien schildert der Rechtswissenschaftler Roland Schimmel für lto.de.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Juni 2012: Menschenwürde für Flüchtlinge – Gribkowskys Geständnis – Plagiate mit Methode . In: Legal Tribune Online, 21.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6438/ (abgerufen am: 11.05.2024 )

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