Die juristische Presseschau vom 18. Juni 2015: Handy-Befangenheit – kein Oradour-Prozess – Folterverbot USA

18.06.2015

Justiz

BVerfG zu Tendenzbetrieb: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde nicht angenommen, mit der der Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuz gegen eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vorging. Dieses hatte entschieden, dass der Blutspendedienst nicht überwiegend und unmittelbar karikativen Bestimmungen diene, weil seine Leistung nicht Leidenden direkt zukomme. Deshalb liegt kein sogenannter Tendenzbetrieb vor, bei dem das Betriebsverfassungsgesetz nur eingeschränkt gegolten hätte. Es berichtet lto.de.

BGH zu Wohnungskündigung bei Privatinsolvenz: Im Fall der Privatinsolvenz muss eine Kündigung des Mietverhältnisses den insolventen Mieter erreichen, bevor der Insolvenzantrag bei Gericht eingeht. Andernfalls darf erst wieder gekündigt werden, wenn Rechte und Pflichten bezüglich der Wohnung vom Insolvenzverwalter wieder freigegeben sind. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass nach Freigabe auch wegen Mietschulden, die vor der Insolvenzanmeldung aufgelaufen sind, gekündigt werden darf, berichtet die FAZ (Anne-Christin Sievers). Gleichzeitig entschied der BGH, dass bei Schimmelpilzbefall zwar mit Mietrückhalt Druck gemacht werden darf, aber nicht durch komplette Zahlungseinstellung über einen unbefristeten Zeitraum.

BGH zu Duldungspflicht des Mieters: Der Mieter hat es zu dulden, wenn der Vermieter Rauchmelder in der Mietwohnung anbringt und deren Wartungen durchführt. Dass der Mieter selbst Rauchmelder angebracht hat, ändert daran nichts, entschied jetzt der Bundesgerichtshof laut lto.de, weil Einbau und Wartung aus einer Hand größere Sicherheit böten.

OLG Köln zu Verfahren um Oradour-Massaker: Wegen des SS-Massakers in Oradour-sur-Glane wird das Hauptverfahren gegen einen 90-jährigen Kölner endgültig nicht eröffnet. Das entschied das Oberlandesgericht Köln auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Nichteröffnungsbeschluss des Landgerichts. Auch das OLG kam zu dem Schluss, dass eine eigene Beteiligung dem Angeklagten wohl nicht nachzuweisen sein werde, berichtet spiegel. de.

OLG München – NSU Prozess: Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München ging es wieder um den seinerzeitigen Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, der sich zur Zeit der Tötung Halit Yozgats am Tatort aufgehalten haben soll. Während langwieriger Vernehmungen fragte der Vorsitzende die Angeklagte, ob sie bei der Sache sei und diese äußerte sich zum ersten Mal hörbar mit einem "Ja", berichten spiegel.de (Wiebke Ramm) und zeit.de (Tom Sundermann).

OVG Münster zu Durchwahlen: Bürger haben keinen informationsfreiheitsrechtlichen Anspruch darauf, die Durchwahlen von Jobcentermitarbeitern zu erhalten, melden lawblog.de (Udo Vetter) und lto.de. Der Anspruch sei zum Schutz der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung Jobcenter nach § 3 Nr. 2 Informationsfreiheitsgesetz ausgeschlossen.

LG Lüneburg* – Auschwitz-Prozess: Zum Prozess gegen den früheren SS-Mann Gröning vor dem Landgericht Lüneburg* schreibt die BerlZ (Christian Bommarius). Der historische Sachverständige bezweifelte selbstentlastende Angaben Grönings.

AG Kiel zu falscher Lehrerin: Eine Frau, die Jahrzehnte lang mit gefälschten Abschlusszeugnissen als Lehrerin tätig war, wurde nun vom Amtsgericht Kiel wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Es berichten zeit.de, FAZ (Frank Pergande) und lto.de.

AG Lübeck zu Tortendesign als Kunst: Eine Frau führte ein Geschäft für Tortenzubehör und gestaltete zudem vereinzelt Tortendekorationen für Kunden. Diese Designer-Tätigkeit muss sie nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Lübeck nicht in die Handwerksrolle für das Konditorhandwerk eintragen lassen. Die individuelle Motivgestaltung gehe über die handwerkliche Dekoration hinaus und sei Kunst. Es berichten SZ (Thomas Öchsner), FAZ (Frank Pergande) und lto.de.

SG Aachen zu Zuständigkeit bei Hausverbot im Jobcenter: Das Sozialgericht Aachen hat entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entschieden, dass für die Überprüfung eines Hausverbots im Jobcenter der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist und keine Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit besteht. Das meldet Rechtsanwalt Thorsten Blaufelder (kanzlei-blaufelder.com).

BVerwG und BVerfG zu Titelaberkennung: Richter am Baden-Württembergischen Staatsgerichtshof und Rechtsprofessor Joachim von Bargen schreibt in der FAZ über die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Aberkennung des Doktortitels bei ordnungsgemäßer Dissertation. Als "unwürdig" einen Doktortitel zu tragen erweise sich, wer schwerwiegende wissenschaftliche Verstöße begehe – etwa plagiieren oder Versuchsdaten fälschen – und wer Straftaten mit Wissenschaftsbezug begehe – etwa Betrug bei der Finanzmittelwerbung. Die nach früherer Rechtsprechung maßgebliche "ehrenrührige Straftat" sei hingegen kein Grund für den Titelentzug.

EuGH zum OMT-Programm: Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum OMT-Programm der Europäischen Zentralbank und dem, was aus der Entscheidung folgt, befassen sich Rechtsprofessor Heiko Sauer auf verfassungsblog.de und Rechtsprofessor Christoph Herrmann auf verfassungsblog.de.

* geändert am 18.06.2015, 10.48. Zuvor stand hier LG Lübeck.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. Juni 2015: Handy-Befangenheit – kein Oradour-Prozess – Folterverbot USA . In: Legal Tribune Online, 18.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15913/ (abgerufen am: 12.05.2024 )

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