Die juristische Presseschau vom 15. Mai 2014: EuGH zu Schwermetall in Spielzeug – Freispruch im "Fall Peggy" – Vorermittlungen gegen britische Soldaten

15.05.2014

Justiz

EuGH zu Google: Die Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Löschung von Google-Einträgen geht weiter. Die Zeit (Stefan Schmitt) und die FAZ (Stefan Schulz) im Feuilleton sehen nicht nur Vorteile, spiegel.de (Matthias Kremp/Markus Böhm) gibt einen Überblick über die wesentlichen rechtlichen Konsequenzen.

In einem Interview auf verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) stellt Rechtsprofessorin Indra Spiecker, genannt Döhmann, die Entscheidung in einen größeren Kontext. Sie meint, der EuGH sei gerade dabei, sich neu zu erfinden: "Der EuGH handelt mit diesem Urteil – anders als das Kommission, Rat und Parlament in Hinblick auf die Reform des Datenschutzrechts derzeit tun."

Sascha Lobo (spiegel.de) ist skeptisch und meint, die potenziell tödliche Macht der Metadaten werde sich durch das Urteil nicht einschränken lassen. Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) sieht gute Gründe, warum das Gericht keine Prüfung von etwaig kollidierenden Grundrechten vorgenommen hat: "Was das Gericht hier macht, erinnert mich eher an eine Verhältnismäßigkeitsprüfung: Wenn Google mich als Bankrotteur aussehen lässt, obwohl ich das längst nicht mehr bin oder vielleicht noch nie war, dann ist das erst einmal ein Eingriff in mein Recht auf Privacy." Leonhard Dobusch (netzpolitik.org) meint mit dem Urteil sei die "privatisierte Rechtsdurchsetzung" weiter auf dem Vormarsch. Das "Recht, vergessen zu werden" habe strukturelle Ähnlichkeit mit bereits bestehenden Netzsperren und laufe dem Recht auf Informations- und Meinungsfreiheit zuwider.

BGH zu Ölpreisbindung: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die Koppelung des Gaspreises an den Ölpreis ("Ölpreisbindung") bei Verträgen mit Unternehmen rechtens ist, meldet kurz spiegel.de. Im Unterschied zu Privatkunden, für die der BGH im Jahr 2010 die Wirksamkeit der Klausel abgelehnt hatte, könne man von Unternehmen die notwendige Sachkenntnis erwarten, um die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versorgungsunternehmen richtig zu beurteilen.

BGH zu Bankgebühren: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), zusätzliche Bearbeitungsgebühren bei Verbraucherkrediten für rechtswidrig zu erklären, wird weiter erörtert. Die FAZ (Kerstin Papon/Markus Frühauf) berichtet in ihrem Wirtschaftsteil, für Hypothekenkredite würden schon seit Jahren keine Gebühren erhoben. Nach Ansicht des Bremer Verbraucherschützers Hartmut Schwarz seien auch Bausparkassen von dem Urteil betroffen. Zur Frage, ob eine Verjährungsfrist von drei Jahren greift, wie von den Banken gefordert, oder von zehn Jahren, hat sich der BGH noch nicht geäußert.

Michael Maisch (Handelsblatt) meint, die acht Entscheidungen von Oberlandesgerichten gegen Bankgebühren seit 2010 hätten die Banken nicht zu einem Umdenken bewogen: "Kulturwandel geht anders."

BayVerfGH – Rundfunkgebühr: Am heutigen Donnerstag gibt der Bayerische Verfassungsgerichtshof seine Entscheidung zu den Rundfunkgebühren bekannt. Sollte die Popularklage des Juristen Ermano Geuer und der Drogeriemarktkette Rossmann erfolgreich sein, dann, so Geuer, werde die Bayerische Staatsregierung den Auftrag erhalten, einen neuen Rundfunkstaatsvertrag auszuhandeln, berichtet das Handelsblatt (K. Ludowig/H.-P. Siebenhaar).

OLG Frankfurt/Main zu Verschwiegenheitspflicht: Rechtsanwalt Christian Oberwetter setzt sich auf lto.de mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt/Main zur Verschwiegenheitspflicht eines Headhunters auseinander. Dieser hatte einer Bewerberin verraten, dass die Firma, für die er geeignete Kandidaten finden sollte, keine Frau auf der ausgeschriebenen Position einstellen wolle. Außerdem hatte er der Frau zur Klage vor dem Arbeitsgericht geraten, die dort 8.500 Euro erstritt. Das OLG verurteilte den Headhunter dazu, ein Drittel des Schadens, den die Firma erlitten hatte, zu tragen. Oberwetter sieht eine gesellschaftliche Notwendigkeit, gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung vorzugehen. Da es sich dabei nicht um eine innere Angelegenheit der Firma handele, werde sie auch nicht von der Verschwiegenheitspflicht umfasst.

LG Gießen – Sexueller Missbrauch durch Lokalpolitiker der Grünen: Die taz (Arno Frank) berichtet über den Prozess gegen Hans-Bernd K. Dem ehemaligen Büroleiter von Tom Koenigs wird sexueller Missbrauch von Minderjährigen vorgeworfen. Die Taten soll er auch in den Büroräumen begangen haben. Zur Rolle von K. will sich bei den Grünen niemand äußern. "Es ist, als habe es bei den Grünen nie einen Hans-Bernd K. gegeben." Der Angeklagte sei der "damnatio memoriae" verfallen. Das Urteil soll am 14. Juli gefällt werden.

LG Bayreuth spricht Ulvi K. frei: Wie erwartet, hat das Landgericht Bayreuth im Wiederaufnahmeverfahren im "Fall Peggy" den Angeklagten Ulvi K. freigesprochen. Es berichten SZ (Hans Holzhaider), FAZ (Andreas Nefzger) und Die Welt (Hannelore Crolly/Anja-Maria Meister).

spiegel.de (Vanessa Steinmetz) erläutert, wie es nach dem Freispruch weitergeht. Ulvi K. bleibe vorerst in der Psychiatrie, die regelmäßig durchzuführende Gefährlichkeitsprognose werde nach dem Freispruch allerdings vermutlich zu anderen Ergebnissen führen. Einen Anspruch auf Entschädigung habe er nicht.

Hans Holzhaider (SZ) meint, es gebe zwar keine Freisprüche zweiter Klasse im deutschen Strafrecht, wenn das Gericht aber im Urteil feststelle, "ein Tatnachweis ist nicht zu führen", sei das etwas anderes als die gesicherte Überzeugung des Gerichts von der Unschuld des Ulvi K.

LG München – Ecclestone: Über den letzten Verhandlungstag im Prozess gegen Bernie Ecclestone vor einer Pause bis zum 30. Juli berichten SZ (Christoph Giesen) und FAZ (Henning Peitsmeier), jeweils in ihrem Wirtschaftsteil. Ziel der Verteidigung Ecclestones sei es gewesen, den Hauptbelastungszeugen Gribkowsky unglaubwürdig zu machen.

LG Berlin – Bahn gegen Bombardier: Die Bahn hat das Waggonbauunternehmen Bombardier auf 350 Millionen Euro Schadenersatz verklagt, da dieser Mängel an in den Neunziger Jahren ausgelieferten S-Bahn-Wägen arglistig verschwiegen haben soll. Der Vorsitzende Richter Lothar Jünemann hat allerdings erhebliche Zweifel an dieser Version und vertagte den Prozess bis Februar 2015. Es berichten die SZ (Daniela Kuhr) in ihrem Wirtschaftsteil und spiegel.de.

LG Berlin verurteilt Udo Voigt: Wie die taz in einer Kurzmeldung mitteilt, ist der NPD-Vorsitzende Udo Voigt vom Landgericht Berlin wegen Volksverhetzung zu einer Haftstrafe von einem Jahr mit Bewährung verurteilt worden.

StA Hamburg – Suizidhilfe: Gegen den früheren Hamburger Justizsenator Roger Kusch hat die Staatsanwaltschaft Hamburg Anklage wegen Totschlags in mittelbarer Täterschaft erhoben. Wie die taz (Marco Carini) berichtet, soll Kusch als Vorsitzender des Vereins "Sterbehilfe Deutschland" zwei todkranke Frauen nicht angemessen über Alternativen zum Suizid aufgeklärt haben. Dadurch habe er die Tatherrschaft innegehabt, die Frauen, die das tödliche Medikament selbständig eingenommen hatten, seien Kuschs Werkzeuge gewesen.

Christian Rath (taz.de) spricht von einer bizarren Begründung der Anklage und hält es für naheliegend, dass die Anklage politisch motiviert sei. Sie stehe im Kontext der aktuellen Bestrebungen, organisierte Sterbehilfe zu kriminalisieren.

StA Hamburg – Gregor Gysi: Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat die Ermittlungen gegen Gregor Gysi wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage wieder aufgenommen. Da man neuen Erkenntnissen nachgehe und weitere Zeugen gehört werden sollen, würden sich die Ermittlungen noch über Wochen oder Monate hinziehen, teilte Nana Frombach, die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft mit. Es berichtet spiegel.de (Fabian Reinbold). Wie der pensionierte Richter Lothar Thoß, der Gysi angezeigt hatte, erklärte, könnte es sich bei den Zeugen um die beiden früheren SED-Funktionäre Ursula Jung und Raoul Gefroi handeln, berichtet exklusiv die FR (Markus Decker).

AG Emden zu Volksverhetzung: lawblog.de (Udo Vetter) gibt ein Beispiel, wie "Internet-Streifen" der Polizei zu einer Verurteilung wegen Volksverhetzung führten. Dass der Verurteilte in seinem Facebook-Beitrag die Anwendung von Zyklon B gegen Asylbewerber propagiert habe, mache die Praxis der Polizei – stichprobenartige Suche nach strafbaren Äußerungen im Netz ohne konkreten Anlass, Identifizierung einer mutmaßlichen IP-Adresse, zuletzt Hausdurchsuchung ohne Rechtsbelehrung – nicht weniger fragwürdig.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 15. Mai 2014: EuGH zu Schwermetall in Spielzeug – Freispruch im "Fall Peggy" – Vorermittlungen gegen britische Soldaten . In: Legal Tribune Online, 15.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11983/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen