Die juristische Presseschau vom 9. - 11. November 2013: Raubkunst-Rückgabe – Koalitions-Einigkeit – Angeklagter Wulff

11.11.2013

Kann eine Rückgabe der in München sichergestellten Kunstwerke an Verjährungsfristen scheitern? Außerdem in der Presseschau: Die sich abzeichnende Große Koalition einigt sich, Unternehmensstrafrecht in der Kritik, Christian Wulff vor seinem Prozess, Kopftuch in der Verwaltung, Steuerhinterziehung bei der EU-Kommission und ein Anwalt auf Abwegen.

Thema des Tages

Raubkunst: Die in der vergangenen Woche bekanntgegebene Sicherstellung mutmaßlicher Raubkunst in einer Münchner Wohnung, die zweifelhaften Versuche, die ursprünglichen Eigentümer der Werke zu ermitteln und Rückgabe der Werke stehen im Zentrum der Berichterstattung.

Die Samstags-SZ (Andreas Zielcke) entwirft einen Überblick über Regelungsversuche zur Rückgabe von Raubkunst in den 50er und 60er Jahren und benennt die Wirksamkeit des Einziehungsgesetzes von 1938 als die aktuell wesentliche rechtliche Frage. In mehreren Prozessen zur Rückabwicklung von Enteignungen auf Grundlage dieses Gesetzes hätten Gerichte diese Wirksamkeit bejaht, daher sei nun der Gesetzgeber gefordert, auch im Umgang mit den oftmals einer Rückgabe entgegenstehenden Verjährungsregelungen.

Der Focus berichtet in seinem Titelthema vor allem über Versäumnisse der Ermittler bei der Kontaktaufnahme mit den Erben der ursprünglichen Eigentümer. Aus sichergestellten Unterlagen Hildebrand Gurlitts, des verstorbenen Vaters des jetzigen Besitzers, gehe die Raubkunst-Eigenschaft vieler Werke hervor. Die Montags-FAZ (Julia Voss) erwartet eine Erklärung für das Versäumnis des mit der Sache befassten Oberstaatsanwalts, nicht bereits bei Sicherstellung der Kunstwerke einen Sachverständigen für Raubkunst beauftragt zu haben.

In einem Gastbeitrag fordert Ronald S. Lauder (Montags-Welt), Präsident des Jüdischen Weltkongresses, die unmittelbare Veröffentlichung der Bilder, nur so könne schnell deren Provenienz geklärt und damit eine Rückgabe sichergestellt werden. Zu diesem Zweck seien auch gebotene rechtliche Klarstellungen vorzunehmen, denn "leider hat die deutsche Rechtswissenschaft nach dem Krieg oft mit großer Spitzfindigkeit Wege gefunden, staatlich begangenes Unrecht auch nachträglich zu zementieren." Verjährungsfristen würden Profiteure des Unrechts begünstigen. Der Fall beweise, dass Nazi-Verbrechen in der Gegenwart nachwirken.

Rechtspolitik

NS-Paragraphen: Über eine von der schleswig-holsteinischen Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) angeregte Bundesratsinitiative zur Änderung mehrerer aus der NS-Zeit stammender Formulierungen von Straftatbeständen berichtet spiegel.de (Julia Jüttner). Vor allem die tätertyporientierte Definition des Mordes bedürfe einer Überarbeitung.

Vorstandsgehälter: In ihren Koalitionsverhandlungen haben sich Union und SPD bei der Vorstandsvergütung geeinigt. Wie die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) schreibt, soll die in der vergangenen Legislaturperiode gescheiterte Regelung, nach der Aktionäre über die Gehälter bestimmen sollen, umgesetzt werden. Zudem sollten börsennotierte Aktiengesellschaften künftig angeben müssen, wie viel mehr Vorstände im Vergleich zum Durchschnitt der eigenen Belegschaft verdienen.

Staatsziel Kultur: Die designierten Koalitionsparteien haben sich zudem geeinigt, Kultur als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. Dies berichtet die Samstags-taz (Dirk Knipphals) und fragt nach den praktischen Konsequenzen.

Kooperationsverbot: Eine weitere Einigung betrifft einen wesentlichen Punkt der Föderalismusreform von 2006. Die damals festgeschriebene Regelung, nach der die Finanzierung von Hochschulen und Schulen in das Aufgabengebiet der Länder fällt, soll nach Informationen der FAS (Christian Füller) fallen. Hierzu sei eine Grundgesetzänderung geplant, die auch Bundeshilfen für Schulen umfasse.

Doppelte Staatsbürgerschaft: Vorerst keine Einigung wurde zur doppelten Staatsbürgerschaft erzielt, dies kommentiert Heribert Prantl (Samstags-SZ). Er macht den Widerstand gegen sie als "das letzte Gefecht eines Kampfes" gegen die Erkenntnis von Deutschland als Einwanderungsland aus und wirbt für eine Aufhebung des 1999 eingeführten, "obskuren" Optionsmodells.

Gleichberechtigung: Eine Neuregelung des rheinland-pfälzischen Wahlgesetzes sieht vor, dass auf den Stimmzetteln der im nächsten Jahr stattfindenden Kommunalwahl der Frauenanteil der vorderen Plätze jeder Wahlliste vermerkt ist. Die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorhabens erläutert der Spiegel (M. Amann/M. Bartsch), Zusammenfassung auf spiegel.de.

Unternehmensstrafrecht: Über Kritik an dem von Nordrhein-Westfalen geplanten Entwurf zur Einführung eines bundesweiten Unternehmensstrafrechts schreibt die Samstags-Welt (Michael Gassmann). Einzelheiten beschreibt die Montags-FAZ (Joachim Jahn), u.a. soll die Einrichtung einer Kontroll-Struktur innerhalb des Unternehmens, etwa durch Compliance-Beauftragte, strafmildernd wirken.

Prostitution: Lto.de (Constantin van Lijnden) interviewt die Rechtsanwältin Margarete von Galen zur geplanten Reform des Prostitutionsgesetzes. Die Strafverteidigerin erläutert die Gründe für die 2001 erfolgte Einführung des Gesetzes, seine Auswirkungen und die nun im Raum stehenden Reformvorschläge. Deren Standardargument, dem Schutz vor Menschenhandel, hält von Galen für vorgeschoben, tatsächlich sei ein Totalverbot der Prostitution beabsichtigt.

Über Erfahrungen mit einer Kontaktverbotsverordnung, nach der in einem Hamburger Sperrgebiet sowohl Prostituierte als auch Freier mit einer Ordnungswidrigkeit belegt werden können, schreibt die Samstags-taz-Nord (Christopher Piltz).

Öffentlichkeitsfahndung: In der kommenden Woche stellt eine Arbeitsgruppe der Innen- und Justizminister der Länder Leitlinien und Standards für Fahndungen in öffentlichen Netzwerken vor. Die WamS (Per Hinrichs) berichtet über den Entwurf, nach dem die Internet-Fahndung auf "eine im Einzelfall schwerwiegende Straftat" beschränkt werden und die diesbezügliche Prüfung besonders streng ausfallen soll, wenn sie die Gefahr "diskriminierender Äußerungen oder tätlicher Übergriffe" begründet. Zudem sollten Daten nicht auf Facebook-Servern gespeichert werden.

Investorklagen: Im Gespräch mit der Montags-taz (Eric Bonse) macht die Europaabgeordnete Ska Keller (Grüne) auf die Gefahr von Investorklagen als Bestandteil eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA aufmerksam. Analog einem bereits beschlossenen Abkommen mit Kanada sollen diese Klagen Unternehmen ermöglichen, Streitfragen außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit vor "ominösen, intransparenten Schiedsgerichten" zu lösen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 9. - 11. November 2013: Raubkunst-Rückgabe – Koalitions-Einigkeit – Angeklagter Wulff . In: Legal Tribune Online, 11.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9998/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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