School Shooting in Michigan: Eltern von Amo­k­läufer müssen wegen fahr­läs­siger Tötung in Haft

10.04.2024

Ein Teenager erschoss 2021 an seiner Schule vier Mitschüler. Er selbst sitzt lebenslang im Gefängnis. Jetzt wurden auch seine Eltern zu Haftstrafen verurteilt. Ein Novum in den USA, in Deutschland gab es schon einen solchen Fall.

Ungefähr einen Monat vor Weihnachten 2021 schenkte James Crumbley seinem 15 Jahre alten Sohn Ethan eine Sig Sauer, Kaliber neun Millimeter. Seine Frau Jennifer kaufte die passende Munition und fuhr mit dem Jungen am nächsten Tag zu einer Schießanlage. Vier Tage später waren vier junge Menschen tot: Ethan war mit der Pistole an seiner Schule in Michigan Amok gelaufen.

Ein Gericht im Landkreis Oakland County verurteilte den inzwischen 17-jährigen Teenager im Dezember vergangenen Jahres zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung. Am Dienstag erging nun ein historisches Urteil: Erstmals wurden in den USA die Eltern eines Teenagers, der an einer Schule ein Massaker angerichtet hatte, wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt: Gegen James und Jennifer Crumbley erging eine Haftstrafe von jeweils zehn bis 15 Jahren, wie die zuständige Richterin in Michigan am Dienstag verkündete.

Die Eltern waren bereits vor einigen Wochen in separaten Verfahren schuldig gesprochen worden. Nun folgte die Strafmaßverkündung.

Gericht: Eltern tragen Mitschuld an der Tragödie

Gegen die Eltern des Jugendlichen waren schwere Vorwürfe erhoben worden, weil sie die Tatwaffe gekauft und ihrem minderjährigen Sohn Zugang dazu gewährt hatten. Sie sollen außerdem Warnungen aus dem schulischen Umfeld des Jungen ignoriert haben: Am Tattag – vier Tage, nachdem sie ihrem Sohn die Waffe geschenkt hatten – waren seine Eltern in die Highschool ihres Sohnes gerufen worden. Ethan hatte eine Pistole, eine Kugel und einen blutenden Mann auf ein Blatt Papier für den Mathematikunterricht gemalt. "Die Gedanken wollen nicht aufhören", stand dort, wie amerikanische Medien berichten. "Helft mir. Überall Blut. Mein Leben ist sinnlos."

Nach 12 Minuten verließ das Ehepaar das Schulbüro wieder. Niemand schickte den Schüler nach Hause. Ungefähr zwei Stunden danach ereignete sich die Tragödie und vier Menschen starben.

Es gehe hier nicht um schlechte Erziehung, sagte die Richterin Cheryl Matthews laut einem Bericht der SZ. "Diese Verurteilungen bestätigen wiederholte Handlungen oder das Fehlen von Handlungen, die einen entgegenkommenden, außer Kontrolle geratenen Zug hätten aufhalten können. Das wiederholte Ignorieren von Dingen, bei denen eine vernünftige Person das Gefühl hätte, dass sich die Nackenhaare aufstellen."

Mr. Crumbley habe ungehinderten Zugang zu der Waffe und Munition ermöglicht, die Pistole soll im Schlafzimmer gelegen haben. Mrs. Crumbley habe "den Gebrauch und den Besitz dieser Waffen verherrlicht".

Wie ist die Rechtslage in Deutschland?

Auch in Deutschland ist bereits der Elternteil eines Amokläufers wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 Strafgesetzbuch, StGB) verurteilt worden: Das Landgericht (LG) Stuttgart verhängte im Jahr 2013 gegen den Vater des Todesschützen von Winnenden eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. § 222 StGB sieht einen Strafrahmen von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Gefängnis vor. Die Verurteilung beruhte daneben auf Verstößen gegen das Waffengesetz.

Der Vater hatte die Pistole in einem unverschlossenen Kleiderschrank aufbewahrt, mit der sein Sohn Tim K. am 11. März 2009 in Winnenden und Wendlingen 15 Menschen und dann sich selbst erschossen hatte.

Erstmals war der Vater schon 2011 vom LG Stuttgart verurteilt worden (Urt. v. 10.02.2011, Az. 18 KLs 112 Js 21916/09). Auf seine Revision hatte der Bundesgerichtshof das Urteil des LG Stuttgart wegen Verfahrensfehlern aufgehoben, aber inhaltlich bestätigt: Schon die unzulängliche Sicherung von Waffen und Munition unter Verstoß gegen die spezifischen waffenrechtlichen Aufbewahrungspflichten könne den Vorwurf der Fahrlässigkeit stützen. Eltern hafteten dann für Straftaten, die vorhersehbare Folge einer ungesicherten Verwahrung sind (Beschl. v. 22.03.2012, Az. 1 StR 359/11).

Es war das erste Mal in Deutschland, dass ein Unbeteiligter nach einem Amoklauf verurteilt wurde.

dpa/cho/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

School Shooting in Michigan: Eltern von Amokläufer müssen wegen fahrlässiger Tötung in Haft . In: Legal Tribune Online, 10.04.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54298/ (abgerufen am: 29.04.2024 )

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