Die juristische Presseschau vom 11. September 2015: Organ­spende vor Bun­des­ge­richten - An- und Abfahrt als Arbeits­zeit - großz­ü­gige Anwälte

11.09.2015

Justiz

EuGH zu Arbeitszeit: Der europäische Gerichtshof hat klargestellt, dass Fahrten, die Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnsitz und dem Standort des ersten und des letzten Kunden des Tages zurücklegen, Arbeitszeit sind und vergütet werden müssen. Arbeitszeit sei im sekundären EU-Recht als Zeitspanne definiert, während derer Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen. Dies sei bei solchen Fahrten der Fall. Die Beschäftigten hätten in deren Verlauf nämlich nicht die Möglichkeit, frei über ihre Zeit zu verfügen und eigenen Interessen nachzugehen, sondern seien an Weisungen des Arbeitgebers gebunden und stünden ihm damit zur Verfügung. Es berichten Handelsblatt (Thomas Ludwig) und lto.de.

EuGH zu Richterbesoldung: Nun berichtet auch der Autor Dr. Stephan Pötters auf lto.de über die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nach der ein Besoldungsanstieg nach Erfahrungsstufen unionsrechtskonform ist. Damit habe der EuGH seine in der Rechtssache "Specht" begründete Haltung bestätigt, die dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum bei der Rechtfertigung mittelbarer Altersdiskriminierungen einräume.

EuG zu Geschmacksmustern: Das Europäische Gericht (EuG) hat eine Klage von H&M gegen das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Alicante abgewiesen. Die Behörde hatte 2006 auf Antrag von Yves Saint Laurent zwei sogenannte Geschmacksmuster eintragen lassen. Die wollte der schwedische Billigkonkurrent für nichtig erklären lassen und argumentierte, zuvor ein ähnliches Modell registriert zu haben. Das EuG dagegen befand, dass zwischen den beiden Geschmacksmustern erhebliche Unterschiede gegeben seien. Maßstab der richterlichen Beurteilung sei die Sichtweise eines "informierten Benutzers" gewesen, der sich durch die Kenntnis verschiedener Geschmacksmuster auszeichne, berichtet die FAZ (Joachim Jahn).

BVerwG zu Kooptationsrecht: Das BVerwG hat das Kooptationsrecht der Mitglieder der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK) zwar grundsätzlich bestätigt, aber gleichzeitig erklärt, dass die Vertretung aller IHK-Zugehörigen die Bedeutung der örtlichen Branchen und die Interessen aller Kammerbezirke spiegeln müsse. Zu viele Duisburger in der Niederrheinischen IHK-Vollversammlung seien rechtswidrig. Wie die SZ (Thomas Hahn) könnte das Urteil Handels- Handwerkskammern im ganzen Land betreffen und kooptierte Vollversammlungsmitglieder zum Rücktritt zwingen.

LSG Mainz zu Kriegsrenten: Das Landessozialgericht in Mainz hat entschieden, das russische Zusatzrenten für Kriegsteilnehmer den deutschen Sozialhilfeanspruch mindern oder gar ausschließen können. Die Leistungen seien nicht mit der anrechnungsfreien Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz bzw. mit Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz vergleichbar, weil sie nicht dem Ausgleich eines durch erlittenes Einzelfallunrecht entstandenen individuellen Schadens dienten. Über die Entscheidung berichtet lto.de.

LArbG Hessen zu Pilotstreik: Im Streit um das Streikrecht der Lufthansa-Piloten bezeichnet Christian Rath (taz) es als fragwürdig, dass das Landesarbeitsgericht (LArbG) Hessen der Gewerkschaft ein Streikziel unterstellte. Im Hinblick darauf, dass das Bundesarbeitsgericht 2007 entschieden habe, dass nur die Forderungen maßgeblich sind, die von den Gewerkschaftsgremien vor dem Streik offiziell beschlossen wurden, komme die Entscheidung überraschend. Wie SZ (Alexander Hagelüken) schreibt, stufen es Arbeitsrechtler als neu ein, dass sich das LArbG überhaupt mit den wahren Gründen für den Ausstand beschäftigte, denn in den vergangenen Jahren habe die Justiz im Zweifel kaum Streiks verboten.

VG Hamburg zu "Tag der deutschen Patrioten": Das Verwaltungsgericht Hamburg hat einen Eilantrag gegen das Verbot des von militanten Rechtsextremen geplanten Aufmarschs gegen "Überfremdung" und "Islamisierung" in der Hamburger Innenstadt abgelehnt. Begründet wurde der Beschluss damit, dass aus dem Demonstrationszug schwere Gewaltexzessen zu erwarten seien, zu deren Unterbindung der Versammlungsleiter nicht willens und nicht in der Lage sei. Wie taz (Andreas Speit) meldet, haben die Anmelder bereits angekündigt, gegen die Entscheidung vorzugehen.

OLG Oldenburg – Drogenfahrt: Wie blog.beck.de (Carsten Krumm) schreibt, will das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg vom Bundesgerichtshof (BGH) wissen, was der Tatrichter für die fahrlässige Drogenfahrt, § 24a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG), prüfen muss. Das OLG habe dem BGH die Frage vorgelegt, ob die Feststellung der Drogenkonzetration für den subjektiven Tatbestand ausreiche, oder ob sich das Gericht auch ohne Anhaltspunkte mit der Möglichkeit eines abweichenden Tatverlaufs auseinandersetzen müsse.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. September 2015: Organspende vor Bundesgerichten - An- und Abfahrt als Arbeitszeit - großzügige Anwälte . In: Legal Tribune Online, 11.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16870/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

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