Nach Chaos in Berliner Wahllokalen: Bun­destag stimmt für Teil-Wie­der­ho­lung der Wahl in Berlin

11.11.2022

Die Pannenserie bei der Bundestagswahl 2021 in Berlin bleibt nicht ohne Konsequenzen - die Wahl soll nach einem Bundestagsbeschluss teilweise wiederholt werden. Das letzte Wort könnte aber in Karlsruhe gesprochen werden.

Wegen zahlreicher Pannen soll die Bundestagswahl vom September 2021 in 431 Berliner Wahlbezirken wiederholt werden. Das hat der Bundestag am späten Donnerstagabend mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP beschlossen. Der Union und der AfD ging das nicht weit genug. Die beiden Oppositionsfraktionen wünschten sich eine Wiederholung in noch wesentlich mehr Wahlbezirken.

Betroffen sind nach dem Beschluss des Parlaments 327 der 2256 Wahlbezirke der Hauptstadt sowie 104 der 1507 Briefwahlbezirke. Die Wiederholung soll mit Erst- und Zweitstimme erfolgen. Erneut gewählt werden soll in jenen Wahlbezirken, in denen die Stimmabgabe 2021 aufgrund von Wahlfehlern unterbrochen wurde, in denen es erhebliche Verzögerungen gab oder in denen Wähler wegen fehlender oder falscher Wahlzettel nicht gültig abstimmen konnten. Ein Wiederholungsgrund liegt auch vor, wenn Wahllokale noch nach 18:30 Uhr geöffnet waren.

Unklar ist, wann die Teilwiederholung der Wahl stattfinden wird. Die Parteien im Bundestag gehen davon aus, dass der Beschluss vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird. Wann das dann entscheidet, ist offen. Unklar sind auch die Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestags. Sollte die Wahlbeteiligung bei der Teilwiederholung niedrig sein, könnte dies zur Folge haben, dass weniger Abgeordnete aus Berlin im Bundestag vertreten sein werden.

Der Berliner Rechtspolitiker Jan-Marco Luczak (CDU) äußerte sich verärgert darüber, wie nunmehr mit den "inakzeptablen Zuständen", welche "die Freiheit der Wahl tangiert" und "das Vertrauen in den demokratischen Prozess erschüttert" hätten, umgegangen wird. Luczak weiter: "In unsäglicher Weise haben SPD, Grüne und FDP das Verfahren im Wahlprüfungsausschuss parteipolitisch instrumentalisiert. Die Wiederherstellung der Legitimität der Wahl ist Ziel und Aufgabe des Wahlprüfungsausschusses, und nicht, möglichst viele eigene Mandate zu sichern. Die Ampel desavouiert mit ihrem Vorgehen die Arbeit des Ausschusses und fügt unserer Demokratie weiteren Schaden zu".

Allgemeine Überforderung in Berlin

Die Bundestagswahl am 26.09.2021 war in vielen Berliner Wahllokalen chaotisch verlaufen. Es gab lange Schlangen und Wartezeiten, falsche oder fehlende Stimmzettel, weswegen Wahllokale vorübergehend geschlossen werden mussten. Vielerorts blieben die Wahllokale bis weit nach 18.00 Uhr geöffnet, um den Wartenden noch die Stimmabgabe zu ermöglichen.

Die Verwaltung war heillos überfordert, weil parallel zum Bundestag auch das Abgeordnetenhaus und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt wurden. Hinzu kam ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Der zeitgleich ausgetragene Berlin-Marathon erschwerte den Wahlhelfern die Arbeit, etwa das Nachliefern von Wahlzetteln, weil viele Straßen gesperrt waren.

Bundeswahlleiter Georg Thiel sah ein "komplettes systematisches Versagen der Wahlorganisation" in Berlin und legte Einspruch gegen die Wahl ein. Er verlangte, diese in sechs der zwölf Wahlkreise komplett zu wiederholen. Gegen die Wahl gingen insgesamt 2.172 Einsprüche beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestags ein - so viele wie nie zuvor. Rund 1.700 davon betrafen allein den Wahlablauf in Berlin.

Dass die Wahl nur in 431 Wahlbezirken wiederholt werden soll, stößt bei Teilen der Opposition auf Kritik. Der Unions-Obmann im Wahlprüfungsausschuss, Patrick Schnieder (CDU), warf der Ampel-Koalition vor, sich aus Angst vor Mandatsverlusten auf eine kosmetische Korrektur zu beschränken: "Sie rechnen das Fiasko klein." Der Justiziar der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, wies den Vorwurf zurück. Man wolle die Wahl nur dort wiederholen, wo es tatsächlich Wahlfehler gegeben habe.

Auch bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksparlamenten gab es Unregelmäßigkeiten. Darüber wird der Verfassungsgerichtshof Berlin am 16.11.2022 entscheiden. Die Richterinnen und Richter hatten in der Verhandlung deutlich gemacht, dass sie eine Wiederholung der gesamten Wahl für möglich halten.

dpa/jb/LTO-Redaktion

Anm. d. Red.: Text in der Fassung vom 11.11.2022, 14:10 Uhr.

Zitiervorschlag

Nach Chaos in Berliner Wahllokalen: Bundestag stimmt für Teil-Wiederholung der Wahl in Berlin . In: Legal Tribune Online, 11.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50145/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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