Die juristische Presseschau vom 25. Januar 2017: Kein Brexit ohne Par­la­ment / Tarif­ein­heit vor BVerfG / Klage gegen Trump

25.01.2017

Justiz

EGMR zu Leihmutterschafts-Kind: Staaten, in denen Leihmutterschaft verboten ist, dürfen das rechtswidrig adoptierte Kind in den ersten Monaten wegnehmen. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden. Die Wegnahme verletze nicht das Recht auf Achtung des Familienlebens, da das Kind nicht biologisch von den Adoptiveltern abstamme und das Interesse des Staates, "Unordnung zu verhindern", in den ersten Monaten überwiege. Die SZ (Thomas Kirchner) erläutert das Urteil und den zugrunde liegenden Fall.

EuGH – Mitbestimmung: Vor dem Europäischen Gerichtshof hat die Verhandlung zur deutschen Arbeitnehmermitbestimmung begonnen, wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet. Der Wissenschaftliche Assistent Till Wansleben war vor Ort und schildert für lto.de den Verlauf der Verhandlung. So habe der dänische Generalanwalt unter Hinweis auf die Rechtslage in seinem Heimatland kritisch gefragt, ob das Territorialitätsprinzip tatsächlich einer Ausweitung der Mitbestimmung auf Mitarbeiter im Ausland entgegenstehe. Das Hbl (Frank Specht) stellt den Kläger im Ausgangsverfahren, Konrad Erzberger, vor.

BVerfG – Tarifeinheitsgesetz: Vor dem Bundesverfassungsgericht hat die Verhandlung zum Tarifeinheitsgesetz begonnen. Geklagt haben verschiedene Gewerkschaften, die sich in ihrer Koalitionsfreiheit verletzt sehen. Am ersten Verhandlungstag ging es unter anderem um die Frage, was das Gesetz überhaupt bedeute und welche Auswirkungen es haben werde. Bisher wird es kaum angewendet. Über das Gesetz und den Verlauf der Verhandlung schreiben SZ (Detlef Esslinger/Wolfgang Janisch), BadZ (Christian Rath), swr.de (Bernd Wolf) und lto.de (Tanja Podolski).

BVerfG zu NPD-Verbot: Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren beschäftigt sich jetzt auch der Lehrbeauftragte Sebastian Piecha auf juwiss.de.

OLG München – NSU-Prozess: Beim NSU-Prozess am Oberlandesgericht München hat erstmals die Hauptangeklagte Beate Zschäpe das Wort ergriffen, berichtet die SZ (Wiebke Ramm). Nachdem ihr Wahlverteidiger Hermann Borchert bei der Befragung des Psychiaters Henning Saß Wissen offenbarte, erklärte Zschäpe: "Die Worte sind nicht meine eigenen. Die sind nicht von mir." Auch sonst machte der Verteidiger laut spiegel.de (Björn Hengst) bei der Befragung keine gute Figur.

LG Tübingen – Messerattacke: Vor dem Landgericht Tübingen hat der Prozess gegen einen 21-Jährigen begonnen, dem vorgeworfen wird, im Juli vergangenen Jahres zunächst seine Freundin mit einem Dönermesser getötet und danach weitere Menschen verletzt zu haben. Die FAZ (Rüdiger Soldt) und die Welt (Hannelore Crolly) schildern den Prozessauftakt.

GBA zu Silvio S.: Der Generalbundesanwalt strebt Sicherungsverwahrung für den Mörder des sechsjährigen Elias und des vierjährigen Mohamed an. Das Landgericht Potsdam hatte den Mann zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, aber keine Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Generalbundesanwalt bezeichnete das Urteil hinsichtlich der Sicherheitsverwahrung als "lückenhaft", meldet der Tsp (Sandra Dassler/Jost Müller-Neuhof).

StA Dresden – Rechter Richter: Die Staatsanwaltschaft Dresden hat nach dem Eingang von Strafanzeigen ein Ermittlungsverfahren gegen den Richter am Dresdner Landgericht Jens Maier eingeleitet. Das AfD-Mitglied war zusammen mit Björn Höcke bei einer Veranstaltung der AfD-Jugend aufgetreten und hatte dort mit Blick auf die Verbrechen der Nazi-Zeit den "Schuldkult" für "endgültig beendet" erklärt. Es berichten die FAZ (Stefan Locke) und lto.de.

BGH zu SV Wilhelmshaven: Die FAZ (Marcus Jung) berichtet von einem Referat von Rainer Koch, Richter und Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes, in dem dieser sich mit dem BGH-Urteil zum Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven von letztem Jahr und möglichen Konsequenzen auseinandersetzt. Der DFB-Funktionär forderte unter anderem eine "Gesetzesinitiative zur Normierung der Zulässigkeit dynamischer Satzungsverweisungen".

AG München zu ADAC: Der ADAC wird nicht aus dem Vereinsregister gestrichen. Das hat das Amtsgericht München nach dreijähriger Prüfung entschieden. Die Frage, ob der ADAC den Anforderungen an einen Idealverein entsprach, kam auf, nachdem 2014 Manipulationen bei der Autowahl "Gelber Engel" bekannt wurden. Die kommerziellen Tätigkeiten wurden daraufhin vom Verein getrennt und auf eine Aktiengesellschaft ausgelagert. Auf diese Umstrukturierung, die nach Ansicht der Kritiker nicht erforderlich war, stellte das Gericht jetzt ab, so die SZ (Uwe Ritzer).

BFH – Kritik wegen Cum-Ex-Geschäften: Der ehemalige Bundesfinanzrichter Dietmar Gosch hat sich im Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex-Geschäften gegen Vorwürfe von Beamten und Politikern gewehrt, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs habe die Steuertricks ermöglicht. Dabei sei es vor allem um ein Urteil aus dem Jahr 1999 zum sogenannten "Leerverkauf" gegangen, das die Grundlage für die Cum-Ex-Geschäfte gelegt habe, so die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Kritik gab es auch an den Nebentätigkeiten von Bundesfinanzrichtern.

BFH zu Vorsteuerabzug: In einem Beitrag für die FAZ stellt Helge Jacobs, Rechtsanwalt und Steuerberater, das Urteil des Bundesfinanzhofs zum Vorsteuerabzug dar, nach dem eine Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung zurückwirkt. Der Bundesfinanzhof sei einem übertriebenen Formalismus entgegengetreten; Unternehmer könnten aufatmen.

Bericht zum Fall Albakr: Polizei und Justiz haben erhebliche Fehler im Fall Albakr gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht der unabhängigen Kommission zur Untersuchung des Falles, mit dem sich die SZ (Bernd Kastner), die FAZ (Stefan Locke) und die taz (Michael Bartsch) befassen. Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt hätten den Fall übernehmen müssen; Gerichte und Staatsanwaltschaften hätten Informationen nicht schnell genug weitergegeben.

Wer den Sicherheitsföderalismus behalten und stärken will, der müsse den Informationsfluss verbessern, meint Reinhard Müller (FAZ). Es gelte nun, "Zöpfe abzuschneiden, für die es keine sachliche Begründung gibt".

Psychologie im Strafprozess: Der Rechtsanwalt Ulrich Sommer befasst sich auf lto.de mit historischen Fehlurteilen und möglichen psychologischen Ursachen. Er konstatiert, dass "wissenschaftliche Erkenntnisse, die Fehlurteile minimieren und die Akzeptanz von Strafurteilen in der Gesellschaft erhöhen könnten", langsam Einzug in die Rechtswissenschaft erhalten würden und hofft auf einen "Psychological turn".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. Januar 2017: Kein Brexit ohne Parlament / Tarifeinheit vor BVerfG / Klage gegen Trump . In: Legal Tribune Online, 25.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21881/ (abgerufen am: 17.05.2024 )

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