Die juristische Presseschau vom 20. Juni 2012: Mehr Rechte für den Bundestag – Weniger Geld für Bayern LB – Kein Premier in Pakistan

20.06.2012

Das Bundesverfassungsgericht stärkt die Informationsrechte des Bundestags. Außerdem in der Presseschau: Streit um ein neues Leistungsschutzrecht, Karrierestrategien von Junganwälten, die EU-Leerverkaufsverordnung, Friseurbesuche, das Asylbewerberleistungsgesetz und ein Bundesminister zu Fuß unterwegs in Washington D.C.

Mehr Rechte für den Bundestag: Im Zusammenhang mit dem Euro-Rettungsschirm (ESM) hat das Bundesverfassungsgericht die Informationsrechte des Bundestags deutlich gestärkt. Wie die taz (Christian Rath) berichtet, gab das Gericht einer Klage der Bundestagsfraktion der Grünen statt. Die Bundesregierung hätte gemäß Art. 23 des Grundgesetzes das Parlament über das ESM-Abkommen umfassend informieren müssen, auch wenn es sich formal nicht um ein EU-Gesetz oder -Projekt gehandelt habe. Auch dem Geheimhaltungsargument der Bundesregierung, so die FAZ (Reinhard Müller), habe das Gericht kein Gehör geschenkt. Völkerrechtliche Verträge mit Bindungswirkung seien nicht geheimhaltungspflichtig, im Übrigen gebe es eine Geheimschutzordnung des Bundestags.

Heribert Prantl (SZ) kommentiert: „Es geht um das Vertrauen in den demokratischen Prozess: Die Wertschöpfungsanlagen für dieses Vertrauen sind die Parlamente.“ Die FTD schreibt in ihrem Leitartikel, erneut habe sich das Bundesverfassungsgericht einem zutiefst undemokratischen Trend entgegengestellt.

Max Steinbeis (verfassungsblog.de) analysiert die Bedeutung einer parlamentarischen Öffentlichkeit, der das Bundesverfassungsgericht einen eigenen Stellenwert im Verhältnis zur allgemeinen Öffentlichkeit gibt. Hanno Kube (lto.de) meint, das Parlament dürfe durch dauernde Formallegitimationen nicht überlastet werden und sieht langfristig eine funktionierende Arbeitsweise nur bei entsprechender Einbindung von Bundesrat und Europäischem Parlament gewährleistet.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Leistungsschutzrecht: Zur stetig weiter laufenden Debatte um das Urheberrecht berichtet die FAZ (Corinna Budras) über die Diskussionen auf dem Deutschen Anwaltstag, insbesondere den Streit zwischen Christoph Keese, dem Konzerngeschäftsführer der Axel Springer AG, und dem Berliner Rechtsanwalt Till Kreutzer, der in seinen Blogs und Tweets auf online verfügbare Zeitungsartikel verweisen möchte.

Markus Beckedahl (netzpolitik.org) stellt die ablehnenden Positionen von Freischreiber, dem Verband freiberuflicher Journalisten und des Deutschen Journalistenverbandes vor.

Im Gespräch mit der taz (René Martens) meint der DuMont-Verleger Jo Lendle, ihm sei eine tolerantere Handhabung des Zitatrechts wichtiger als ein reformiertes Urheberrecht.

EU-LeerverkaufsVO: Nach dem im Mai von der Bundesregierung vorgestellten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Leerverkaufs-Verordnung gibt Rechtsanwalt Frederik Winter (blog.handelsblatt.com) eine Einschätzung der zu erwartenden Änderungen. Es werde möglich, auf nationaler Ebene ein befristetes Leerverkaufsverbot zu verhängen. Bereits bestehende Informationspflichten aus dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) würden erweitert.

Klagemöglichkeit gegen Ratingagenturen: Die FTD (Uta Harnischfeger) berichtet über ein Maßnahmenpaket des EU-Parlaments, das auch eine Klagemöglichkeit gegen Ratingagenturen enthalten soll. Ferner solle die Bezugnahme auf die Expertisen der Bonitätswächter in EU-Gesetzen wegfallen.

Weitere Themen – Justiz

BVerfG Asylleistungen: Auch die FAZ (Andreas Nefzger) bringt einen Vorabbericht über die Überprüfung der Sätze im Asylbewerberleistungsgesetz durch das Bundesverfassungsgericht. Der Freitag (Matthias Lehnert) stellt die Aachener Rechtsanwältin Eva Steffen vor, auf deren Klage hin die Richter des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen das Gesetz in Karlsruhe vorgelegt hätten.

BGH stärkt Demenzkranke: Herbert Grziwotz (lto.de) erörtert eine Entscheidung des BGH, der die Bevormundung von Demenzkranken durch Gerichte weiter einschränkt. Es sei nur ausnahmsweise zulässig, dass Gerichte einen Betreuungsbevollmächtigten für einen Demenzkranken bestellten, obwohl dieser, als er noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, jemand anderen für diese Aufgabe bestimmt habe. Die Entscheidung erhöhe die Rechtssicherheit für Partner und Familienangehörige.

Junganwälte seltener selbständig: Innerhalb von 15 Jahren hätten sich die Berufsgründungsstrategien bei Junganwälten vollkommen gedreht, berichtet die FAZ (Corinna Budras). Nurmehr 26 Prozent gründeten beim Start eine eigene Kanzlei, beinahe 60 Prozent wählten ein Anstellungsverhältnis.

EGMR zu Pressefreiheit vs. Minderjährigenschutz: Rechtsanwalt Thomas Stadler (internet-law.de) stellt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vor. Demnach dürfe über einen Minderjährigen, der weder eine "public figure" (in Deutschland: Person der Zeitgeschichte) sei noch von sich aus die Öffentlichkeit gesucht habe, auch dann nicht personenidentifizierend berichtet werden, wenn der Sachverhalt einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse liefere. In der Berichterstattung über einen Sorgerechtsstreit war das Foto eines Kindes mit schmerzverzerrtem Gesicht veröffentlicht worden.

LG München zur BayernLB: Das Landgericht München hat bei der Klage gegen frühere Vorstände der Bayern LB einen Vergleich in Höhe von 25 Millionen Euro vorgeschlagen, berichtet die SZ (Klaus Ott) in ihrem Wirtschaftsteil. spiegel.de (Martin Hesse) sieht darin eine Enttäuschung für das klagende Bankhaus. Nur bei zwei der acht Vorstände, dem ehemaligen Bankchef Werner Schmidt und bei  Gerhard Gribkowsky sähen die Richter Versäumnisse, die einen Schadenersatzanspruch begründen könnten.

BSG zu Friseurbesuch: bild.de stellt eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vor. Demnach müssten erhöhte Ausgaben für regelmäßige Friseurbesuche und schickere Kleidung vom Jobcenter als "Leistung zur Eingliederung" übernommen werden.

VG Augsburg zu lesbischer Erzieherin: Wie Christian Rolfs (blog.beck.de) berichtet, hat das Verwaltungsgericht Augsburg der katholischen Kirche untersagt, einer lesbischen Erzieherin zu kündigen, die sich in der Elternzeit befindet. Die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft sei kein "besonderer Fall" bei dem die behördliche Zustimmung zu einer Kündigung während der Elternzeit zu erteilen sei.

Weitere Themen – Recht in der Welt

Pakistan ohne Premier: Das Oberste Gericht Pakistans hat den pakistanischen Premierminister Yusuf Raza Gilani seines Amtes enthoben. Dieser war vor zwei Monaten wegen Missachtung des Gerichts zu einer symbolischen Haftstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Das berichtet spiegel.de (Hasnain Kazim).

Sonstiges

Patientenrechte: Nachdem die Zahl der Beschwerden über ärztliche Fehlbehandlungen im vergangenen Jahr erstmals über 11.000 gelegen habe, stellt focus.de (Petra Apfel) Möglichkeiten für Patienten vor, zu ihrem Recht zu kommen. Wichtig seien außergerichtliche Gespräche mit dem Arzt sowie die Arbeit von Schlichtungsstellen. Prozesse seien oft langwierig und die Schadenersatzsummen weit niedriger als erhofft.

Das Letzte zum Schluss

Rösler zu Fuß in Washington: Philipp Röslers Fahrer hatte zu nah am Weißen Haus geparkt und verlor deswegen vorübergehend seinen Führerschein. Der Bundeswirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) musste daher beim Staatsbesuch in Washington zu Fuß zum nächsten Termin gehen, berichtet spiegel.de.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

lto/ro

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. Juni 2012: Mehr Rechte für den Bundestag – Weniger Geld für Bayern LB – Kein Premier in Pakistan . In: Legal Tribune Online, 20.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6429/ (abgerufen am: 01.05.2024 )

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