Die juristische Presseschau vom 18. Dezember 2018: UN-Flücht­lings­pakt ver­ab­schiedet / BGH zu erfun­denem Adels­titel / Ermitt­lungs­ver­fahren gegen Höcke

18.12.2018

Nach dem Migrations- beschließt die UN auch den Flüchtlingspakt. Außerdem in der Presseschau: Selbst erfundene Adelstitel können in Deutschland nicht amtlich werden und die Staatsanwaltschaft Chemnitz ermittelt gegen Björn Höcke. 

Thema des Tages

UN-Flüchtlingspakt: Auf der UN-Vollversammlung haben 181 von 193 Mitgliedstaaten den UN-Flüchtlingspakt verabschiedet. Dies berichten u.a. spiegel.de (Christoph Titz), taz (Andreas Zumach) und Welt (Marcel Leubecher) und Hbl (Sandra Louven). Der Pakt ist, ebenso wie der in der vergangenen Woche verabschiedete Migrationspakt, eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung. Durch ihn soll der Druck auf die bisherigen Hauptaufnahmeländer von Flüchtlingen durch eine bessere Verteilung gemindert werden. Auch soll er die Eigenständigkeit von Flüchtlingen fördern, ihren Zugang zu Aufnahmeprogrammen in Drittstaaten ausweiten und in den Herkunftsländern Bedingungen für eine Rückkehr in Sicherheit fördern helfen. Die USA und Ungarn stimmten gegen das Papier. 

Andrea Bachstein (SZ) begrüßt den Pakt. Er trage der Tatsache Rechnung, dass 80 Prozent aller Flüchtlinge von Entwicklungsländern aufgenommen würden. Der Pakt sei "eine Art Arbeitsanleitung", um darauf solidarischer zu reagieren. Für Nikolas Busse (FAZ) ähnelt der Flüchtlings- dem Migrationspakt, weshalb es verwunderlich sei, dass es diesmal keine vergleichbare öffentliche Diskussion gegeben habe. Vermutlich mache zu Weihnachten "auch der Verschwörungstheoretiker gerne ein paar Tage frei".

Rechtspolitik

Fachkräfteeinwanderungsgesetz: In einem Gastbeitrag für lto.de analysiert Rechtsanwalt Sebastian Klaus den Entwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Der Gesetzgeber reagiere hiermit auf Forderungen von Unternehmen, insbesondere aus dem IT-Bereich, die sich für eine verstärkte Einreise von Fachkräften aus dem Nicht-EU-Ausland einsetzten. Nach dem Entwurf sollen die Verfahren beschleunigt werden. Er schaffe darüber hinaus Einreisemöglichkeiten von sogenannten "fachkundigen Ausländern", die zwar langjährige Berufserfahrung, aber keinen akademischen Abschluss haben.   

Nach Ansicht von Heike Göbel (FAZ) vermischt der Entwurf die Aufnahme aus humanitären Gründen mit dem Ziel, Fachkräftemangel durch kontrollierte Anwerbung zu lindern. Indem er auch illegal Eingereisten Chancen auf ein Bleiberecht eröffne, entpuppe sich der Entwurf als "Asyl-Trojaner". 

Regulierung von Social Bots: Die FAZ stellt Kritik an dem von CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus gemachten Vorschlag zur Regulierung von "Social Bots" zusammen. Einige Fachleute sowie Oppositionspolitiker bezweifelten, dass die öffentliche Meinung in nennenswerter Weise durch den Einsatz von Bots beeinflusst werde.   

Auch Hendrik Wieduwilt (FAZ) spricht sich in einem separaten Kommentar gegen die Pläne aus, da diese ein "digitales Phantomproblem" beträfen. Ebenso kritisiert Markus Reuter das Vorhaben auf netzpolitik.org. Es gebe derzeit keine verlässliche Methode, Bots in sozialen Netzwerken zu erkennen. Schlussendlich führe der Vorschlag zur Einführung einer Klarnamenspflicht im Netz.

Justiz

BGH zu erfundenen Adelstiteln: Adelstitel, die im Ausland im Wege der Namensänderung zugelegt wurden, werden in Deutschland nicht als rechtlich verbindlicher Name anerkannt. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden, wie lto.de, SZ (Wolfgang Janisch) und FAZ (Constantin van Lijnden) berichten. Im konkreten Fall ging es um eine Deutsch-Britin, die in Großbritannien nach dortigem Recht durch einseitige Erklärung den Namen "Silia Valentina Mariella Gräfin von Fürstenstein" angenommen hatte. Grundsätzlich sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, in anderen Ländern erfolgte Namensänderungen anzuerkennen, um die Freizügigkeit innerhalb der Union nicht durch eine "hinkende Namensführung" zu erschweren. Dennoch wurde der Frau die Eintragung des vermeintlichen Adelstitels in das Personenstandsregister vom zuständigen Standesamt verwehrt. Der BGH billigte dies und folgerte aus dem Gebot der staatsbürgerlichen Gleichheit, dass sich niemand derart selbst in den Adelsstand erheben könne. Somit sei der "ordre public" berührt und die Freizügigkeit könne beschränkt werden.

StA Chemnitz – Björn Höcke: Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hat ein Ermittlungsverfahren gegen den Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke wegen Verletzung des Kunsturhebergesetzes (KunstUrhG) eingeleitet. Dies berichten u.a.  lto.de und  spiegel.de. Höcke hatte auf seiner Facebook-Seite ein Bild eines von AfD und Pegida organisierten sogenannten Trauermarsches veröffentlicht, auf dem auch das Bild einer getöteten Leipziger Studentin zu sehen war. Dabei fehlte es an der nach § 22 KunstUrhG erforderlichen Einwilligung der Eltern, die daraufhin wegen der Verwendung des Bildes Anzeige erstatteten. Bereits am Freitag hatte der Justizausschuss des Thüringer Landtages die Immunität Höckes aufgehoben. 

BGH – Champagner-Sorbet: Ein "Champagner-Sorbet" darf diese Bezeichnung nur führen, wenn es nicht nur Champagner enthält, sondern dieser auch die geschmacksbestimmende Eigenschaft ist. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden, wie lto.de meldet. Konkret ging es um ein von Aldi Süd angebotenes Sorbet mit einem Champagner-Anteil von 12 Prozent. Der Fall wurde an das Oberlandesgericht München zurückverwiesen. Dieses habe nun zu klären, ob der Champagneranteil auch den Geschmack hervorrufe oder ob dieser etwa durch Lebensmittelaromen erzeugt werde. 

EuGH zu polnischer Zwangspensionierung: Der Europäische Gerichtshof hat die einstweilige Anordnung gegen Polen bestätigt, wonach das Land die Zwangspensionierung von Richtern des Obersten Gerichts aussetzen muss. Dies melden u.a. zeit.de und lto.de. Diese Entscheidung hatte der Gerichtshof bereits im Oktober ohne Anhörung der polnischen Regierung getroffen, die in der Zwischenzeit nachgeholt wurde. Es könne weiterhin nicht ausgeschlossen werden, dass das Gesetz zur Zwangspensionierung den Grundsätzen der Unabsetzbarkeit der Richter und der Unabhängigkeit der Justiz zuwiderlaufe, so der Luxemburger Gerichtshof.

BVerfG – Kinderehen: Auf verfassungsblog.de befasst sich Rechtsprofessorin Bettina Heiderhoff mit der Verfassungsmäßigkeit des Kinderehengesetzes. Der Bundesgerichtshof hatte es dieser Tage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Das Gesetz sieht vor, dass Eheschließungen von Personen unter 16 Jahren im Ausland in Deutschland ausnahmslos als nichtig gelten. Diese Regelung schaffe für die Betroffenen nur Nachteile, etwa das Ausscheiden von Unterhaltsansprüchen und die gerichtliche Missbilligung auch einer freiwillig gelebten Liebesbeziehung. Demgegenüber sei eine einzelfallbezogene Prüfung anhand des Kindeswohls zu bevorzugen. Die betroffenen Personen bräuchten intensive Beratung und Unterstützung, "nicht dagegen entmündigende, pauschale Verbote".  

BAG zu Altersabstandsklauseln: Alexander Greth bespricht im Handelsblatt-Rechtsboard ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach bei einem Altersabstand von mehr als zehn Jahren zwischen Eheleuten die Hinterbliebenenversorgung gekürzt werden könne. In diesem Fall überwiege das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Leistungspflicht. 

BAG zu Kündigung von Schwerbehinderten: community.beck.de (Christian Rolfs) bespricht ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur möglichen Unwirksamkeit der Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer. Danach sei eine Kündigung nicht bereits deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt und nach Anhörung des Betriebsrats beteiligt habe.  

Recht in der Welt

USA – Obamacare: lto.de stellt die Reaktionen auf das Urteil eines US-Bundesrichters in Texas zusammen, der die in der Regierungszeit von Präsident Obama verabschiedete Gesundheitsreform für verfassungswidrig erklärt hatte. Der Richter hatte ausgeführt, dass das sogenannte "individuelle Mandat" entgegen einer anderslautenden Supreme-Court-Entscheidung aus dem Jahr 2012 gegen die Verfassung verstoße, weil seitdem das Steuerrecht geändert worden sei. Präsident Trump sieht in dem Urteil "großartige Nachrichten für Amerika", führende Demokraten kündigten dagegen an, das Urteil vor dem Supreme Court anzufechten. 

Ungarn – Arbeitszeitgesetz: In Ungarn ist es zu starken Protesten gegen ein Gesetz gekommen, nach dem Arbeitgeber bis zu 400 Überstunden pro Jahr anstatt der bisherigen 250 verlangen können. Mit der Bezahlung können sie bis zu drei Jahre Zeit warten oder diese durch Zwangsurlaub kompensieren. Kritiker sprechen von einen "Sklavengesetz". Es berichten taz (Ralf Leonhard), FAZ (Stephan Löwenstein) und Welt (Boris Kálnoky).

Spanien – Katalonien-Prozesse: In einem Bericht über die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen berichtet SZ (Thomas Urban) auch über die am Dienstag beginnenden Prozesse gegen Separatistenführer. Vor dem Staatsgerichtshof sind neun von ihnen wegen Rebellion angeklagt. Der Tatbestand setzt Gewalt voraus, seine Anwendung in diesem Fall ist auch unter spanischen Juristen umstritten. Die spanische Justizministerin habe nach Presseberichten versucht, jene Staatsanwälte von dem Verfahren abzuziehen, die auf dem Anklagepunkt der Rebellion beharrten. 

Sonstiges

Videoüberwachung: Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zweifelt an der Rechtmäßigkeit der geplanten Videoüberwachung zur Einhaltung von Fahrverboten. Dies berichtet die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Künftig sollen Kameras in Fahrverbotszonen Kennzeichen, Schadstoffklasse und Bilder sämtlicher Fahrer erfassen. Mit dieser anlasslosen Überwachung werde in bedeutender Weise in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen, wodurch "allgemeine Einschüchterungseffekte" entstehen könnten. Für die Betroffenen sei nicht erkennbar, in welcher Weise ihre Daten genutzt würden. Überdies bestehe die Gefahr des Zugriffs durch unbefugte Dritte.

Auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisiert die geplante Videoüberwachung im Hbl als unverhältnismäßig, da es lediglich um Ordnungswidrigkeiten und niedrige Bußgelder gehe. Mit der massenhaften Datenerhebung bestehe die Gefahr, dass "durch die Hintertür" ein Überwachungsstaat geschaffen werde, führt die frühere Bundesjustizministerin (FDP) an. 

Anwältin Basay-Yildiz: spiegel.de (Wiebke Ramm) porträtiert die Frankfurter Strafverteidigerin Seda Basay-Yildiz. Sie hatte im NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München als Nebenklageanwältin die Familie des getöteten Enver Şimşek vertreten. Dabei hatte sie immer wieder auf Ermittlungsversagen hingewiesen und institutionellen Rassismus angeprangert. Anfang August erhielt sie ein mit "NSU 2.0" unterschriebenes Fax, in dem ihr gedroht wurde, ihre zweijährige Tochter würde "geschlachtet" werden. Inzwischen ermittelt das Landeskriminalamt (LKA) wegen des Verdachts, dass das Schreiben auf ein rechtsradikales Netzwerk innerhalb der hessischen Polizei zurückgehen könnte. Die FAZ (Katharina Iskander) porträtiert aus diesem Anlass die Chefin des hessischen LKA, Sabine Thurau, die über diese Ermittlungen wacht.  

Polizeigewalt: Die SZ (Ronen Steinke) beschäftigt sich in der Seite-3-Reportage mit Polizeigewalt in Deutschland. Dabei berichtet sie auch über ein entsprechendes Forschungsprojekt des Bochumer Kriminologen Tobias Singelnstein, der "überwältigt" gewesen sei von der Anzahl der Berichte über Polizeigewalt, die ihn erreichten. Am höchsten seien die Zahlen in Nordrhein-Westfalen. Dort sei der Anteil an Polizisten deutlich geringer als im Rest des Bundes, weshalb ihre Arbeitsbelastung deutlich erhöht sei. 99 Prozent aller dortigen Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte würden eingestellt. Anders als in vergleichbaren europäischen Staaten gebe es in Deutschland keine unabhängige Beschwerdestelle, vielmehr ermittelten Polizisten gegen Polizisten. 

Waldorfschule/AfD: Jost Müller-Neuhof kritisiert im Tsp scharf die Entscheidung einer Berliner Waldorfschule, das Kind eines AfD-Abgeordneten nicht aufzunehmen. Auch für Privatschulen gelte das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung.    

Zielvereinbarungen: Rechtsanwältin Annabel Lehnen gibt im Expertenforum Arbeitsrecht Handlungsempfehlungen für jährliche Zielvereinbarungen. Eine solche solle mit dem betreffenden Mitarbeiter vor Ablauf des laufenden Kalenderjahres vereinbart werden, zumindest aber müsse sie in einer Weise angeboten werden, dass der Arbeitnehmer das Angebot hätte in zulässiger Weise annehmen können. 

Das Letzte zum Schluss

Weihnachtsmarkt-Diebstähle: Weihnachtszeit ist Diebeszeit, so scheint es. Laut spiegel.de fahndet die baden-württembergische Polizei nach einer Person, die aus einem Stand des Bietigheimer Sternlemarktes "prall gefüllte" Körbe mit Würsten im Wert von etwa 1.000 Euro erbeutet habe. Bereits gefasst sei dagegen ein Christbaum-Dieb in Düsseldorf. Der Mann habe die Tat gestanden; er sei zur Tatzeit angetrunken gewesen. Bei seinem Beutezug habe er eine Schleifspur inklusive verlorener Deko hinterlassen, welche die Ermittler direkt zu seinem Anwesen geführt habe, so spiegel.de

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mps

(Hinweis für Journalisten)   

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. Dezember 2018: UN-Flüchtlingspakt verabschiedet / BGH zu erfundenem Adelstitel / Ermittlungsverfahren gegen Höcke . In: Legal Tribune Online, 18.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32787/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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