Der britische Supreme Court hat entschieden, dass das Parlament über die Einleitung des Brexits entscheiden muss. Außerdem in der Presseschau: In Karlsruhe wird das Tarifeinheitsgesetz verhandelt und Trump muss mit ersten Klagen kämpfen.
Thema des Tages
Supreme Court zu Brexit: Der britische Supreme Court hat entschieden, dass das Verfahren zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union nicht ohne Zustimmung des Londoner Parlaments eingeleitet werden darf. Die Abgeordneten gelten zwar als EU-freundlich; eine Ablehnung des geplanten Gesetzes gilt trotzdem als unwahrscheinlich. Eine Beteiligung der Regionalparlamente von Schottland, Wales und Nordirland ist nach dem Urteil des obersten Gerichts hingegen nicht erforderlich. SZ (Christian Zaschke), FAZ (Jochen Buchsteiner ), taz (Ralf Sotschek) und zeit.de (Sascha Zastiral) berichten.
Christian Zaschke (SZ) sieht in dem Urteil einen "Sieg der Rechtsstaatlichkeit": Nur mit Zustimmung von Unter- und Oberhaus erhalte der Brexit die nötige Legitimität. Nach Stefanie Bolzen (Welt) liegt es jetzt am politischen Können der Parlamentarier, der Regierung "ein Mitspracherecht abzutrotzen, das ihnen echten Einfluss auf den Brexit sichert". Dass es überhaupt einer Klage bedurfte, bezeichnet Ralf Sotschek (taz) als "Armutszeugnis für die politische Kultur in Großbritannien".
Erste Analysen bieten die Rechtswissenschaftler Roman Kaiser und Tobias Lock auf verfassungsblog.de. Rechtsprofessor Mark Dawson ordnet das Urteil auf verfassungsblog.de verfassungsrechtlich ein. Reinhard Müller (FAZ) nimmt es zum Anlass, allgemeine Gedanken zu richterlichen Entscheidungen anzustellen. Gerichte würden zwar im Namen des Volkes urteilen, der Volkswille könne sich im Verfassungsstaat jedoch nur in den dafür vorgesehenen Bahnen entfalten.
Rechtspolitik
Fake News und Social Bots: Die Unionsparteien wünschen einen deutlich strengeren Umgang mit sozialen Netzwerken. Das geht aus einem Antragsentwurf hervor, der spiegel.de (Fabian Reinbold/Gerald Traufetter) vorliegt. Danach sollen soziale Netzwerke zu Richtigstellungen verpflichtet werden. Auch ein Recht auf Gegendarstellung werde geprüft. Zusätzlich sollen Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld "deutlich erhöht" werden. Der Europa-Parlamentarier Jan Philipp Albrecht (Die Grünen) fordert im Interview mit spiegel.de, Facebook wie andere Medienunternehmen zu behandeln. Das könne auch beinhalten, dass Facebook durch die Einführung von Quoten verpflichtet wird, Inhalte von Nachrichtenmedien zu verbreiten.
Markus Reuter (netzpolitik.org) kritisiert, die meisten Regulierungsvorschläge seien unüberlegt. Das Ausmaß der Wirkung von Fake News und Social Bots sei noch gar nicht hinreichend untersucht. Viele Vorschläge würden jedoch negative Auswirkungen auf Meinungs- und Pressefreiheit haben.
Ceta: Der Handelsausschuss des Europäischen Parlaments hat mit großer Mehrheit für das Freihandelsabkommen Ceta gestimmt. Das meldet spiegel.de. Die Abstimmung im Plenum des Parlaments ist für den 15. Februar geplant.
Justiz
EGMR zu Leihmutterschafts-Kind: Staaten, in denen Leihmutterschaft verboten ist, dürfen das rechtswidrig adoptierte Kind in den ersten Monaten wegnehmen. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden. Die Wegnahme verletze nicht das Recht auf Achtung des Familienlebens, da das Kind nicht biologisch von den Adoptiveltern abstamme und das Interesse des Staates, "Unordnung zu verhindern", in den ersten Monaten überwiege. Die SZ (Thomas Kirchner) erläutert das Urteil und den zugrunde liegenden Fall.
EuGH – Mitbestimmung: Vor dem Europäischen Gerichtshof hat die Verhandlung zur deutschen Arbeitnehmermitbestimmung begonnen, wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) berichtet. Der Wissenschaftliche Assistent Till Wansleben war vor Ort und schildert für lto.de den Verlauf der Verhandlung. So habe der dänische Generalanwalt unter Hinweis auf die Rechtslage in seinem Heimatland kritisch gefragt, ob das Territorialitätsprinzip tatsächlich einer Ausweitung der Mitbestimmung auf Mitarbeiter im Ausland entgegenstehe. Das Hbl (Frank Specht) stellt den Kläger im Ausgangsverfahren, Konrad Erzberger, vor.
BVerfG – Tarifeinheitsgesetz: Vor dem Bundesverfassungsgericht hat die Verhandlung zum Tarifeinheitsgesetz begonnen. Geklagt haben verschiedene Gewerkschaften, die sich in ihrer Koalitionsfreiheit verletzt sehen. Am ersten Verhandlungstag ging es unter anderem um die Frage, was das Gesetz überhaupt bedeute und welche Auswirkungen es haben werde. Bisher wird es kaum angewendet. Über das Gesetz und den Verlauf der Verhandlung schreiben SZ (Detlef Esslinger/Wolfgang Janisch), BadZ (Christian Rath), swr.de (Bernd Wolf) und lto.de (Tanja Podolski).
BVerfG zu NPD-Verbot: Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren beschäftigt sich jetzt auch der Lehrbeauftragte Sebastian Piecha auf juwiss.de.
OLG München – NSU-Prozess: Beim NSU-Prozess am Oberlandesgericht München hat erstmals die Hauptangeklagte Beate Zschäpe das Wort ergriffen, berichtet die SZ (Wiebke Ramm). Nachdem ihr Wahlverteidiger Hermann Borchert bei der Befragung des Psychiaters Henning Saß Wissen offenbarte, erklärte Zschäpe: "Die Worte sind nicht meine eigenen. Die sind nicht von mir." Auch sonst machte der Verteidiger laut spiegel.de (Björn Hengst) bei der Befragung keine gute Figur.
LG Tübingen – Messerattacke: Vor dem Landgericht Tübingen hat der Prozess gegen einen 21-Jährigen begonnen, dem vorgeworfen wird, im Juli vergangenen Jahres zunächst seine Freundin mit einem Dönermesser getötet und danach weitere Menschen verletzt zu haben. Die FAZ (Rüdiger Soldt) und die Welt (Hannelore Crolly) schildern den Prozessauftakt.
GBA zu Silvio S.: Der Generalbundesanwalt strebt Sicherungsverwahrung für den Mörder des sechsjährigen Elias und des vierjährigen Mohamed an. Das Landgericht Potsdam hatte den Mann zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, aber keine Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Generalbundesanwalt bezeichnete das Urteil hinsichtlich der Sicherheitsverwahrung als "lückenhaft", meldet der Tsp (Sandra Dassler/Jost Müller-Neuhof).
StA Dresden – Rechter Richter: Die Staatsanwaltschaft Dresden hat nach dem Eingang von Strafanzeigen ein Ermittlungsverfahren gegen den Richter am Dresdner Landgericht Jens Maier eingeleitet. Das AfD-Mitglied war zusammen mit Björn Höcke bei einer Veranstaltung der AfD-Jugend aufgetreten und hatte dort mit Blick auf die Verbrechen der Nazi-Zeit den "Schuldkult" für "endgültig beendet" erklärt. Es berichten die FAZ (Stefan Locke) und lto.de.
BGH zu SV Wilhelmshaven: Die FAZ (Marcus Jung) berichtet von einem Referat von Rainer Koch, Richter und Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes, in dem dieser sich mit dem BGH-Urteil zum Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven von letztem Jahr und möglichen Konsequenzen auseinandersetzt. Der DFB-Funktionär forderte unter anderem eine "Gesetzesinitiative zur Normierung der Zulässigkeit dynamischer Satzungsverweisungen".
AG München zu ADAC: Der ADAC wird nicht aus dem Vereinsregister gestrichen. Das hat das Amtsgericht München nach dreijähriger Prüfung entschieden. Die Frage, ob der ADAC den Anforderungen an einen Idealverein entsprach, kam auf, nachdem 2014 Manipulationen bei der Autowahl "Gelber Engel" bekannt wurden. Die kommerziellen Tätigkeiten wurden daraufhin vom Verein getrennt und auf eine Aktiengesellschaft ausgelagert. Auf diese Umstrukturierung, die nach Ansicht der Kritiker nicht erforderlich war, stellte das Gericht jetzt ab, so die SZ (Uwe Ritzer).
BFH – Kritik wegen Cum-Ex-Geschäften: Der ehemalige Bundesfinanzrichter Dietmar Gosch hat sich im Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex-Geschäften gegen Vorwürfe von Beamten und Politikern gewehrt, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs habe die Steuertricks ermöglicht. Dabei sei es vor allem um ein Urteil aus dem Jahr 1999 zum sogenannten "Leerverkauf" gegangen, das die Grundlage für die Cum-Ex-Geschäfte gelegt habe, so die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Kritik gab es auch an den Nebentätigkeiten von Bundesfinanzrichtern.
BFH zu Vorsteuerabzug: In einem Beitrag für die FAZ stellt Helge Jacobs, Rechtsanwalt und Steuerberater, das Urteil des Bundesfinanzhofs zum Vorsteuerabzug dar, nach dem eine Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung zurückwirkt. Der Bundesfinanzhof sei einem übertriebenen Formalismus entgegengetreten; Unternehmer könnten aufatmen.
Bericht zum Fall Albakr: Polizei und Justiz haben erhebliche Fehler im Fall Albakr gemacht. Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht der unabhängigen Kommission zur Untersuchung des Falles, mit dem sich die SZ (Bernd Kastner), die FAZ (Stefan Locke) und die taz (Michael Bartsch) befassen. Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt hätten den Fall übernehmen müssen; Gerichte und Staatsanwaltschaften hätten Informationen nicht schnell genug weitergegeben.
Wer den Sicherheitsföderalismus behalten und stärken will, der müsse den Informationsfluss verbessern, meint Reinhard Müller (FAZ). Es gelte nun, "Zöpfe abzuschneiden, für die es keine sachliche Begründung gibt".
Psychologie im Strafprozess: Der Rechtsanwalt Ulrich Sommer befasst sich auf lto.de mit historischen Fehlurteilen und möglichen psychologischen Ursachen. Er konstatiert, dass "wissenschaftliche Erkenntnisse, die Fehlurteile minimieren und die Akzeptanz von Strafurteilen in der Gesellschaft erhöhen könnten", langsam Einzug in die Rechtswissenschaft erhalten würden und hofft auf einen "Psychological turn".
Recht in der Welt
USA – Klage gegen Trump: Eine Gruppe von prominenten Verfassungsrechtlern verklagt den neuen US-Präsidenten Donald Trump. Indem Trump Immobilien an ausländische Staatsunternehmen und Diplomaten vermiete, verstoße er gegen die "Emoluments Clause", die es Amtsträgern verbietet, ein Entgelt von einem fremden Staat anzunehmen, so die Kläger. Die SZ (Kathrin Werner) fasst die zahlreichen umstrittenen Rechtsfragen zusammen.
Italien – Wahlrecht: Das italienische Verfassungsgericht wird diese Woche sein Urteil über das im vergangenen Jahr geänderte Wahlrecht verkünden. spiegel.de (Hans-Jürgen Schlamp) erklärt, worum es geht und warum das Urteil über Italien hinaus von Bedeutung ist.
Sonstiges
Knast-Ratgeber: Der Rechtsprofessor Michael Pawlik rezensiert in der FAZ den Inhaftierten-Ratgeber "Wege durch den Knast", der Gefangene dazu auffordert, "Rechtspositionen bis zum Äußersten auszureizen" und sich keine Schuldgefühle einreden zu lassen. Indem Inhaftierte von der Verantwortung für ihre Taten entlastet würden, werde ihnen letztlich die Würde abgesprochen, kritisiert der Rezensent.
Chef-Ankläger in Nürnberg: In einem Feature stellt Deutschlandradio Kultur (Beate Ziegs) den US-Juristen Benjamin Ferencz vor, der 1947/48 als Chefankläger im Nürnberger Einsatzgruppen-Prozess diente. Der inzwischen 96-jährige Ferencz engagiert sich bis heute für den Internationalen Strafgerichtshof.
Fischer zu Höcke: Die Rede von Björn Höcke nimmt Bundesrichter Thomas Fischer auf zeit.de zum Anlass, sich mit Populismus und dem Erstarken der Rechten zu befassen. Auf Forderungen nach einem Durchgreifen der Strafjustiz entgegnet er: "Blödheit ist nicht strafbar."
Das Letzte zum Schluss
Strafzettel: Vom "schönsten Strafzettel der Welt" berichtet spiegel.de. Die neunjährige Meggie hatte einem Polizeiauto ein "Bußgeld wegen Falschparkens in einer Einbahnstraße" verpasst. Die Polizei entschuldigte sich via Facebook.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 25. Januar 2017: Kein Brexit ohne Parlament / Tarifeinheit vor BVerfG / Klage gegen Trump . In: Legal Tribune Online, 25.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21881/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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