Die juristische Presseschau vom 15. Dezember 2015: Anwalt vor Gericht / EU-Daten­schutz / Staat­s­umbau in Polen

15.12.2015

China wähnt sich auf dem Weg zum Rechtsstaat und klagt einen Menschenrechtsanwalt an. Außerdem in der Presseschau: EU-Datenschutzreform vor Abschluss, Achtung vor Rechtsstaatlichkeit in Polen und falsche Ansprechpartner für ein Feuer.

Thema des Tages

China – Menschenrechte: Vor einem Gericht in Peking muss sich der prominente chinesische Menschenrechtsanwalt Pu Zhiqiang wegen "Aufruf zum ethnischem Hass" und "Störung der öffentlichen Ordnung" verantworten. Gegenständlich seien sieben von Pu verschickte Kurzmitteilungen, in denen sich der unter anderem als Vertreter von Ai Weiwei auch international bekanntgewordene Anwalt kritisch zur Politik in der Provinz Xinjiang geäußert und sich über einige Funktionäre lustig gemacht habe, schreibt die FAZ (Petra Kolonko). Ihm drohten bis zu acht Jahre Haft.

Das HBl (Stephan Scheuer) berichtet zu der von Präsident Xi Jinping eingeleiteten Kampagne gegen Korruption. Eine eigens eingerichtete Disziplinarkommission mit Wang Qishan an der Spitze habe Ermittlungen gegen eine halbe Million Parteifunktionäre eingeleitet und ihren Leiter zum zweitmächtigsten Mann des Landes werden lassen.

Nach dem Kommentar von Bernhard Zand (spiegel.de) steht das Verfahren gegen Anwalt Pu exemplarisch für die verschärfte Gangart des Regimes gegenüber Kritikern. Im Verlauf dieses Jahres, in dem China nach Aussage seiner politischen Führung zu einem Verfassungs- und Rechtsstaat werden sollte, wurden mehr als 300 Anwälte zumindest vorübergehend festgesetzt.

Rechtspolitik

EU-Datenschutz: Am heutigen Dienstag beraten EU-Mitgliedsstaaten, das EU-Parlament und die Europäische Kommission voraussichtlich die letzten strittigen Punkte eines europaweit einheitlichen Datenschutzrechts. Die SZ (Varinia Bernau/Thomas Kirchner) stellt Bußgelder, die an den globalen Jahresumsatz datenschutzverletzender Unternehmen gekoppelt sind, als den wichtigsten Punkt der geplanten Verordnung dar. Ebenfalls kodifiziert werden solle das Recht auf Vergessenwerden. Daneben steht eine Einigung zu anderen Punkten, etwa der Form einer notwendigen Nutzerzustimmung zur Datenverarbeitung noch aus, schreibt zeit.de (Friedhelm Greis). Dass die Reform nach jahrelangen Verhandlungen überhaupt zum Abschluss komme, sei vor allem den Enthüllungen Edward Snowdens zu verdanken.

Varinia Bernau (SZ) begrüßt die Regelungen in einem Kommentar als "überfällig". Neben dem Schutz der Privatsphäre Einzelner sei die Verordnung auch notwendig, um Europa nicht "zu einer Art digitaler Kolonie" US-amerikanischer Konzerne werden zu lassen.

Opferrechte: Am kommenden Freitag steht das 3. Opferrechtsreformgesetz vor seiner Billigung durch den Bundesrat. Rechtsprofessor Robert Esser stellt auf lto.de zentrale Bestimmungen des Entwurfs vor. Der Autor gibt zu bedenken, dass "die Einbeziehung von Opferinteressen ab einem bestimmten Maß jedenfalls nicht mehr zielführend, manchmal sogar schädlich" für den eigentlichen Zweck des Strafprozesses sei. Als "Korrektiv" sei in jedem Fall die qualitative Aufwertung von Beschuldigtenstandards, auch schon im Ermittlungsverfahren, angezeigt.

Diskriminierung: Durch eine Änderung des Gaststättengesetzes will die niedersächsische Landesregierung rassistische Diskriminierung beim verweigerten Einlass in Discos unterbinden. Abgewiesene sollen nicht mehr nur auf eigenes Risiko und eigene Kosten Diskriminierung nach den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes rügen dürfen, so die SZ (Oliver Klasen/Michael Neudecker, Zusammenfassung). Vielmehr sollten nach dem Entwurf nun auch Ordnungsbehörden Sanktionen von Bußgeldern bis zu Gewerbeverboten aussprechen dürfen.

Flüchtlingspolitik: Reinhard Müller (FAZ) behauptet im Leitartikel der Zeitung, dass die "Kontrolle über die eigene Grenze, das Staatsgebiet und über die Zusammensetzung der hiesigen Bevölkerung" noch nicht "wiedergewonnen" sei. Die Annahme, nationale Grenzen seien bedeutungslos, "ist weder national noch europäisch, sondern gefährlich". Tatsächlich existiere Deutschland auch als Schutzraum für Flüchtlinge "nur, weil es Grenzen hat". Hierzu gehöre auch die Entscheidung, gegenüber wem sie geöffnet werden und verschlossen bleiben.

NS-Propaganda-Tourismus: Die Verwendung von NS-Kennzeichen und -Propagandasymbolen im Ausland soll nach dem Willen einer Hamburger Bundesratsinitiative unter Strafe gestellt werden, wenn der Täter seine Lebensgrundlage in Deutschland hat. Über das Vorhaben und dessen mutmaßlichen Anlass berichtet die taz (Christian Rath).

Klimaschutz: Rechtsprofessor Felix Ekardt fasst für lto.de die Ergebnisse der Pariser Klimakonferenz zusammen. Problematisch sei vor allem die fehlende Verbindlichkeit der getroffenen Vereinbarungen, sowohl bei der Verminderung von Emissionen als auch in Bezug auf in Aussicht gestellte Hilfen für ärmere Länder. In beiden Fällen habe sich die EU der ihr möglichen Vorreiterrolle verweigert.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. Dezember 2015: Anwalt vor Gericht / EU-Datenschutz / Staatsumbau in Polen . In: Legal Tribune Online, 15.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17858/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen