Die juristische Presseschau vom 3. November 2015: OLG zu No Spy-Erlass / Straf­be­fehl für Hadert­hauer / VW vor Mam­mut­pro­zess

03.11.2015

Justiz

EuGH – Haftung für Hyperlinks: Beim Europäischen Gerichtshof sind gegenwärtig zwei Verfahren anhängig, die eine Klärung der gerade in Deutschland umstrittenen Frage verspricht, unter welchen Voraussetzungen eine Verlinkung von Web-Inhalten haftungsbegründend wirkt. Rechtsanwalt Sascha Abrar stellt auf lto.de die bisher von der deutschen und europäischen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dar und erläutert die Hintergründe der aktuellen Verfahren beim EuGH. Der Urheberrechtsexperte plädiert im Anschluss für eine umfassende Regelung durch den europäischen Gesetzgeber.

BVerfG zu Umgangsrecht für Neonazis: Die SZ (Ulrike Heidenreich) erinnert an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vor zwei Jahren, in dem ein Umgangsverbot eines geschiedenen Neonazis gegenüber seinen Kindern bestätigt wurde. Derartige familienrechtliche Verfahren könnten sich künftig häufen. Die Entscheidung, ob bekennenden oder aktiven Neonazis das Umgangsrecht untersagt werden könne, müsse aber immer im Einzelfall und zuvörderst unter Beachtung des Kindeswohls getroffen werden.

BGH zu Rechtsschutzversicherungen: Die SZ (Herbert Fromme) berichtet über zwei bislang unveröffentlichte Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus dem vergangenen Monat. Nach den Urteilen könnten Rechtsschutzversicherer die Übernahme von Anwaltskosten für Anlegerklagen künftig leichter ablehnen. Die Versicherungen erbrächten ihre Leistungen nämlich auch durch die Abwehr von unberechtigten Gebührenforderungen von Anwälten. Diese Ansicht hatte auch der beklagte Arag-Konzerns vertreten. Dieses Modell entspräche der Regelung bei Haftpflichtversicherungen.

BVerwG zu Bundestags-Gutachten: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) erinnert an ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Transparenzpflichten des Bundestags. Ende Juni hatte das Leipziger Gericht entschieden, dass die vom Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments erstellten Gutachten auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes auf Nachfrage hin öffentlich gemacht werden müssen. Die hierdurch geschaffene Rechtslage, nach der auch die jeweiligen Auftraggeber bekannt gemacht werden, "stelle die bisherigen Gepflogenheiten auf den Kopf". Denn es werde nunmehr schwieriger für Politiker, die Arbeiten als Argumente im politischen Meinungskampf zu verwenden.

OLG Hamm zu Vollzugslockerungen: Dass ein Verurteilter auch nach 15 Jahren Haft die ihm zur Last gelegte Tat leugnet, darf nicht zur Begründung der Verweigerung beantragter Vollzugslockerungen angeführt werden. Dies entschied nach Meldung von lto.de das Oberlandesgericht Hamm in einem nun veröffentlichten Beschluss von Ende September. Auch unter Berücksichtigung eines der Justizvollzugsanstalt einzuräumenden Beurteilungsspielraums sei bei zu gewährenden Vollzugslockerungen vielmehr ein vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde zu legen.

BayVGH zu Rundfunkbeitrag: Nach Meldung der FAZ hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die vom Autovermieter Sixt eingelegte Berufung gegen die Abweisung einer Klage gegen den Rundfunkbeitrag verworfen. In der bislang unveröffentlichten Entscheidung sei jedoch die Revision zugelassen worden.

LG Landshut – Müller-Brot: Vor dem Landgericht Landshut müssen sich drei ehemalige Chefs der mittlerweile insolventen Großbäckerei Müller-Brot unter anderem wegen Insolvenzverschleppung verantworten. Der Prozess begann mit der Verlesung von Protokollen des Gesundheitsamts, das zahlreiche Hygieneverstöße im Betrieb festgestellt hatte. Demnächst werde die wirtschaftliche Situation des Unternehmens im Mittelpunkt stehen, schreibt die SZ (Katja Riedel).

LG Detmold – Auschwitz-Wachmann: Nach Meldung der FAZ (Alexander Haneke) ist ein 93-jähriger früherer Wachmann im KZ-Auschwitz, dem Beihilfe zum Mord in mindestens 170.000 Fällen vorgeworfen wird, eingeschränkt verhandlungsfähig. Ein medizinisches Gutachten habe nach Mitteilung des Landgerichts Detmold ermittelt, dass er zwei Stunden pro Tag an einer Hauptverhandlung teilnehmen könne. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens werde nach Ablauf einer Stellungnahmefrist entschieden.

VG Potsdam zu Agententätigkeit: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) berichtet über ein "Lehrstück über Gefahren der Überwachungsroutine". Ein brandenburgischer hochrangiger Berufsbeamter, mittlerweile pensioniert, sei wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit jahrelangen Überwachungsmaßnahmen durch den Landesverfassungsschutz ausgesetzt gewesen. Das Verwaltungsgericht Potsdam hatte zwischenzeitlich die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen festgestellt. Gleichwohl gehe die Landesregierung nach wie vor davon aus, dass der zugrunde liegende Verdacht eine Rechtfertigung begründe. Dementsprechend sehe sie keine Veranlassung, den Betroffenen zu entschädigen.

StA München II – Christina Haderthauer: Nach Bericht der SZ (Dietrich Mittler) hat die Staatsanwaltschaft München II ihre gegen die frühere bayerische Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) gerichteten Ermittlungen wegen des Verdachts des Betruges und der Steuerhinterziehung im Zusammenhang der sogenannten Modellbau-Affäre eingestellt. Der Anwalt der Politikerin habe verlauten lassen, dass ein von der Anklagebehörde angekündigter Strafbefehl wegen "eines möglichen Verstoßes" gegen die Abgabenordnung akzeptiert würde, solange dieser "angemessen" sei.

Der Strafbefehl verdeutliche, dass die Politikerin in ihren Erklärungen gegenüber dem Landtag des Freistaats "wohl nicht die volle Wahrheit gesagt" habe, kommentiert Dietrich Mittler (SZ). Während der gesamten Affäre und durch ihr "ungeschicktes Krisenmanagement" habe ihre politische Glaubwürdigkeit gelitten. Insgesamt beweise ihr Verhalten fehlende Demut.

Steuerfahndung NRW – Datenkauf: Zu dem nun bekannt gewordenen neuerlichen Datenkauf nordrhein-westfälischer Steuerfahnder prognostiziert Sönke Iwersen (Handelsblatt) eine "Allianz aus Bankmanagern, Moralaposteln und Rechtsprofessoren", die demnächst den "Untergang des Rechtsstaates" beschwören würden. Dabei dürfe der Staat "natürlich" Informationen über illegale Steuergeschäfte auch mit Geld entlohnen. Diese Praxis stünde zwar "in keinem Lehrbuch der Rechtswissenschaft", ebenso wenig aber entsprächen die durch die Datenerlangung aufgedeckten Praktiken "hochbezahlter Steuerexperten" den Grundsätzen der Finanzwissenschaft. Dass der um Steuereinnahmen in Milliardenhöhe geprellte Staat dann auf diese Weise reagiere, belege die "Wehrhaftigkeit" des Rechtsstaates.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. November 2015: OLG zu No Spy-Erlass / Strafbefehl für Haderthauer / VW vor Mammutprozess . In: Legal Tribune Online, 03.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17413/ (abgerufen am: 21.05.2024 )

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