Die juristische Presseschau vom 10. bis 12. September 2016: Gericht in Guan­t­a­namo / Öff­ent­lich­keits­ar­beit im BMJ / EuGH zu Frei­han­dels­ab­kommen

12.09.2016

Justiz

EuGH - Freihandelsabkommen: Die Montags-taz (Christian Rath) weist auf eine für heute und morgen angesetzte mündliche Verhandlung des Europäischen Gerichtshofs hin. Auf Antrag der EU-Kommission soll das Gericht verbindlich feststellen, ob das im letzten Jahr geschlossene Freihandelsabkommen der EU mit Singapur tatsächlich als sogenanntes gemischtes Abkommen die Zustimmung aller nationalen Parlamente erfordert, wie dies die Mitgliedsstaaten beschlossen hatten. Der Verhandlungsverlauf werde auch den Fortgang in der diesbezüglichen Debatte über die Einordnung von CETA beeinflussen.

EuGH zu Linkhaftung: netzpolitik.org (Leonhard Drobusch) fasst offene Fragen zusammen, die sich aus der in der vergangenen Woche ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Linkhaftung ergeben.

EuGH – Mehrwertsteuer für E-Books: Die Schlussanträge von Generalanwältin Juliane Kokott im Verfahren zur EU-Mehrwertsteuerrichtlinie, nach der Print- gegenüber Online-Produkten steuerlich privilegiert werden, kritisiert Rechtsanwalt Johannes Klostermann auf lto.de.

BVerfG zu Stromnetz-Konzessionen: Die Schwarzwald-Stadt Titisee-Neustadt ist vor dem Bundesverfassungsgericht mit dem Versuch gescheitert, die bisherigen strengen Vorgaben bei der Vergabe von Stromnetz-Konzessionen zu "kippen", meldet die BadZ (Christian Rath). Die Kommunalverfassungsbeschwerde wurde als unzulässig abgewiesen, obwohl eine beachtliche Auffassung der Literatur vertrete, dass derartige Klagen auch gegen Gerichtsurteile und damit Richterrecht möglich sein sollten. In einem Hintergrundbeitrag weist die BadZ (Christian Rath) darauf hin, dass nach einem im Februar beschlossenen Gesetzentwurf bei der Vergabe der Konzessionen künftig auch örtliche Interessen wie etwa hohe Konzessionszahlungen berücksichtigt werden dürfen. Eine Vergabe ohne öffentliche Ausschreibung bleibe aber unzulässig.

BVerfG zu Pressefreiheit: Am vergangenen Freitag hat das Bundesverfassungsgericht sitzungspolizeiliche Maßnahmen des Oberlandesgerichts München, nach denen Bilder nicht gegen den erkennbaren Willen der in einem Strafverfahren Angeklagten und solche von Richtern nur an bestimmten Terminen angefertigt werden dürften, im Wege einer Eilentscheidung aufgehoben. Die Flüssigkeit des Verfahrensablaufs dürfe nicht zum alleinigen Maßstab derartiger Verbote gemacht werden, fasst verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis) die Entscheidung zusammen.

BVerwG zu Anschluss- und Benutzungszwang: Am vergangenen Donnerstag hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil die Möglichkeit für Kommunen, den Anschluss- und Benutzungszwang an eine Fernwärmeversorgung zum Zwecke des globalen Klimaschutzes nach § 16 Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes anzuordnen entscheidend erleichtert. Rechtsprofessor Felix Ekardt stellt auf lto.de die Rechtsproblematik vor und erläutert, warum durch die Entscheidung ein Beitrag zum globalen Klimaschutz geleistet wurde.

OLG Köln zu Versicherungs-Provisionen: Der Bund der Versicherten hat ein am vergangenen Mittwoch verkündetes Urteil des Oberlandesgerichts Köln erwirkt, nach dem eine beklagte Lebensversicherung Kunden neben grundsätzlich zulässigen Provisionskosten unzulässig auch noch Abschlusskosten berechnete. Die Samstags-FAZ (Philipp Krohn) führt in die versicherungsmathematische Thematik ein und gibt Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten wieder.

OLG Rostock zu "Rabauken-Jäger": Das Oberlandesgericht Rostock hat am vergangenen Freitag die Verurteilung eines Journalisten wegen Beleidigung eines lokalpolitisch aktiven Jagdpächters in der Revisionsinstanz aufgehoben. Als "eher harmlose Herabsetzung" bleibt die verwendete Bezeichnung "Rabauken-Jäger" damit straffrei. Die Samstags-FAZ (Jochen Zenthöfer) berichtet.

FG B-B zu Berghain: Vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg in Cottbus obsiegten die Betreiber des Berliner Technoclubs Berghain gegenüber der finanzamtlichen Forderung nach einem erhöhten Umsatzsteuersatz für erwirtschaftete Eintrittsgelder. Der Spiegel (Tobias Rapp) begleitete die Verhandlung, bei der über "sehr deutsche Fragen" wie die Unterscheidung zwischen Kultur und Unterhaltung gestritten wurde.

LG Braunschweig – VW: Bis zur vergangenen Woche sind beim Landgericht Braunschweig 290 Klagen von VW-Anlegern mit einem Gestamtstreitwert von über vier Milliarden Euro eingegangen, schreibt das Hbl (Gertrud Hussla/Volker Votsmeier). Weil Ansprüche von Kapitalanlegern aber zum 20. September verjähren könnten, formulierten zahlreiche Großkanzleien aktuell weitere Klageschriften am Fließband. Dabei sei nach dem zwischenzeitlichen Inkrafttreten des Kleinanlegerschutzgesetzes fraglich, ob die Verjährung tatsächlich ein Jahr nach Bekanntwerden der Pflichtverletzung eintrete.

LG Bonn – Künstliche Befruchtung: Jost Müller-Neuhof (Tsp) kommentiert einen am Landgericht Bonn anhängigen Fall als möglichen Präzedenzfall für ein männliches Recht auf Abtreibung. Im verhandelten Streitfall hatte ein Mann die weitere Konservierung künstlich bereits befruchteter Eizellen gegen den Willen seiner Partnerin untersagt. Sollte er vor Gericht Recht bekommen, ließe sich hieraus womöglich ein männliches Recht, "sich von dem Kind zu lösen, auch wenn die Frau es behalten möchte", ableiten.

LG Kiel/LG Neubrandenburg – Auschwitz: Wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit hat das Landgericht Kiel am letzten Freitag die Eröffnung eines Verfahrens gegen eine 92-Jährige, die als Funkerin im Vernichtungslager Auschwitz tätig war, abgelehnt. Nach Meldung der Samstags-taz (Klaus Hillenbrand) beginnt derweil am heutigen Montag vor dem Landgericht Neubrandenburg der Prozess gegen einen 95-Jährigen. Dem früheren SS-Sanitäter wird wegen seiner Tätigkeit in Auschwitz Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen vorgeworfen.

LG Köln – Alice Schwarzer: Die WamS (Jennifer Wilton) stellt Waltraud Schade vor, deren Werk "Schwarzer Tango" auch eine frühere Beziehung der Autorin mit Alice Schwarzer behandelt. Am 5. Oktober verhandelt das Landgericht Köln über die Zulässigkeit einer von Schwarzer erwirkten einstweiligen Verfügung gegen die Veröffentlichung des Buchs.

AG München – Bayern München: Christian Rath (Samstags-taz) kommentiert das in der vergangenen Woche bekanntgewordene, offenbar förmliche Verfahren zur Streichung des FC Bayern München aus dem Vereinsregister wegen "Rechtsformverfehlung" als "gut gemachte Werbung". Dem antragstellenden Rechtsprofessor sei offenbar die im Fall des ADAC angedeutete "harte Linie" des Amtsgerichts München ein Dorn im Auge. Er wolle den Richtern durch die Aktion die Konsequenzen illustrieren.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. bis 12. September 2016: Gericht in Guantanamo / Öffentlichkeitsarbeit im BMJ / EuGH zu Freihandelsabkommen . In: Legal Tribune Online, 12.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20397/ (abgerufen am: 17.05.2024 )

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