Die juristische Presseschau vom 10. bis 12. September 2016: Gericht in Guan­t­a­namo / Öff­ent­lich­keits­ar­beit im BMJ / EuGH zu Frei­han­dels­ab­kommen

12.09.2016

15 Jahre nach den Anschlägen vom 11. September dauert deren juristische Aufarbeitung an. Außerdem in der Presseschau: BMJ gibt Ausschussprotokoll weiter, EuGH zum Charakter eines Freihandelsabkommens und Lehrreiches von der Maus.

Thema des Tages

USA – Guantanamo: Vor einem Sondergericht auf dem Militärstützpunkt Guantanamo sind der frühere Hamburger Student Ramsi bin al-Schibb sowie Khalid Scheich Mohammed als Cheflogistiker der Anschläge vom 11. September 2001 angeklagt. Beiden droht die Todesstrafe. Die Samstags-SZ (Georg Mascolo u.a.) bringt unter dem Titel "Der Prozess" eine große Reportage zum Verfahren, das offenbare, dass "die USA aus einem Mann, der sich selbst einer solch mörderischen Tat rühmt, ein Opfer gemacht" hätten. Trotz jahrelanger Vorarbeiten befinde sich das "Jahrhundertverfahren" selbst immer noch in der Vorbereitungsphase, die unter der Verantwortung des früheren US-Präsidenten George W. Bush ersonnene "Paralleljustiz" für Terroristen ersticke an ihren Widersprüchen, etwa beim Versuch, Folterpraktiken geheim zu halten. Es sei selbst unter den besonderen Bedingungen der Militärstrafgerichtsbarkeit fraglich, ob die jahrelangen Misshandlungen al-Schibbs, der erst nach drei Jahren in Geheimgefängnissen nach Guantanamo verbracht wurde, ein rechtsstaatliches Verfahren gegen ihn nicht unmöglich gemacht haben.

Rechtspolitik

Heiko Maas/netzpolitik.org: Vor einigen Wochen veröffentlichte netzpolitik.org das Protokoll einer nichtöffentlichen Sitzung des Rechtsausschusses, auf der sich Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im August des letzten Jahres für sein Verhalten in der Angelegenheit rechtfertigte. Dass diese Veröffentlichung offenbar durch die Pressestelle des Justizministeriums ermöglicht wurde, hat Kritik der Ausschussvorsitzenden Renate Künast (Grüne) hervorgerufen. In einem dem Tsp (Jost Müller-Neuhof) vorliegenden Brief an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) rügt sie, dass über ein solches Dokument nicht "eigenmächtig verfügt werden" dürfe. Eine Stellungnahme des Ministeriums stehe aus.

Obergrenze: Der CSU-Vorstand billigte am Wochenende einen Forderungskatalog zur Flüchtlingspolitik, der unter anderem eine Obergrenze für die Aufnahme von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr enthält. Die Zahl beruhe auf Erfahrungen früherer Jahre, erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der FAS (Markus Wehner u.a., Zusammenfassung). Die CSU stütze sich bei der Forderung auch auf die gutachterliche Meinung des früheren Verfassungsrichters Udo di Fabio, nach der die unbegrenzte Aufnahme von etwa Bürgerkriegsflüchtlingen keine völkerrechtliche Verpflichtung sei. Thomas Gutschker (FAS) erinnert in einem Kommentar daran, dass als Erfinderin einer Einwanderungs-Obergrenze die Schweiz zu gelten habe. Das Schicksal der Volksabstimmung im Februar 2014 – begrenzende Maßnahmen sollen nach aktuellem Verhandlungsstand nur mit Zustimmung der EU-Kommission erfolgen – belege, dass die "Größe" von Demokratien darin bestehe, "Fehler aus eigener Kraft ausbügeln" zu können.

Familienrecht: Fortschritte in der Fortpflanzungsmedizin und die Praxis neuartiger Familienkonstellationen werden im gegenwärtigen Familienrecht nur ungenügend widergespiegelt. Ein für den in dieser Woche stattfindenden Juristentag erstelltes "formidables" Gutachten von Rechtsprofessor Tobias Helms könnte den "Grundstein einer neuen Ordnung" legen, schreibt die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch).

Zentralstelle Extremismus: Die Samstags-SZ (Heribert Prantl) befragt den bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) zu Aufgaben und Kompetenzen der im Freistaat geplanten Zentralstelle Extremismus sowie Überlegungen einer verschärften Strafbarkeit von Beleidigungen im Internet.

Roaming-Gebühren: Die in der vergangenen Woche bekanntgegebenen zeitlichen Beschränkungen beim Wegfall von Roaming-Gebühren im EU-Ausland sind am Freitag offenbar kassiert worden. EU-Kommissionspräsident habe nach Angaben eines Sprecher "einen neuen, einen besseren Vorschlag" in Auftrag gegeben, schreibt die Samstags-SZ (Daniel Brössler/Thomas Kirchner).

BND-Reform: In einer der Samstags-FAZ (Reinhard Müller) vorliegenden Stellungnahme des Staatsrechtslehrers Klaus Gärditz wird die geplante BND-Reform "insgesamt positiv" bewertet. Das für eine Ausschussanhörung vorbereitete Papier lobe den rechtsstaatlichen und auch Datenschutzbelange berücksichtigenden Charakter der Reform. Nach ihm sei das größte Risiko für eine wirksame parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste "immer noch Abgeordnete, die mit ihrer großen Verantwortung nicht angemessen umzugehen wissen."

Erbschaftsteuer: In einem Gastkommentar für das Hbl unterbreitet Rechtsanwalt Henrich Schleifenbaum einen "ungewöhnlichen Vorschlag" zur anstehenden Reform der Erbschaftsteuer. Weil der Wert gerade von Unternehmensbeteiligungen im zukünftigen Nutzen bestehe, sollte die Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht als Vermögen-, sondern als Ertragsteuer ausgestaltet werden. Der tatsächliche Ertrag würde ohnehin ertragsteuerlich ermittelt.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. bis 12. September 2016: Gericht in Guantanamo / Öffentlichkeitsarbeit im BMJ / EuGH zu Freihandelsabkommen . In: Legal Tribune Online, 12.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20397/ (abgerufen am: 02.05.2024 )

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