Die einzigen Passagiere mit nicht-weißer Hautfarbe wurden in einem Zug von der deutschen Polizei überprüft. Ob dahinter ein Fall von Racial Profiling steckt, wurde aber nicht hinreichend untersucht, meint nun der EGMR.
Deutschland ist einem Vorwurf des Racial Profilings nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nicht ausreichend nachgegangen. In seinem Urteil vom Dienstag kritisierte das Straßburger Gericht, dass Untersuchungen gegen einen Polizeibeamten nur intern geführt wurden. Dies sei nicht unabhängig. Außerdem hätten deutsche Gerichte die Klage des Betroffenen abgewiesen, weil es vermeintlich kein ausreichendes Interesse an einer Entscheidung in der Sache gegeben habe. Deutschland habe damit gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Eine Entschädigung wird nicht fällig, weil keine beantragt wurde (Urt. v. 18.10.2022, Beschwerdenr. 215/19).
Konkret geht es in dem Fall um einen Deutschen, der 2012 gemeinsam mit seiner Tochter in einem Zug kurz hinter der Grenze zu Tschechien von der Polizei kontrolliert wurde. Der Mann gibt an, dass seine Tochter und er die einzigen Nicht-Weißen im Waggon gewesen seien. Sie wären als einzige von der Polizei überprüft worden.
Laut EGMR ist die Aussage des Mannes, aufgrund bestimmter physischer oder ethnischer Merkmale für die Kontrolle ausgewählt worden zu sein, plausibel. Deutschland hätte daher prüfen müssen, ob es eine Verbindung zu möglichen rassistischen Einstellungen des betreffenden Beamten gegeben habe. Weil es aber keine ausreichenden Ermittlungen gegeben habe, könne auch das Straßburger Gericht nicht feststellen, ob es sich bei der Kontrolle des Mannes um Racial Profiling gehandelt habe.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
EGMR sieht Diskriminierung: . In: Legal Tribune Online, 18.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49923 (abgerufen am: 03.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag