Kann eine Rückgabe der in München sichergestellten Kunstwerke an Verjährungsfristen scheitern? Außerdem in der Presseschau: Die sich abzeichnende Große Koalition einigt sich, Unternehmensstrafrecht in der Kritik, Christian Wulff vor seinem Prozess, Kopftuch in der Verwaltung, Steuerhinterziehung bei der EU-Kommission und ein Anwalt auf Abwegen.
Thema des Tages
Raubkunst: Die in der vergangenen Woche bekanntgegebene Sicherstellung mutmaßlicher Raubkunst in einer Münchner Wohnung, die zweifelhaften Versuche, die ursprünglichen Eigentümer der Werke zu ermitteln und Rückgabe der Werke stehen im Zentrum der Berichterstattung.
Die Samstags-SZ (Andreas Zielcke) entwirft einen Überblick über Regelungsversuche zur Rückgabe von Raubkunst in den 50er und 60er Jahren und benennt die Wirksamkeit des Einziehungsgesetzes von 1938 als die aktuell wesentliche rechtliche Frage. In mehreren Prozessen zur Rückabwicklung von Enteignungen auf Grundlage dieses Gesetzes hätten Gerichte diese Wirksamkeit bejaht, daher sei nun der Gesetzgeber gefordert, auch im Umgang mit den oftmals einer Rückgabe entgegenstehenden Verjährungsregelungen.
Der Focus berichtet in seinem Titelthema vor allem über Versäumnisse der Ermittler bei der Kontaktaufnahme mit den Erben der ursprünglichen Eigentümer. Aus sichergestellten Unterlagen Hildebrand Gurlitts, des verstorbenen Vaters des jetzigen Besitzers, gehe die Raubkunst-Eigenschaft vieler Werke hervor. Die Montags-FAZ (Julia Voss) erwartet eine Erklärung für das Versäumnis des mit der Sache befassten Oberstaatsanwalts, nicht bereits bei Sicherstellung der Kunstwerke einen Sachverständigen für Raubkunst beauftragt zu haben.
In einem Gastbeitrag fordert Ronald S. Lauder (Montags-Welt), Präsident des Jüdischen Weltkongresses, die unmittelbare Veröffentlichung der Bilder, nur so könne schnell deren Provenienz geklärt und damit eine Rückgabe sichergestellt werden. Zu diesem Zweck seien auch gebotene rechtliche Klarstellungen vorzunehmen, denn "leider hat die deutsche Rechtswissenschaft nach dem Krieg oft mit großer Spitzfindigkeit Wege gefunden, staatlich begangenes Unrecht auch nachträglich zu zementieren." Verjährungsfristen würden Profiteure des Unrechts begünstigen. Der Fall beweise, dass Nazi-Verbrechen in der Gegenwart nachwirken.
Rechtspolitik
NS-Paragraphen: Über eine von der schleswig-holsteinischen Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) angeregte Bundesratsinitiative zur Änderung mehrerer aus der NS-Zeit stammender Formulierungen von Straftatbeständen berichtet spiegel.de (Julia Jüttner). Vor allem die tätertyporientierte Definition des Mordes bedürfe einer Überarbeitung.
Vorstandsgehälter: In ihren Koalitionsverhandlungen haben sich Union und SPD bei der Vorstandsvergütung geeinigt. Wie die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) schreibt, soll die in der vergangenen Legislaturperiode gescheiterte Regelung, nach der Aktionäre über die Gehälter bestimmen sollen, umgesetzt werden. Zudem sollten börsennotierte Aktiengesellschaften künftig angeben müssen, wie viel mehr Vorstände im Vergleich zum Durchschnitt der eigenen Belegschaft verdienen.
Staatsziel Kultur: Die designierten Koalitionsparteien haben sich zudem geeinigt, Kultur als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. Dies berichtet die Samstags-taz (Dirk Knipphals) und fragt nach den praktischen Konsequenzen.
Kooperationsverbot: Eine weitere Einigung betrifft einen wesentlichen Punkt der Föderalismusreform von 2006. Die damals festgeschriebene Regelung, nach der die Finanzierung von Hochschulen und Schulen in das Aufgabengebiet der Länder fällt, soll nach Informationen der FAS (Christian Füller) fallen. Hierzu sei eine Grundgesetzänderung geplant, die auch Bundeshilfen für Schulen umfasse.
Doppelte Staatsbürgerschaft: Vorerst keine Einigung wurde zur doppelten Staatsbürgerschaft erzielt, dies kommentiert Heribert Prantl (Samstags-SZ). Er macht den Widerstand gegen sie als "das letzte Gefecht eines Kampfes" gegen die Erkenntnis von Deutschland als Einwanderungsland aus und wirbt für eine Aufhebung des 1999 eingeführten, "obskuren" Optionsmodells.
Gleichberechtigung: Eine Neuregelung des rheinland-pfälzischen Wahlgesetzes sieht vor, dass auf den Stimmzetteln der im nächsten Jahr stattfindenden Kommunalwahl der Frauenanteil der vorderen Plätze jeder Wahlliste vermerkt ist. Die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorhabens erläutert der Spiegel (M. Amann/M. Bartsch), Zusammenfassung auf spiegel.de.
Unternehmensstrafrecht: Über Kritik an dem von Nordrhein-Westfalen geplanten Entwurf zur Einführung eines bundesweiten Unternehmensstrafrechts schreibt die Samstags-Welt (Michael Gassmann). Einzelheiten beschreibt die Montags-FAZ (Joachim Jahn), u.a. soll die Einrichtung einer Kontroll-Struktur innerhalb des Unternehmens, etwa durch Compliance-Beauftragte, strafmildernd wirken.
Prostitution: Lto.de (Constantin van Lijnden) interviewt die Rechtsanwältin Margarete von Galen zur geplanten Reform des Prostitutionsgesetzes. Die Strafverteidigerin erläutert die Gründe für die 2001 erfolgte Einführung des Gesetzes, seine Auswirkungen und die nun im Raum stehenden Reformvorschläge. Deren Standardargument, dem Schutz vor Menschenhandel, hält von Galen für vorgeschoben, tatsächlich sei ein Totalverbot der Prostitution beabsichtigt.
Über Erfahrungen mit einer Kontaktverbotsverordnung, nach der in einem Hamburger Sperrgebiet sowohl Prostituierte als auch Freier mit einer Ordnungswidrigkeit belegt werden können, schreibt die Samstags-taz-Nord (Christopher Piltz).
Öffentlichkeitsfahndung: In der kommenden Woche stellt eine Arbeitsgruppe der Innen- und Justizminister der Länder Leitlinien und Standards für Fahndungen in öffentlichen Netzwerken vor. Die WamS (Per Hinrichs) berichtet über den Entwurf, nach dem die Internet-Fahndung auf "eine im Einzelfall schwerwiegende Straftat" beschränkt werden und die diesbezügliche Prüfung besonders streng ausfallen soll, wenn sie die Gefahr "diskriminierender Äußerungen oder tätlicher Übergriffe" begründet. Zudem sollten Daten nicht auf Facebook-Servern gespeichert werden.
Investorklagen: Im Gespräch mit der Montags-taz (Eric Bonse) macht die Europaabgeordnete Ska Keller (Grüne) auf die Gefahr von Investorklagen als Bestandteil eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA aufmerksam. Analog einem bereits beschlossenen Abkommen mit Kanada sollen diese Klagen Unternehmen ermöglichen, Streitfragen außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit vor "ominösen, intransparenten Schiedsgerichten" zu lösen.
Justiz
EuGH zu Mindestlohn-Berechnung: Auf eine Vorlage des Bundesarbeitsgerichts entschied der Europäische Gerichtshof, dass bei der Berechnung von Mindestlöhnen andere Vergütungsbestandteile als der bloße Stundenlohn berücksichtigt werden können. Voraussetzung sei, dass diese zusätzlichen Vergütungen das Verhältnis von Arbeits- und Gegenleistung nicht verändern. Rechtsprofessor Michael Fuhlrott schreibt für lto.de über Hintergrund, Inhalt und Auswirkungen der Entscheidung.
BGH zu Mieterpflichten: Aus Anlass des Bundesgerichtshofs-Urteils zur Verpflichtung von Mietern, die Wohnung bei ihrem Auszug in "farblich neutralen Tönen" zu streichen, gibt die FAS (Dennis Kremer) in ihrem Geld-Teil einen Überblick zu diesen und weiteren Mieterpflichten. Der Bundesgerichtshof verhandelt in der kommenden Woche über die Verpflichtung, Bohr- und Dübellöcher zu verschließen.
LG Hannover – Wulff: In ihrem Titelthema beschäftigt sich die WamS (Ulrich Exner) ausführlich mit dem Fall des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU), dessen Strafprozess wegen Vorteilsannahme am kommenden Donnerstag vor dem Landgericht Hannover beginnt. So wird etwa das Verhältnis Wulffs mit dem Filmproduzenten David Groenwold, der ebenfalls angeklagt ist, beleuchtet. Über die Prozessvorbereitungen des Bundespräsidenten a.D. schreibt der Focus (C. Elflein/A. Siemens).
LG Dortmund – Hausgeburt: Bereits seit mehr als einem Jahr muss sich vor dem Landgericht Dortmund eine Hebamme wegen Totschlags durch Unterlassen bei einer Hausgeburt verantworten. Über das Verfahren schreibt die Montags-FAZ (Reiner Burger).
ArbG Köln zu Geschenken: Vor dem Arbeitsgericht Köln unterlag ein Arbeitnehmer, der krankheitsbedingt nicht an einer Betriebsfeier teilnahm und deshalb auch kein dort vom Arbeitgeber verschenktes "iPad mini" bekam. Zu Recht, denn mit der "Überraschung" habe der Arbeitgeber ein freiwilliges Engagement außerhalb der Arbeitszeit belohnen wollen. Rechtsprofessor Markus Stoffels (beck-blog) berichtet.
VG Düsseldorf zu Kopftuch: Das Tragen eines Kopftuchs ist nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf kein Hindernis für die Aufnahme einer Bewerberin in den allgemeinen Verwaltungsdienst. Der beklagte Kreis Mettmann müsse demnach erneut über den Antrag der Klägerin entscheiden, meldet die Samstags-FAZ (Reiner Burger). Auch lto.de berichtet.
AG Heidenheim zu Informant: Vom Amtsgericht Heidenheim ist ein Polizei-Informant u.a. wegen Betrug und Erpressung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Mann hatte Ermittler monatelang mit mutmaßlich falschen Informationen zur bislang immer noch nicht aufgeklärten Ermordung einer Bankiersfrau versorgt und hierfür auch Geld bekommen. Der Spiegel (Simone Salden) berichtet.
StA München – Deutsche Bank: Die Samstags-SZ (K. Ott/A. Rexer) schreibt über die Ermittlungen gegen Jürgen Fitschen, Vorstandschef der Deutschen Bank, und weitere ehemalige Top-Manager des Geldhauses wegen versuchten Prozessbetrugs. Die Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit dem von Leo Kirch und seinen Erben betriebenen Schadensersatzprozess, eine Anklage werde erwartet. Die Montags-SZ (K. Ott/A. Rexer) stellt die Bemühungen der Kirch-Erben, Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft zu erlangen, in den Mittelpunkt ihres Berichts.
Hoeneß: In der Kolumne "Ein Spruch" fragt sich Jost Müller-Neuhof (tagesspiegel.de), ob für Uli Hoeneß trotz dessen Selbstanzeige die Unschuldsvermutung zu gelten habe. Dies wird bejaht. Der Aufsichtsratsvorsitzende des FC Bayern sei nach wie vor der Ansicht, seine Selbstanzeige sei wirksam, den diesbezüglichen Schuldnachweis aber könne erst der im März beginnende Prozess bringen.
Polizeigewalt: Der Spiegel (Juan Moreno) schreibt über einen äthiopischstämmigen Frankfurter, der vor über einem Jahr im Verlauf einer Fahrscheinkontrolle in der Bahn verletzt wurde und behauptet, Opfer von polizeilichen Misshandlungen geworden zu sein. Die Ermittlungen gegen die Polizisten stünden vor der Einstellung.
Beihilfeverfahren: Die EU-Kommission ermittelt gegen Nordrhein-Westfalen wegen eines möglichen Verstoßes gegen Beihilfebestimmungen durch von der früheren schwarz-gelben Landesregierung mit einem österreichischen Unternehmen abgeschlossene Verträge über Holzlieferungen. Die Samstags-FAZ (Reiner Burger) erläutert die Hintergründe.
Recht in der Welt
Belgien – Steuerhinterziehung: Der EU-Handelskommissar Karel De Gucht muss sich vor einem belgischen Zivilgericht wegen einer Steuernachforderung von einer knappen Million Euro verantworten, schreibt das Montags-Handelsblatt (Thomas Ludwig). Vor seiner Zeit als EU-Kommissar soll De Gucht Börsengewinne nicht ordnungsgemäß versteuert haben. Nach Darstellung der Montags-SZ (Cerstin Gammelin) wird vor dem anberaumten Gerichtstermin über den Vorwurf De Guchts entschieden, die Steuerbehörden hätten zu Unrecht Einsicht in sein Bankkonto genommen.
Spanien – Gnadenerlass: Der Oberste Gerichtshof Spaniens hat nach einer Meldung der Samstags-Welt einen von Ministerpräsident Rajoy verfügten Gnadenerlass aufgehoben. Geklagt hatten Hinterbliebene eines durch einen Geisterfahrer Getöteten, der Täter war ursprünglich zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
Großbritannien – Deutsche Bank: In einem Rechtsstreit zwischen der Deutschen Bank und einer indischen Firma über einen nicht zurückgezahlten Kredit aus dem Jahr 2007 entschied das Berufungsgericht des High Court of Justice in London, dass der Vorwurf der Manipulation des Referenzzinses Libor grundsätzlich relevant ist. Mit einer endgültigen Entscheidung sei zwar erst im kommenden Jahr zu rechnen, schreibt das Montags-Handelsblatt (Carsten Herz), das jetzige Urteil lasse jedoch viele in den Libor-Skandal verwickelte Großbanken "zittern."
Albanien – Blutrache: Die Montags-SZ (Florian Hassel) schreibt über das weiterhin in Albanien existierende Instrument der Blutrache, dass sich auch wegen mangelndem Vertrauen der Bevölkerung in die ordentliche Gerichtsbarkeit hält.
Ukraine – Präsidentschaft: Ein neues Gesetz in der Ukraine bestimmt die Einwohner-Eigenschaft neu, nach dem Bericht der Montags-FAZ (Konrad Schuller) geht der Boxer und mutmaßliche Präsidentschaftskandidat Vitali Klitschko davon aus, dass die Neuregelung "klar und deutlich" gegen ihn und seine mögliche Kandidatur gerichtet ist.
USA – Datenüberwachung: Die Samstags-FAZ (Andreas Ross) interviewt den Abgeordneten des US-Repräsentantenhaus Jim Sensenbrenner. Der Mitautor des "Patriot Acts" von 2001 zeigt sich entrüstet über die "grob falsche" Auslegung dieses Gesetzes durch Justizministerium und NSA und will durch einen "Freedom Act" die Massensammlung von Daten in den USA verbieten lassen.
Sonstiges
Whistleblower: In ihrer Wochenend-Beilage erinnert die Samstags-SZ (Malte Herwig) an den deutschen Whistleblower Werner Pätsch. Vor 50 Jahren hatte der Verfassungsschützer die Praxis seiner Behörde, Telefonüberwachungen deutscher Bürger bei den Geheimdiensten der West-Alliierten zu beauftragen, öffentlich gemacht. Wegen vorsätzlicher Verletzung der Amtsverschwiegenheit verurteilte ihn der Bundesgerichtshof zu einer Bewährungsstrafe.
Paralleljustiz: Die WamS (Joachim Wagner) schreibt über ein System der Paralleljustiz, dass vor allem in muslimisch dominierten Einwanderervierteln entstanden sei. Rechtsstreitigkeiten bis hin zu Tötungsdelikten würden durch Streitschlichter auf der Grundlage der Scharia entschieden, Opfer oder Zeugen, die sich diesem System widersetzen wollten, massiv unter Druck gesetzt und das staatliche Strafmonopol auf diese Weise unterlaufen.
Intensivtäter: Der Focus (Göran Schattauer) interviewt den Berliner Oberstaatsanwalt Rudolf Hausmann zu jugendlichen, oftmals türkisch- oder arabischstämmigen Intensivtätern. Der Jurist plädiert für einen differenzierten Umgang mit der Herkunft der Täter, aktiveres Handeln von Jugendämtern und Familiengerichten und eine konsequente Anwendung der geltenden Gesetze in Verfahren.
Das Letzte zum Schluss
Nebenverdienst: Staatsanwalt Jörn Patzak (beck-blog) schreibt über einen außergewöhnlichen Nebenverdienst eines Rechtsanwalts, der jetzt vor einem Amtsgericht wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Waffengesetz angeklagt ist. Der Anwalt soll in mehreren Fällen für einen Mandanten Heroin ins Gefängnis geschmuggelt haben.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. - 11. November 2013: Raubkunst-Rückgabe – Koalitions-Einigkeit – Angeklagter Wulff . In: Legal Tribune Online, 11.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9998/ (abgerufen am: 14.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag