Die juristische Presseschau vom 31. August 2016: Ver­fas­sungs­be­schwerde gegen Ceta / Sieg für Netz­neu­tra­lität / PKH für Kik-Kläger

31.08.2016

Ceta-Kritiker wollen die "größte Bürgerklage" aller Zeiten beim BVerfG einreichen. Außerdem in der Presseschau: Netzneutralität gesichert, Videoübertragung aus Gerichten soll kommen und Prozesskostenhilfe für Kläger wegen Kik-Fabrikbrand.

Thema des Tages

Verfassungsbeschwerde gegen Ceta: Am heutigen Mittwoch will ein Bündnis aus Bürgerrechtsorganisationen und 125.000 Privatpersonen eine Verfassungsbeschwerde gegen das Handelsabkommen Ceta einreichen. Ziel sei es, dass die Karlsruher Richter der Bundesregierung untersagen, dem Abkommen am 18. Oktober im EU-Ministerrat zuzustimmen. Der Fokus der Kritiker liegt auf dem Investitionsgericht, welches darauf ausgerichtet sei, "Investoren bevorzugt zu behandeln". Sie befürchten unter anderem, dass der Gesetzgeber wegen drohender Schadensersatzklagen vor investorenfeindlichen Regelungen zurückschrecken werde. Dies sei nicht mit dem Demokratieprinzip vereinbar. Die SZ (Wolfgang Janisch) bezweifelt, dass diese Argumentation auch verfassungsrechtlich durchschlägt. Möglich sei allerdings, so der Beitrag, dass das BVerfG die Zustimmung zu Ceta wegen des vorgesehenen Gemischten Ausschusses, welcher dazu befugt werden soll das Abkommen weiterzuentwickeln, verbietet. Die EU könnte hier außerhalb ihrer Zuständigkeiten handeln, da sie plane, erhebliche Befugnisse an ein Gremium zu delegieren, das keine Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten beinhalten solle.

Der Europäische Gerichtshof wird Ende des Jahres hinsichtlich des Freihandelsabkommens EU-Singapur entscheiden, ob es sich um ein gemischtes Abkommen handelt. Als Präzedenzfall für Ceta wird sich diese Entscheidung auch darauf auswirken, ob das Abkommen EU-Kanada der Zustimmung der nationalen Parlamente bedarf, erklärt die SZ (Wolfgang Janisch) in einem separaten Beitrag.

"Alle Menschen sind gleich, Investoren sind gleicher." Heribert Prantl (SZ) moniert, dass das im Handelsabkommen Ceta geplante Investitionsgericht nicht neutral, sondern investitionsfreundlich sei.

Rechtspolitik

Netzneutralität: Unter dem Titel "Sieg für Netzneutralität" resümiert netzpolitik.org (Markus Beckedahl) die vom EU-Gremium Berec vorgestellten Leitlinien zur Netzneutralität. So sollen Telekommunikationsunternehmen etwa keine Möglichkeit erhalten, mittels Spezialdiensten sogenannte "kostenpflichtige Überholspuren" im Internet anzubieten. Eine neue Klausel binde zudem an Verbraucher- und Datenschutz, die Meinungs- und Informationsfreiheit sowie das Nichtdiskriminierungsgebot. zeit.de (Torsten Kleinz) berichtet ausführlich und weist auf etwaige Hintertüren hin. Die taz (Christian Rath) zeichnet nach, wie sich die Netzneutralität seit November 2015 entwickelt hat. spiegel.de (Teresa Sickert) erklärt die Hintergründe der Entscheidung und relevante Begrifflichkeiten wie Netzneutralität und Zero Rating.

Videoübertragung aus Gerichten: Am heutigen Mittwoch will das Kabinett einen Gesetzentwurf beschließen, der Videoübertragungen von Verkündungen an Bundesgerichten erlauben soll. Laut Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) spreche ein verändertes Kommunikationsverhalten für das Vorhaben, meldet die FAZ (Hendrik Wieduwilt).

Widerstand gegen TTIP: Die französische Regierung fordert, dass EU und USA ihre TTIP-Verhandlungen beenden und will dies Ende September bei einem Treffen der EU-Handelsminister beantragen. Es sei unwahrscheinlich, dass eine Einigung vor dem Amtszeitende Obamas erreicht werde und dementsprechend falsch, Gespräche weiter zu führen, die ohnehin scheitern würden, so das Argument. Es schreiben SZ (Wolfgang Janisch/Stefan Ulrich), FAZ (Christian Schubert/Werner Mussler u.a.) und Hbl (Heike Anger, Till Hoppe u.a.). Handelskommissarin Cecila Malmström erklärte, die Verhandlungen seien schwierig, aber nicht gescheitert.

DJT über Personengesellschaftsrecht: Empfiehlt sich eine grundlegende Reform des Personengesellschaftsrechts? Mit dieser Frage wird sich die wirtschaftsrechtliche Fachabteilung des in zwei Wochen stattfindenden 71. Deutschen Juristentags befassen. Das Handelsblatt-Rechtsboard (Ulrich Noack) erläutert, warum hier ein "immenser Reformstau" bestehe und stellt einige Änderungsvorschläge der DJT-Referenten vor.

Kuckuckskinder/Unterhaltsrecht: Christian Rath (taz.de) begrüßt die Grundausrichtung der geplanten Reform des Unterhaltsrechts. Die Auskunftspflicht für Mütter über vergangene Sexualpartner kritisiert er allerdings als hanebüchen und nutzlos. Sie sei mit Blick auf die persönliche Intimsphäre der Mütter völlig unverhältnismäßig. Die Pflicht ließe sich zudem durch vermeintliche Erinnerungslücken leicht umgehen. Anwendungsfälle hielten sich in Grenzen.

Recht auf Datenübertragbarkeit: Die Medienrechtler Max von Schönfeld und Charlotte Röttgen erklären in der FAZ das Recht auf Datenübertragbarkeit und praktische Probleme im Zuge dessen Umsetzung. Anbieter der Digitalwirtschaft seien angehalten, technische Formate auszuarbeiten, mit denen personenbezogene Daten an andere Verantwortliche übermittelt werden können. Der Gesetzgeber müsse sich mit den Pflichten der Datenannahme auseinandersetzen. Das Recht wird 2018 mit der Datenschutzgrundverordnung in Kraft treten.

Erbschaftsteuer: Die FAZ (Manfred Schäfers) erinnert daran, dass der Vermittlungsausschuss am heutigen Mittwoch mit den ersten Vorberatungen bezüglich der Erbschaftsteuerreform beginnt. Die Erwartungen eines zügigen Kompromisses seien gering, obwohl das Bundesverfassungsgericht angekündigt hat, sich Ende September sonst selbst mit einer Neuregelung zu befassen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31. August 2016: Verfassungsbeschwerde gegen Ceta / Sieg für Netzneutralität / PKH für Kik-Kläger . In: Legal Tribune Online, 31.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20428/ (abgerufen am: 04.05.2024 )

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