Die juristische Presseschau vom 8. - 10. Februar 2014: BVerfG mit dem oder gegen den EuGH? – Maas will neuen Mord-Paragraphen – BGH billigt Boykottaufrufe

10.02.2014

Endlich ist es geschehen. Das BVerfG hat dem EuGH ein Verfahren vorgelegt - und klar seine Erwartungen geäußert. Nun wird diskutiert, wie es weitergeht. Außerdem in der Presseschau: Justizminister Maas will Mord-Paragraph reformieren, Snowdens deutscher Anwalt, BGH billigt Boykottaufrufe von Verbraucherzentralen - und warum ein defektes Fax einem französischen Mordverdächtigen die Freiheit bescherte.

Thema des Tages

BVerfG zu EZB-Programm: Das Bundesverfassungsgericht glaubt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem Euro-Rettungsprogramm von 2012 ihre durch die EU-Verträge eingeräumten Kompetenzen überschritten, also ultra vires gehandelt hat. Deshalb hat das Gericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob er das auch so sieht. Es berichten unter anderem die Samstags-SZ (Wolfang Janisch), taz.de (Christian Rath) und lto.de (Martin W. Huff).

In einem Gastbeitrag für die FAS erklärt Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio, Karlsruhe habe vorlegen müssen, weil es zum ersten Mal einen EU-Akt für ultra vires erklären will. Im Focus (Zusammenfassung auf focus.de) betont Ex-Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier, das Gericht habe seine Rolle als Verfassungshüter gestärkt, weil es mit der ultra vires-Kontrolle ernst mache. Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, prognostiziert auf zeit.de, dass die EZB das von Karlsruhe beanstandete Programm bis auf weiteres nicht nutzen wird. AfD-Chef Bernd Lucke sieht in der Montags-FAZ das Bundesverfassungsgericht in einer relativ starken Position, weil es mit dem deutschen Austritt aus der Währungsunion drohen könne.

Der Spiegel (Melanie Amman, Dietmar Hipp, Thomas Darnstädt) geht in seiner Urteilsanalyse davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht Europa seinen Willen aufzwingen werde. Christian Bommarius (Samstags-FR) bemängelt, die Richter hätten nur "unbestimmt" erklärt, was passiert, wenn der EuGH nicht ihrer Ansicht folgt und plädiert für eine neue auf Artikel 146 des Grundgesetzes gestützte Verfassung. Heribert Prantl (Samstags-SZ) hält die zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerden für unzulässig und plädiert statt dessen für Volksabstimmungen über die EU. Wolfgang Janisch (Montags-SZ) spricht von "Amtsanmaßung" des BVerfG. Holger Steltzner (Samstags-FAZ) vermutet, dass der EuGH sich um eine Antwort herumdrücken werde, weil die EZB noch gar keine Anleihen aufgekauft habe. Daniel Thym (verfassungsblog.de) sieht den Ausgang am EuGH als offen an und glaubt, dass das BVerfG einen gut begründeten "Ja, aber"-Beschluss des EuGH akzeptieren werde.

Rechtspolitik

Maas zu Mord und Snowden: In einem Interview mit der Samstags-SZ (Heribert Prantl/Robert Rossmann) plädiert Justizminister Heiko Maas (SPD) für eine Reform des Mord-Paragraphen. Zu ändern sei die täterbezogene Formulierung der Strafnorm, auch das Mordmerkmal der Heimtücke sei problematisch. Maas will eine Expertenkommission einsetzen und die Reform noch in dieser Wahlperiode umsetzen. Im zweiten Teil des Interviews geht es um Edward Snowden. Maas appelliert an die USA, ihre Rechtsstaatlichkeit zu beweisen. Die USA sollen an der Schaffung eines internationalen Rechtsrahmens für den Schutz der Privatsphäre gegenüber Geheimdiensten mitarbeiten und Snowden bei einer Rückkehr ein faires Verfahren garantieren.

Helene Bubrowski (Montags-FAZ) kommentiert die Initiative zur Reform des Mord-Paragraphen: "Die nun vollmundig angekündigte Reform des Strafgesetzbuches ist politisch überfällig – rechtlich jedoch ohne großen Nutzen." Die Justiz habe den Paragraphen jetzt schon rechtsstaatlich ausgelegt.

Reding zu Freizügigkeit und Hartz IV: In einem Interview mit der FAS (Thomas Gutschker) antwortet EU-Justizkommissarin Viviane Reding eher ausweichend auf Fragen zur Gewährung von Hartz IV an arbeitssuchende EU-Bürger. Dies sei Sache der nationalen Gerichte. Die EU-Kommission sei jedoch gegen pauschale Lösungen und Diskriminierungen.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Rechtsprofessor Jürgen Kühling plädiert in einem Gastbeitrag für die Montags-FAZ für eine verfassungsrechtliche Neubestimmung der Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dieser müsse qualitativ gestärkt und quantitativ geschrumpft werden. Professionalisierte Rundfunkräte müssten darauf achten, dass er stets einen Mehrwert gegenüber privatwirtschaftlichen Angeboten erbringe.

TTIP und Investorenschutz: Die Samstags-SZ (Nikolaus Piper) hat untersucht, welche Rolle Regelungen zum Investorenschutz im NAFTA-Abkommen über nordamerikanischen Freihandel hatten und kam zum Schluss: "Weder haben Klagen die Regierungen daran gehindert, Umwelt- oder Sicherheitsvorschriften zu erlassen, noch wurde die Demokratie ausgehebelt. Die Schiedsverfahren haben aber auch nur wenig substanzielle Verbesserung für Investoren gebracht". Solche Klauseln zum Investorenschutz sollten daher kein Grund sein, das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU scheitern zu lassen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. - 10. Februar 2014: BVerfG mit dem oder gegen den EuGH? – Maas will neuen Mord-Paragraphen – BGH billigt Boykottaufrufe . In: Legal Tribune Online, 10.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10934/ (abgerufen am: 14.05.2024 )

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