Reform des Insolvenzrechts: Weniger Ver­mu­tungen, mehr Sicher­heit

von Dr. Alexandra Schluck-Amend

28.02.2017

2/2: Neuerungen auch bei Bargeschäften

Auch im Rahmen des Bargeschäftsprivilegs nach § 142 InsO werden Neuerungen eingeführt. Ein solches schließt eine Insolvenzanfechtung bislang weitgehend aus, wenn Leistung und Gegenleistung von Schuldner und Gläubiger gleichwertig sind und "in einem engen zeitlichen Zusammenhang" gewährt werden, in der Regel 30 Tage. Ob dies auch für die Vorsatzanfechtung gilt, ist umstritten. Künftig muss der Gläubiger jedenfalls erkannt haben, dass der Schuldner unlauter handelt. Dies ist auf den ersten Blick begrüßenswert, birgt jedoch auch eine gewisse Unsicherheit.

Denn das "unlautere Handeln" ist ein neuer unbestimmter Rechtsbegriff, der erst noch durch die Gerichte näher ausgestaltet werden muss. Zudem wurde (nur) für den Bereich der Anfechtung von Arbeitsentgelten der "enge zeitliche Zusammenhang" auf drei Monate festgelegt und somit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kodifiziert. Zusätzlich wird gelten, dass eine Zahlung durch Dritte anfechtungsfest ist, wenn der Arbeitnehmer nicht erkannt hat, dass die Leistung von einem Dritten erbracht worden ist.

Der Fall, dass der Arbeitslohn von einer anderen Gesellschaft im gleichen Konzern gezahlt wird, soll dadurch künftig nicht mehr anfechtbar sein. Leider hat der Gesetzgeber die "Unmittelbarkeit" nicht auch für alle übrigen Rechtshandlungen definiert. Dies bleibt weiterhin der Auslegung durch die Gerichte überlassen und beseitigt damit nicht alle Unsicherheiten von Anfang an.

Zinsen künftig erst ab Zahlungsverzug

Bislang musste eine Rückzahlungsforderung aus Insolvenzanfechtung ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung verzinst werden. Wenn eine Forderung erst nach teils jahrelanger Prüfung durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht wird, können so beträchtliche Summen allein für Zinsen anfallen. Nach der Reform tritt eine Verzinsung erst dann ein, wenn der Anfechtungsgegner sich tatsächlich in Zahlungsverzug befindet also so wie bei jedem anderen Zahlungsanspruch auch.

Richtiger Schritt, aber nicht weit genug

Die beschlossene Reform ist notwendig und wichtig. Sie hätte allerdings weiter gehen können. Durch die Entkräftung des Beweisanzeichens der Zahlungsvereinbarungen ist nur eines von vielen Problemen gelöst. Die von der Rechtsprechung entwickelten Beweisanzeichen lösen in Verbindung mit den gesetzlichen Vermutungen eine regelrechte Vermutungskaskade aus, die für Betroffene kaum noch überblickbar ist.

Auch ist es schade, dass der Gesetzgeber den Schritt nicht gewagt hat, die Anfechtung von Leistungen aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch Stärkung der gerichtlichen Titel zu erschweren.

Das Reformgesetz tritt voraussichtlich im ersten Halbjahr 2017 in Kraft. Eine rückwirkende Anwendung auf Altverfahren wird jedoch (leider) nicht stattfinden. Unterm Strich wird es künftig für viele Gläubiger und Anfechtungsgegner Erleichterungen geben, das Thema Insolvenzanfechtung bleibt aber komplex.

Dr. Alexandra Schluck-Amend ist Diplom-Betriebswirtin und Rechtsanwältin, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Partnerin bei CMS in Deutschland.

Zitiervorschlag

Dr. Alexandra Schluck-Amend, Reform des Insolvenzrechts: Weniger Vermutungen, mehr Sicherheit . In: Legal Tribune Online, 28.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22221/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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